Süddeutsche Zeitung

Starkbieranstich am Nockherberg:Die besten Sprüche von Mama Bavaria

Der quälend lange Abschied des Ministerpräsidenten, Markus Söders Leere im Kopf - und die SPD auf der Palliativstation: In der Fastenpredigt von "Mama Bavaria" greift Luise Kinseher die Politiker schärfer an als früher.

Sie hat in den vergangenen Jahren viel Kritik einstecken müssen. Zu sanft, sei sie als Mama Bavaria gewesen zu den Politikern, zu milde! Luise Kinseher hat daraus offenbar gelernt, in ihrem fünften Jahr auf dem Nockherberg ist die Kabarettistin zumindest bemüht, bissiger zu erscheinen. Sie teilt diesmal richtig aus gegen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt oder gegen den CSU-Fraktionsvorsitzenden im bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer. Nur bei den großen Politikern, da hält sie sich mit fiesen Bemerkungen zurück.

Kaum hat Mama Bavaria den ersten Schluck Starkbier intus, kommt sie ins sinnieren - sie wünscht sich Kinder "die Geschichte machen und nicht nur Geschichten". Ganz oben auf ihrer Sorgenliste steht Christine Haderthauer (Archivbild), die wegen der Modellbau-Affäre als Staatskanzleichefin zurücktreten musste: "Die tut mir jetzt wirklich richtig, de oide Bissgurrn, was soll aus ihr jetzt bloß werden? Für die Politik ist sie moralisch zu verdorben und die richtigen Kriminellen nehmen sie noch nicht ernst."

Von der (vorläufig) Gefallenen schwenkt sie um auf den derzeitigen Klassenprimus - Finanz- und Heimatminister Markus Söder (rechts) könne sogar fragwürdige Projekte gut rüberbringen: "Am Nürnberger Flughafen, da landet keiner, da startet keiner! Aber der Markus Söder verkauft das als Fortschritt - beim Lärmschutz! In den ländlichen Regionen schrumpfen die Einwohnerzahlen! Und der Söder verkauft das als erfolgreiche Renaturierungsmaßnahme. [...] Viele sagen ja, Dir steigt der Ruhm schon in den Kopf! Platz genug wäre da!"

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt kann zwar beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg nicht dabei sein - vorm derbleckt werden bewahrt ihn das aber nicht. Und natürlich geht es um die Einführung der Pkw-Maut: "... das dauert doch noch. Weil der Seehofer hat gesagt, die Maut ist dem Alexander Dobrindt sein Meisterstück. Und da hat er Recht! Viele Meisterwerke der Welt sind ja unvollendet. [...] Wenn der Dobrindt das mit der Maut auch bis zu seinem 100. Todestag schafft... dann wird sie sicher noch Weltkulturerbe." Die Abwesenheit des Bundesverkehrsministers weiß die Mama Bavaria übrigens zu entschuldigen: "Und wenn jetzt irgend jemand sagt, mein Alexander ist nicht da, weil er Angst hat auf den Nockherberg zu kommen, der irrt ebenfalls! Mein Alexander ist da, man sieht ihn nur nicht, er hat es mit dem Abnehmen übertrieben! Wenn Sie irgendwo eine herrenlose Brille sehen. Das ist er."

Dann beschäftigt sie sich mit dem Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter. Der SPD-Politiker bekommt Lob für seinen Einsatz für Flüchtlinge - und die bayerische Sozialministerin (Archivbild) auf diesem Weg noch eine mit: "Wäre ich Emilia Müller, könnte ich beim Anblick meines ministerial legitimierten Flüchtlingselends nicht mehr schlafen. [...] Deshalb hat der Ministerpräsident auch eine Dosis KO Tropfen verordnet. Die wirken bis heute."

Horst Seehofer und Dieter Reiter (Im Bild mit Ehefrau Petra) - ein Herz und eine Seele? Zumindest in der Debatte um einen neuen Münchner Konzertsaal sind sich die beiden Politiker einig, stellt die Mama Bavaria fest - und schwadroniert schon über die Folgen von so viel Einigkeit: "Die armen Münchner! Jetzt bekommen sie zwar die dritte Startbahn, die sie gar nicht wollen, aber dadurch könnt sie wenigstens mal nach Dortmund fliegen, um ein gescheites Konzert zu hören, haben aber dann keine S-Bahn, die sie zum Flughafen bringt."

"Hast noch drei Jahre im Amt und bist jetzt schon eine Lame Duck!" - Was die Mama Bavaria dem bayerischen Ministerpräsidenten mit auf den Weg gibt, ist nicht gerade freundlich: "Viele in der CSU sagen ja: Lang macht er es nimmer. Es wird uns nur so vorkommen!"

