Starnberg:Mord in bester Gesellschaft

VERA BRüHNE GESTORBEN

Vera Brühne und ihr Anwalt, im Prozess 1962.

(Foto: Rudi Dix/Stadtarchiv)

Dramen um Habgier, Eifersucht und Hass - und bundesweite Schlagzeilen: Im Landkreis Starnberg wohnen viele wohlhabende Menschen, es geht meist friedlich zu. Umso spektakulärer sind manche Gewaltverbrechen.

Von Christian Deussing

Am Starnberger See lässt sich gut leben. Das wissen auch Schauspieler, Unternehmer und andere Prominente. Allerdings: Nicht immer geht es am im Fünfseenland so gesittet zu, wie es die Bevölkerungsstruktur vermuten ließe. Es gab auch Dramen um Habgier, Eifersucht und Hass - und bundesweite Schlagzeilen.

Das spektakulärste Verbrechen ereignete sich 1960 in Pöcking: der Fall Vera Brühne. Zwei Leichen mit Schussverletzungen werden in einer Villa gefunden. Die Polizei geht von einem erweiterten Suizid aus. Die SZ-Überschrift lautet am 21. April 1960: "Tödliche Schüsse in einer Villa". Erst eineinhalb Jahre später kommt die Wahrheit ans Licht - oder wenigstens ein Teil davon: Es war ein Doppelmord an den vermögenden Arzt Otto Praun, 65, und seiner Haushälterin Elfriede Kloo. Ganz Deutschland verfolgt den Prozess, der die Gemüter erhitzt. Hat Vera Brühne tatsächlich einen Komplizen zum zweifachen Mord angestiftet?

Sie ist Haupterbin von Praun, der eine Finca an der Costa Brava besitzt. Am Ende eines fragwürdigen Indizienprozesses werden 1962 Brühne und ihr angeblicher Helfer zu lebenslanger Haft verurteilt. Schon damals wird in einem Leitartikel der SZ angedeutet, dass sich für den Prozessbeobachter am Urteil gleichwohl Zweifel ergeben. Zweifel wachsen auch an der Rolle von Otto Praun. War er in Waffengeschäfte verwickelt? Welche Rolle spielte der Bundesnachrichtendienst? Der Doppelmord in Pöcking bleibt rätselhaft. Vera Brühne wird 1979 von Franz Josef Strauß begnadigt. Sie stirbt im Jahr 2001.

"Ich wollte ihn doch nur erschrecken"

Auch ein anderer Kriminalfall, der sich am Starnberger See ereignet, beschäftigt die Nation. Wieder ist es ein Kapitalverbrechen: In ihrer Starnberger Villa erschießt in der Nacht zum 3. Februar 1977 die Schauspielerin Ingrid van Bergen aus Eifersucht und stark alkoholisiert ihren Geliebten. Der 33-jährige Finanzmakler wollte offenbar ausziehen. In der Vernehmung spricht van Bergen von einem Unglücksfall: "Ich wollte ihn doch nur erschrecken. Es war nicht meine Absicht, ihn zu verletzen oder gar zu töten." Die 45-jährige Schauspielerin wird wegen Totschlags zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Nach knapp fünf Jahren im Frauengefängnis Aichach wird sie 1982 wegen guter Führung entlassen.

Ingrid van Bergen

Die Schauspielerin Ingrid van Bergen hat ihren Geliebten erschossen. Sie wird 1977 wegen Totschlags verurteilt.

(Foto: Süddeutsche Zeitung/AP)

Gruselig ist das Verhalten eines angeblichen Augenarztes, der als "Dr. Herzog" über Heiratsanzeigen 1979 zwei Frauen in die Falle lockt und erwürgt. Eines der Opfer, eine 35 Jahre alte Anwaltssekretärin, wird in einem Kellergewölbe auf der Rottmannshöhe in Berg gefunden - nackt und schlimm zugerichtet. Der Täter ist in Wirklichkeit ein Hotelkaufmann aus Innsbruck, er wird verhaftet, der Fall ist schon nach wenigen Tagen geklärt.

Habgier, Hass, Geldnot

Im Juni 1999 wird ein älteres Architekten-Ehepaar aus Starnberg am Bahnhof Mühlthal Opfer eines Raubmordes. Die Ehefrau, 79 Jahre alt, wird niedergeprügelt und erwürgt. Ihr 75 Jahre alter Ehemann, ein bekannter Architekt, überlebt schwer verletzt. Die beiden Täter flüchten, Fingerabdrücke führen auf die Spur der Raubmörder, die fast ein Jahr nach dem Überfall in Frankfurt verhaftet werden.

Auch der Fall der Entführung der zehnjährigen Ursula Herrmann im September 1981 erregt Aufsehen. Das Mädchen wird bei Schondorf vom Fahrrad gerissen und in einer Kiste im Wald gesperrt. Es erstickt darin. Die Ermittler überprüfen 15 000 Spuren. Fast 30 Jahre später wird der 59-jährige Werner M. zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Fernsehtechniker war schon nach der Tat verdächtigt worden. Erst ein altes Tonbandgerät liefert im Prozess den Beweis.

Unfassbar macht die Bevölkerung der Doppelmord an den beiden Mädchen Chiara und Sharon im März 2011 in Krailling. Eine Woche nach der Tat wird der Onkel der Mädchen über seine abgegebene Speichelprobe als Mörder ermittelt. Der Postbote hatte bei der Tat viele DNA-Spuren in dem Haus hinterlassen, zudem ist sein Alibi lückenhaft. Thomas S. erhält eine lebenslange Haftstrafe: Habgier, Hass, Geldnot und der Streit um eine Eigentumswohnung sind die Motive des Täters.

Rätselhaft bleibt fast 18 Jahre lang, warum Josef Enzesberger am 8. Januar 1996 in Herrsching sterben musste. Ein unbekannter Täter erschießt den 52-jährigen Bibliotheksmitarbeiter. Die Ermittlungen ergeben kein Motiv. 2014 offenbart sich ein psychisch kranker Münchner seinem Arzt und gesteht, das Opfer mit dem damaligen Polizeichef von Herrsching verwechselt zu haben. Das jüngste Gewaltverbrechen geschieht in diesem September im Dorf Meiling. Ein Ehepaar wird in seinem Haus überfallen, der Mann stirbt nach Schlägen, seine Frau wird schwer verletzt zwei Tage später gefunden. Die mutmaßlichen Täter werden in Österreich gefasst.

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