Städtischer Haushalt:"Da ist noch Luft drin"

Teure Schulbauten, unnötige Verkehrskontrollen: SPD-Fraktionschef Alexander Reissl sieht im städtischen Haushalt noch Potential für Einsparungen. Beispiele hat er in goßer Zahl parat.

Dominik Hutter

Abschreckende Beispiele hat Alexander Reissl in größerer Zahl parat: Die Krippe mit 48 Kindern etwa, in der allein die Toiletten stolze 60 Quadratmeter einnehmen. Das neue Gymnasium Trudering, das bei 33 Klassenräumen auch noch 22 Fachlehrsäle, fünf davon für Chemie, benötigt. Oder der städtische Parkwächter, der um halb sieben in der Früh in der ansonsten menschenleeren Fußgängerzone ein Lieferauto aufschreibt. "Was haben die Münchner davon, wenn zu dieser Uhrzeit kontrolliert wird?", fragt Reissl, der sich in solchen Fällen eine lockerere Herangehensweise der Stadtverwaltung wünschen würde.

Lockerer ist in diesem Fall gleichbedeutend mit "billiger". Denn darum geht es dem Fraktionschef der Rathaus-SPD: Abspecken in der Verwaltung, auf Luxuriöses oder gar Überflüssiges verzichten. "Ich glaube, dass noch Luft drin ist", betont er.

An diesem Dienstag entscheidet der Finanzausschuss des Stadtrats über das nächste Sparpaket, das sechste seit Beginn der Haushaltskonsolidierung im Jahr 1994. Es geht um bis zu 85 Millionen Euro pro Jahr, die der städtische Haushalt abspecken muss. Erreicht werden soll dies in sieben Schritten: 12,15 Millionen Euro weniger im Jahr 2012, danach kommen jedes Jahr bis 2018 weitere 12,15 Millionen weg. Macht insgesamt, für die gesamte Zeitspanne, 340 Millionen Euro. Ein durchaus ehrgeiziges Programm, findet Kämmerer Ernst Wolowicz, und auch Reissl stimmt ihm zu.

Die sechste Aktion Rotstift ist besonders heikel: Denn diesmal geht es um mehrere hundert Stellen in der Verwaltung. Im Behördendeutsch: 778 Vollzeitäquivalente. Auf betriebsbedingte Kündigungen will die Stadt zwar verzichten, dafür wird aber in den kommenden Jahren jede dritte freiwerdende Stelle nicht mehr besetzt. Bei den Mitarbeitern sorgt dies für gehörige Unruhe. Sie fürchten das, was im Berufsleben schon zum Alltag geworden ist: Dass Stellen wegfallen, die Arbeit aber die gleiche bleibt. Nur eben auf weniger Schultern verteilt.

Reissl will dies unbedingt vermeiden. Natürlich müssten die Referenten nun auch die Aufgaben reduzieren. "Dann wird eben einiges gar nicht mehr oder langsamer erledigt", sagt der SPD-Politiker. Wie zum Beispiel die frühmorgendliche Verkehrskontrolle in der leeren Fußgängerzone, die sicherlich niemand vermissen würde. Vermutlich lasse sich aber auch durch bessere Organisation einiges erreichen. Zum Beispiel bei der heillos veralteten Arbeitszeiterfassung, die noch mit Pappkarten und Stechuhr funktioniert. Dieses System, so wurde einmal errechnet, beschäftigt die Verwaltung mehr als zwei Stunden pro Monat und Mitarbeiter. Die Umstellung auf ein zeitgemäßes Konzept könnte mehr als 35 000 Arbeitsstunden pro Monat einsparen. Zeit, die dann für andere Aufgaben zur Verfügung stehen würde.

Reissl ist froh, dass die städtischen Referenten mit dem Sparkonzept, das aller Voraussicht nach mit den Stimmen der rot-grünen Koalition verabschiedet wird, gezwungen werden, Farbe zu bekennen. Denn im Rathaus herrscht durchaus auch Unmut über den mangelnden Sparwillen der "Stadtminister", von denen bislang nur wenige Vorschläge gekommen sind. Ein Vorstoß, die städtischen Bau- und Verwaltungsstandards abzusenken, endete ohne konkretes Ergebnis. Weil offenkundig nur wenige willens waren, Teile des eigenen Aufgabenspektrums für entbehrlich zu erklären. Reissl erinnert sich mit Schrecken an ein Gespräch mit einem Referenten, der ihm unmissverständlich klar gemacht habe, dass von ihm nicht viel kommen werde. "Dieser Weg ist gescheitert, weil nicht alle Referenten mitgemacht haben", seufzt der Fraktionschef.

Bleibt nun das sechste Sparpaket, bei dem es gleichermaßen um Büroausstattung und Personal gehen wird. Auch dieses Konzept ist im Vergleich zum ersten Entwurf abgeschwächt - auf Betreiben der Referate, die das ursprüngliche Volumen von 100 Millionen Euro in fünf Jahren für unrealistisch hielten. Der dann notwendige Abbau von rund 900 Stellen sei über die natürliche Fluktuation nicht mehr zu leisten, warnt Personalreferent Thomas Böhle.

Sparen ist eben komplizierter als man denkt, zumal diverse Personengruppen explizit ausgenommen sind: der gesamte Erziehungsbereich etwa, aber auch die Einsatzkräfte der Feuerwehr - das vergrößert den Spar-Anteil aller anderen. Auch städtische Beteiligungsgesellschaften und Eigenbetriebe, etwa die Kammerspiele, bleiben entgegen früheren Plänen verschont - die zuständigen Referate sahen keine Möglichkeit zum Einsparen. Der aus diesem Bereich erwartete Beitrag von 9,8 Millionen Euro wird deshalb nicht kommen.

Kämmerer Ernst Wolowicz, der eigentlich den Ruf des knallharten Sparkommissars genießt, akzeptiert die Haltung der Kollegen. Die Kämmerei könne sich nicht allwissend über die Argumente der Fachreferate hinwegsetzen.

Wie aber könnte in einigen Jahren wohl ein siebtes Sparpaket aussehen - wo doch angeblich alle Potenziale ausgeschöpft sind? Das, so Reissl, "ist eine gute Frage".

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