Tatsächlich gibt es einige in der CSU, denen die Zeit mit dem Parteichef seeeehr gedehnt vorkommen dürfte. Energieministerin Ilse Aigner (im Bild rechts, zusammen mit Markus Söder) ist in den Augen der Mama Bavaria so eine Kandidatin: "Dein Verhältnis zum Horst - ist das eigentlich noch Loyalität oder hast Du schon das Stockholmsyndrom?" Allerdings kommt Aigners Performance beim Energiedialog auch in der Fastenpredigt am Nockherberg nicht gut weg: "Die Ilse war drei Monate lang quasi nicht zu sehen, wir hatten schon gedacht, die ist im Urlaub - nein, die war im Dialog - um dann nach drei Monaten zu sagen, ich entscheide nichts."

Als ein Gast ist diesmal der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, angereist: "Mit Ihnen sind die Grünen zur Wirtschaftspartei konvertiert. Das ist, als würde bei uns ein Moslem katholischer Pfarrer." (Auf dem Bild: Winfried Kretschmann, rechts, zusammen mit dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Anton Hofreiter)

Die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Margarete Bause, stahl bei einer China-Reise bayerischer Politiker dem Ministerpräsidenten mit einem Foto die Schau: "Die ist ja sehr engagiert! Aber: Auf gut bayerisch heißt das übersetzt: Sie nervt. Und zwar gewaltig! Gell, Horst. Ich sag nur China! (...) Da war ja die Margarete Bause beim Ai Weiwei. (...) Ich stelle mir vor, die sind sich so gegenüber gesessen, haben geschwiegen, und die Margarete denkt: wenn ich jetzt was sage, merkt er, dass mir nix Gescheites einfällt - und dann hat sie sich nach langem Schweigen einen Ruck gegeben und gesagt: Wissens was, Herr Au Wei Ja. Ich male auch!"

Die bayerische SPD muss auf dem Nockherberg traditionell einstecken - aber möglicherweise nicht mehr lang: "Wer nicht mehr unterdrückt wird, ist die SPD. Warum auch? Die leistet keinen Widerstand mehr. Politisch ist die SPD in der Palliativstation angekommen. Die wissen, gesund werden wir nicht mehr, dann gestalten wir das Ableben so schmerzfrei wie möglich." Auf dem Bild (von links): SPD-Landeschef Florian Pronold mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher.

Auch die von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer (im Bild beim Politischen Aschermittwoch) vor kurzem losgetretene Deutschpflicht-Debatte treibt Mama Bavaria um: "Der Scheuer Andi. Migranten sollen auch zu Hause Deutsch sprechen, hat er gesagt. Alle haben sich furchtbar darüber aufgeregt. Und ich hab auch gesagt, das kann er doch nicht so gemeint haben. Der Scheuer Andi. Seit wann sagt ein CSU-Generalsekretär zu Migranten Migranten? Da weiß doch kein Mensch, wo die herkommen. Früher hat man in der CSU Ausländer gesagt."

Die Zukunft der christsozialen Partei wird in der Fastenpredigt rosig eingeschätzt: "Die CSU erfüllt fast alle Merkmale einer Religion: Offenbarung, Verkündung, Heilsversprechen. Die CSU ist keine Frage des Wissens, sie ist eine Frage des Glaubens! Es wird nicht mehr lange dauern, da wird ein Bundespräsident verkünden, die CSU gehört zu Deutschland." Im Bild: Der vollbesetzte Saal im Paulaner am Nockherberg.

Ludwig Spaenle bekam zum Beginn dieser Legislaturperiode das Etikett "Super-Minister", weil er zu den Schulen mit dem Großthema G8/G9 auch noch die Zuständigkeit für Hochschulen und Museen bekam. Dabei war er doch schon mit den Schulen allein überfordert, findet die Rednerin: "Sollte doch einer der hier anwesenden, amtierenden Politiker tatsächlich noch mal in die bayerische Geschichte eingehen, wird dank dem Ludwig Spaenle keiner davon erfahren, zumindest nicht im Unterricht." Im Bild: Kultusminister Ludwig Spaenle (rechts) zusammen mit Freie-Wähler-Mann Michael Piazzolo

Als sich die Rede dem Ende zuneigt, handelt Mama Bavaria noch schnell ein paar ab, die bisher nicht vorkamen, zum Beispiel den Fraktionschef der CSU im Landtag: "Gell, jetzt denken sich einige, ah jetzt ist sie schon beim Strauß, jetzt kommen wir bestimmt nicht mehr dran. Bloß weil Euch keiner kennt, fühlt ihr Euch sicher! Zum Beispiel der Thomas Kreuzer. Ein mächtiger Mann in der CSU. Aber zu Dir ist mir einfach nichts eingefallen. Und dann hab ich Dich gegoogelt. Und siehe da. Das hat auch nichts gebracht."

Luise Kinseher wirkt auch selbstsicherer als in den vergangenen Jahren. Sie verhaspelt sich nicht, und sie wird besser, als ihre ersten Gags zünden. Ob es am neuen Kleid liegt? Mama Bavaria hat ihre altes Gewand abgelegt und gegen ein petrolfarbenes eingetauscht. Wie es denn aussehen würde, hatten Journalisten sie vorab gefragt. Ihre Antwort: "Vielen Dank, dass sie nicht fragen, ob das alte zu klein geworden ist."

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