Süddeutsche Zeitung

Städtische Altenheime:Mehr Pfleger dank höherer Gehälter

In den Münchenstift-Heimen gibt es kaum noch Zeitarbeiter

Von Sven Loerzer

Mehr Geld für die Mitarbeiter, aber trotzdem kein Defizit mehr, bessere Angebote für die pflegebedürftigen Bewohner - nicht nur mit der "wirtschaftlich erfreulichen Entwicklung" des gemeinnützigen städtischen Heimträgers Münchenstift ist die Aufsichtsratsvorsitzende, Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), sehr zufrieden. Sogenannte freiheitsentziehende Maßnahmen, wie Bettgitter oder Gurte, die im Jahr 2016 bundesweit noch bei 8,9 Prozent der Pflegeheimbewohner angewendet wurden, gibt es in den Münchenstift-Häusern so gut wie gar nicht mehr: Die Quote beträgt da nur noch 0,3 Prozent.

Seit vergangenem Jahr gilt für die Münchenstift GmbH ein neuer Tarifvertrag, der Pflegefachkräften ein Einstiegsgehalt von mindestens 3000 Euro sichert. Er zahlt sich auch für das Unternehmen und die etwa 2800 Bewohner in den 13 Häusern aus. "Die Mehrkosten sind nicht auf die Pflegesätze umgelegt worden", betonte Strobl bei der Vorstellung des Jahresberichts. Dank des neuen Tarifs bewarben sich mehr Fachkräfte. "Wir konnten dadurch die Zeitarbeit massiv abbauen", erläuterte Münchenstift-Geschäftsführer Siegfried Benker. Statt 55 Zeitarbeitskräfte seien nun nur noch fünf beschäftigt, weil genügend Fachkräfte eingestellt werden konnten. So konnte das neue Tarifgefüge finanziert werden, ohne die Pflegesätze zu erhöhen. Denn eine Zeitarbeitskraft kostet etwa 14 000 Euro pro Jahr mehr als eine festangestellte Pflegefachkraft. "Das Unternehmen hat es auch noch geschafft, aus dem Defizit herauszukommen", sagte Strobl, es erwirtschaftete bei Erträgen von 132 Millionen einen Überschuss in Höhe von knapp 3,2 Millionen Euro, der wieder investiert werde, wie Benker versicherte.

Neben dem neuen Tarifvertrag TVöDplus für Pflegefachkräfte hat Benker mit der Gewerkschaft Verdi auch vereinbart, den seit 2004 geltenden Sanierungstarifvertrag Schritt für Schritt abzulösen. Das alles führte dazu, dass bereits im vergangenen Jahr nahezu die Hälfte der fast 2000 Mitarbeiter mehr verdienten als im Jahr zuvor. Die neuen Tarife ließen außerdem die Zahl der Bewerbungen insgesamt von 280 (im Jahr 2016) auf 442 steigen. Aus den ersten Erfahrungen mit jungen Geflüchteten entstand eine zwei- statt einjährige Ausbildung zum Pflegefachhelfer in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsreferat der Stadt. "Junge Geflüchtete brauchen eine Heranführung an die Sprache und die Pflege in Deutschland, aber auch einen Computerkurs", sagt Benker. Im September startet eine Gruppe von 20 jungen Leuten auf diesem neuen Weg in einen krisensicheren Beruf. "Ohne Menschen mit Migrationshintergrund könnten wir kein Altenheim mehr betreiben", sagt Strobl. Die Münchenstift-Mitarbeiter kommen aus 81 Nationen.

Um die Pflegequalität zu verbessern, sei über zwei Jahre hinweg ein neues, modernes Pflege- und Betreuungskonzept erarbeitet worden, sagt Benker. Mit Hilfe eines breiten Fort- und Weiterbildungsprogramms soll es Eingang in die tägliche Arbeit finden. Die hohe Auslastung der Häuser, die mit mehr als 98 Prozent einer Vollbelegung entspreche, zeige, dass die Menschen mit dem Münchenstift-Angebot sehr zufrieden seien. Besonders angetan ist Aufsichtsratschefin Strobl vom Green-Care-Projekt im Alfons-Hoffmann-Haus. Dort gibt es inzwischen ein Gewächshaus und Hochbeete, um die sich die Bewohner mit ihren Betreuungskräften kümmern. Blühende Sträucher, aber auch eine "Naschhecke" mit Himbeeren, Brombeeren und Stachelbeeren haben steriles Grün abgelöst und bieten Anregung für die Bewohner, wie auch die regelmäßig stattfindenden Tierbesuche im Heim.

Mit einer Reihe zusätzlicher Angebote will der städtische Heimträger zudem den Bedürfnissen der Menschen besser gerecht werden. Der bislang zentralisierte ambulante Dienst ist jetzt regionalisiert und auf fünf Münchenstift-Häuser aufgeteilt worden. "Wir wollen die Häuser damit auch stärker ins Quartier hinein öffnen", erläuterte Benker. In diese Richtung zielt auch die 2017 eröffnete Tagespflege im Haus St. Josef mit 20 Plätzen, die halb- oder ganztags, für einzelne Tage oder die ganze Woche gebucht werden können. "Sie kommt sehr gut an", berichtete Benker, derzeit nutzen 55 pflegebedürftige Menschen das Angebot, das damit zu 75 Prozent ausgelastet ist.

Die im Frühjahr eröffnete feste Kurzzeitpflege im Pavillon des Hauses an der Rümannstraße mit bisher sechs Plätzen ist schon voll ausgelastet, sie soll auf zwölf Plätze erweitert werden. Sie können von pflegenden Angehörigen, die einen Urlaub planen, für bis zu vier Wochen fest gebucht werden. Keinen großen Effekt erwartet sich Benker von den 13 000 zusätzlichen Pflegekräften, die die Bundesregierung versprochen hat: Für jeden Wohnbereich im Heim werde das gerade mal ein Viertel einer Stelle ergeben.

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SZ vom 03.08.2018
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