Abenteurerin Ulla Lohmann:Am offenen Herzen der Erde

Lesezeit: 3 Min.

Vulkane faszinieren Ulla Lohmann schon ihr ganzes Leben lang. Im Südpazifik klettert die Abenteurerin bis an den Rand eines 1200 Grad heißen Lavasees.

Von Otto Fritscher, Starnberg/Schäftlarn

In der guten Stube ist schön geheizt, Ulla Lohmann sitzt trotzdem mit einer roten Daunenjacke, Fellpuschen und, wie sie sagt, mit langer Unterwäsche am Tisch. "Ja, ich bin verfroren", gibt sie zu und lacht. Vielleicht ist das ja eine Erklärung, warum diese drahtige Frau mit den langen, braunen Haaren sich gerne mit heißen Sachen beschäftigt. Was durchaus wörtlich zu nehmen ist. Lohmann ist vor zwei Jahren im Krater eines aktiven Vulkans 600 Höhenmeter hinuntergeklettert, bis zum Rand des brodelnden, 1200 Grad heißen Lavasees, aus dem 70 Meter hohe Fontänen schießen.

Der Benbow, ein Vulkan auf der Insel Ambrym, die zu Vanuatu im Südpazifik gehört, hat es ihr angetan. Und mit dieser Klettertour "in das offene Herz der Erde" hat sich Lohmann einen Lebenstraum erfüllt, wenn man dies bei einer 40-Jährigen sagen darf. Denn mit 19 Jahren stand sie auf ihrer ersten Weltreise schon mal an diesem Kraterrand. "Damals wusste ich: Da muss ich hinunter", erzählt Lohmann.

Dann hat es doch 20 Jahre gedauert, bis es 2016 endlich geklappt hat. "Man muss hartnäckig sein, und darf seine Träume nicht aufgeben", sagt Lohmann. Das klingt ein bisschen nach Abenteurer-Standardspruch, aber diese Frau lebt in der Tat ihr Motto "Ich mach das jetzt!". So heißt auch ihr zweites Buch, das kürzlich erschienen ist. Die Kletterpartie in den Vulkanschlund klappte auch erst beim zweiten Anlauf. 2015 musste Ulla Lohmann aufgeben, "weil von unten plötzlich ein heißer Gasschwall heraufkam." Und das heiße Lavagestein? "Das hatte 80 Grad. In jeder Sauna ist es doch heißer."

Der Lavasee brodelt und blubbert, die Erde bebt. So beschreibt Ulla Lohmann die Situation im Krater des Vulkans Benbow auf Vanuatu im Südpazifik. (Foto: Ulla Lohmann)

Schon als kleines Mädchen haben Vulkane Lohmann fasziniert. "Mit acht Jahren habe ich zum ersten Mal auf einer Urlaubsreise mit meinen Eltern den Vesuv gesehen. Seitdem fasziniert mich diese Urkraft der Erde." Mit 18 brach sie als junge Frau zur ersten Weltreise auf - und dachte, Samoa sei die letzte Station. "Da gab es diesen Dreimaster, ein Piratenschiff, der kreuz und quer durch die Südsee segelte. Ich wollte unbedingt mit, und habe behauptet, ich könnte kochen, obwohl das gar nicht stimmte." Aber auf dem Törn landete sie auch auf Vanuatu an - und blickte eben in den Kraterschlund des Benbow hinab. Der Berg ist immer noch Teil ihres Lebens: Zweimal im Jahr veranstaltet sie Fotoexpeditionen zum Benbow.

Bis dahin war es ein weiter Weg mit etlichen Schleifen. Quasi nebenbei errang Lohmann den Bundessieg im Wettbewerb "Jugend forscht". Sie hatte bei einer Ausgrabung in ihrer pfälzischen Heimat Relikte eines 280 Millionen alten Lurchs gefunden, der bis dato nicht dokumentiert war. "Das hat mich einfach interessiert und die 3000 Mark Preisgeld waren der Grundstock für die Weltreise." Sie blieb dann in Ozeanien, studierte in Australien Geografie, wurde Tauchlehrerin, Fotografin, Buchautorin und Filmemacherin. Mehr als 20 TV-Dokus hat sie inzwischen gedreht. Momentan arbeitet sie, am Benbow natürlich, an einem wissenschaftlichen Kinofilm, in dem Kindern die Entstehung der Erde veranschaulicht werden soll.

Feuer, das ist ihr Element. Aber wie ist das mit der Angst? "Nein, ich habe keine Angst, wir haben ja immer alles gut geplant", sagt sie. "Ich bleibe in extremen Situationen extrem cool und analytisch." Muss man wohl auch sein, wenn man im Vulkankrater Aschehänge hinunter klettert, und die konventionellen Sicherungshaken, wie sie in den Alpen verwendet werden, keinen Halt bieten; und wenn aus Fumerolen heiße Dämpfe aufsteigen, was die Seile zerstören kann; oder wenn es plötzlich regnet - und aus den Dämpfen gefährlicher saurer Regen wird. Und man es vor lauter Hitze am Rand des Lavasees nur in Feuerwehrschutzkleidung überhaupt aushalten kann. "Meistens ist das Risiko kalkulierbar. Viel gefährlicher als die Natur sind immer die Menschen", sagt Lohmann. Was war ihre gefährlichste Situation? "Ein Raubüberfall in Kenia, bei dem auf mich geschossen worden ist. Ich habe mich hinter einem Rad des Geländewagens versteckt." Es ging gut aus.

Bewegte Jahre, die Lohmann kreuz und quer über den Globus führten. "Jetzt bin ich ja schon fast sesshaft geworden", sagt sie, "seitdem ich 2011 geheiratet habe". Ihren Ehemann Sebastian Hofmann hat sie beim Klettern in der Tölzer Kletterhalle kennengelernt. "Sesshaft" ist allerdings ein relativer Begriff. "Ich versuche, etwa ein Drittel des Jahres zu Hause zu sein - was ich allerdings nie schaffe." Die beiden bewohnen ein Haus in Schäftlarn, auch in Starnberg hat Lohmann schon ein paar Jahre gelebt. Ob sie auch im Starnberger See, der quasi vor der Haustür liegt, taucht? "Nein, der ist mir viel kalt", sagt sie, und man glaubt ein Frösteln in ihrem Körper zu erkennen.

Für 2017 hat sie sich mit"Basti", wie sie ihren Ehemann Sebastian nennt, "mal was in der Heimat" vorgenommen. Für die Weltenbummlerin bedeutet offenbar Europa die Heimat. "470 Tage, 47 Länder, 47 Berge" heißt das Projekt, das im März 2018 startet. Sie will mit ihrem Basti die höchsten Berge in 47 europäischen Ländern erklimmen. Daraus sollen dann Fotoproduktionen, ein Film, ein Buch, und eine Vortragsreihe entstehen. Auch Bergsteiger, Vulkanforscher und Fotografen müssen schließlich von etwas leben. Höchster Berg der Europa-Tour mit dem Wohnmobil ist mit 5642 Metern der Elbrus im Kaukasus. "Aber was ist der höchste Berg von Monaco?", fragt Lohmann und lacht. Eine neue Herausforderung wartet.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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