Städtische Kliniken im Stadtrat:Blut, Schweiß und Tränen

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Es geht um die Rettung des städtischen Unternehmens vor der Insolvenz. Im Finanz- und Gesundheitsausschuss zeichnet sich ab: Die Stadtratsmehrheit wird die Sanierungspläne fürs Klinikum wohl absegnen. Weil sie keine Alternative sieht.

Von Dominik Hutter

Draußen auf dem Marienplatz wartete schon das Empfangskomitee: Etwa 30 Klinik-Mitarbeiter in roten Verdi-T-Shirts, die per Transparent daran erinnerten, was auf dem Spiel steht: die Jobs von 2000 Mitarbeitern sowie die Höhe der Löhne für die ganze verbleibende Belegschaft. Das direkte Aufeinandertreffen mit dem gerade ins Rathaus eilenden Oberbürgermeister Dieter Reiter lief dann sehr freundschaftlich ab: Der SPD-Politiker im Anzug reihte sich beim Fototermin als schwarzer Punkt in die Gewerkschafter ein.

Die Szene unmittelbar vor der gemeinsamen Sitzung des Finanz- und Gesundheitsausschusses lieferte einen Vorgeschmack darauf, wie die anschließende Debatte aussah: friedlich, sachlich, kollegial - also exakt so, wie Klinik-Diskussionen im Münchner Stadtrat sonst nie ablaufen. Dabei ging es um nicht weniger als die Rettung des städtischen Unternehmens vor der Insolvenz, die für spätestens Anfang 2016 vorausgesagt wird, sollten einschneidende Maßnahmen ausbleiben.

Diese Eingriffe dürfte es nun wohl geben, auch wenn die Stadträte die abschließende Entscheidung in die Vollversammlung am Dienstag vertagten. Es geht um rund 1500 Vollzeitstellen (die von etwa 2000 Mitarbeitern besetzt werden), den Abbau von 800 Betten, die Zusammenlegung von Abteilungen auf Kosten Schwabings und Harlachings sowie die Sanierung der maroden Bauten - ein Prozess, der die Stadt noch einmal mehr als 400 Millionen Euro kosten wird.

Zwar wollen sich die Stadträte erklärtermaßen bis nächste Woche, wenn das Plenum entscheidet, die Argumente der anderen Parteien noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Es zeichnet sich aber bereits ab, dass das von der Unternehmensberatung Boston Consulting erstellte Sanierungskonzept mit mindestens schwarz-roter Mehrheit das Rathaus passieren wird; auch die Grünen werden wohl zustimmen. Der dritte Start innerhalb von zehn Jahren sei das, sagte SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. Und räumte ein, dass das Papier vor allem "Blut, Schweiß und Tränen" enthalte. Nur: Angesichts der bedrohlichen Finanzsituation habe man keine andere Wahl mehr.

Schockräume, Intensivstation und Operationsmöglichkeit

Allerdings wollen CSU und SPD das Konzept in einem wesentlichen Punkt aufweichen - bei der Notfallversorgung nämlich, die an allen vier Standorten mit höchstem Standard erhalten bleiben soll. Es gehe um eine Garantie, die man den Münchnern geben wolle, erklärte CSU-Stadtrat Michael Kuffer, um ein "gutes und beruhigendes Signal". Verzögerungen oder kontraproduktive Nebenwirkungen erwarten die Großkoalitionäre nicht.

Denn das Konzept sei bislang ohnehin nur eine Grobfassung, ein detailliertes Umsetzungskonzept steht noch aus. Da bleibe genügend Raum, die neuen Vorgaben einzuarbeiten. Ein Sanierungsprozess verwende schließlich "keine strategische Raketentechnik", sondern bedeute "operative Kärrnerarbeit". Die Zusatzkosten für die Notaufnahmen solle notfalls die Stadt übernehmen.

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Bei den Grünen stieß die Änderung auf wenig Gegenliebe. Schon wieder werde ein Sanierungskonzept "verwässert", warnte Hep Monatzeder, der als Dritter Bürgermeister lange Jahre dem Klinik-Aufsichtsrat vorsaß. Behalte man die bisherige Notfallversorgung bei, werde das Konzept von Boston Consulting konterkariert.

Die Berater hatten empfohlen, nur noch in Bogenhausen und Neuperlach eine vollwertige Versorgung zu gewährleisten, die auch auf schwierige Fälle in akuter Lebensgefahr zugeschnitten ist. In Schwabing und Harlaching sollten lediglich lokale Notfallzentren verbleiben, die allerdings auch mit Schockräumen, Intensivstation und Operationsmöglichkeit ausgestattet sind.

Keine Chance hat wohl der gemeinsame Vorschlag von FDP, Piraten und Hut, das Klinikum Harlaching aus dem Unternehmen herauszulösen und dann in kompletter Größe zusammen mit dem Landkreis und einem privaten Klinikbetreiber fortzuführen. "Es ist falsch, Harlaching isoliert zu betrachten", warnte Kuffer. Zudem gebe es "bisher kein ernsthaftes Angebot" aus dem Umland. "Man muss prüfen, nicht losrumpeln."

© SZ vom 04.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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