Süddeutsche Zeitung

Starke Zuwachsraten:Münchens Kreative sind Europas Spitze

Der neue Datenreport zur Kultur- und Kreativwirtschaft spricht von starkem Zuwachs in der Metropolregion. Die Stadt könne sich durchaus mit Paris, Oslo oder London vergleichen

Von Franz Kotteder

Wir sind die Nummer eins!" Bürgermeister und Wirtschaftsreferent Josef Schmid (CSU) bringt es ganz unbescheiden auf den Punkt: "In der Kreativ- und Kulturwirtschaft spielen wir europaweit eine Hauptrolle und haben Amsterdam, Barcelona, Mailand und Wien überholt." Das ist das Ergebnis des zweiten Datenreports zur Kultur- und Kreativwirtschaft in der Metropolregion München, der am Donnerstag im Einstein-Kulturzentrum der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Und besser noch: In einer neuen Studie der Europäischen Kommission wird München, was diesen Bereich betrifft, gar auf eine Stufe mit den Wirtschaftsräumen Paris, London und Oslo gestellt. Zwar nicht, was die Umsatzzahlen angeht, sehr wohl aber, was die Zuwachsraten betrifft.

Da ist die Freude natürlich groß bei den Auftraggebern der Studie, zu denen die Stadt München und sämtliche Städte und Kreise zwischen Garmisch und Ingolstadt, Augsburg und Traunstein, Landshut und Kaufbeuren gehören. Sie sind im Verein Metropolregion München zusammengefasst, die Industrie- und Handelskammer sowie die Handwerkskammer für München und Oberbayern sind ebenso an der Studie beteiligt wie der Film-Fernseh-Fonds Bayern. Schon der erste Datenreport, vor drei Jahren vom Kölner Büro für Kulturwirtschaftsforschung ermittelt, hatte Erstaunliches ergeben: dass München nämlich in ganz Europa eine führende Stellung einnimmt in jenem Wirtschaftssektor, den man Kultur- und Kreativwirtschaft nennt. Damit hatten selbst optimistische Politiker und Verwaltungsmenschen nicht gerechnet. Denn in diesem Sektor sind sehr unterschiedliche Branchen versammelt: Von der Bildenden Kunst über das Schauspiel, Medien, Rundfunk, Werbung, Verlagen und Architekturbüros bis hin zu Computerspielen ist hier fast alles versammelt, was irgendwie mit kreativen Berufen zu tun hat.

Zusammengenommen aber stellen sie eine recht bedeutende Wirtschaftskraft dar, wie Michael Söndermann vom Büro für Kulturwirtschaftsforschung berichtete. "In diesem Sektor sind in der gesamten Region an die 30 000 selbstständige Unternehmen tätig, die einen Umsatz von 23 Milliarden Euro erwirtschaften", sagte er. "Das ist so viel wie in ganz Baden-Württemberg erwirtschaftet wird." Nur das gesamte Bundesland Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet mehr auf diesem Sektor, nämlich 30 Milliarden Euro. Berlin-Brandenburg erreicht lediglich 16 Milliarden Euro, obwohl diese Region mit 5,9 Millionen Menschen sogar geringfügig mehr Einwohner hat als die Metropolregion München mit 5,7 Millionen Einwohnern.

Überhaupt hat München im bundespolitischen Vergleich überdurchschnittliche Bedeutung: zwölf Prozent aller Selbstständigen und Unternehmen sowie aller Erwerbstätigen der Branche sind hier angesiedelt; 16 Prozent des Gesamtumsatzes werden in der Metropolregion gemacht. Insgesamt arbeiten rund 100 000 Menschen auf sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, dazu kommen noch einmal rund 24 000 "Mini-Selbstständige" (Söndermann), die zur sogenannten "kleinen Kulturwirtschaft" gehören, weil sie weniger als 17 500 Euro Umsatz pro Jahr machen. Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD) sieht in ihnen "die nicht finanzierte Forschungsabteilung der Branche, die keine Lobby hat", und sieht die Stadt in der Pflicht, gerade diese "kreativen Ideengeber am Beginn der Wertschöpfungskette" zu unterstützen.

Trotz dieses Problems wächst der Sektor aber überdurchschnittlich. "Im EU-Regionenvergleich hat die Metropolregion durch ein überproportionales Wachstum der Branche nun die Spitzenposition erreicht", so Wolfgang Wittmann, Geschäftsführer des Vereins Metropolregion München. Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, plädierte ebenso wie Georg Schlagbauer, Präsident der Handwerkskammer, dafür, die "Treiberfunktion für Innovationen" der Kreativwirtschaft noch stärker zu betonen: "Schon aus Brandschutzgründen sollten wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen - sonst gibt's nämlich einen Hitzestau."

In Josef Schmid hat Driessen da jedenfalls einen einsatzbereiten Feuerwehrmann. Der will "wo es sich anbietet, von dieser Führungsposition erzählen", damit sie auch in das Bewusstsein der Öffentlichkeit dringt. Denn dort ist die hervorragende Position Münchens noch wenig bekannt. Die nächste Gelegenheit dazu hat Schmid am kommenden Mittwoch, wenn er das geplante neue Innovations- und Gründerzentrum, das im Südteil des künftigen Kreativquartiers an der Dachauer Straße entstehen soll, der Presse vorstellt.

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SZ vom 29.01.2016
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