Süddeutsche Zeitung

Städteranking:Münchens verhängnisvolle Liebe zum Auto

  • In einem "Städteranking zur nachhaltigen Mobilität" landet München trotz sehr schlechter Stickstoffoxid-Werte und einem hohen Kohlendioxid-Ausstoß pro Einwohner auf dem zweiten Platz.
  • Die Umweltorganisation Greenpeace hatte die Studie in Auftrag gegeben.
  • Lobend wird erwähnt, dass München bemüht ist, den Radverkehr auszubauen.
  • Dennoch sei die Belastung durch die vielen Autos höher als in anderen Städten.

Von Andreas Schubert

Was die Nähe zum Meer so alles ausmachen kann: Bremen, zum Beispiel, hat im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten kein allzu großes Problem mit Stickstoffoxid (NO₂) und Feinstaub in der Luft. Die Meeresbrise bläst den Dreck einfach weg. Das ist eines der Ergebnisse einer Greenpeace-Studie, die an diesem Donnerstag erscheint.

Die Umweltorganisation hat die 14 größten Städte Deutschlands vom Hamburger Planungsbüro Urbanista untersuchen und eine Rangliste erstellen lassen. In diesem "Städteranking zur nachhaltigen Mobilität" landet München trotz sehr schlechter NO₂-Werte und einem hohen Kohlendioxid-Ausstoß pro Einwohner auf dem zweiten Platz, hinter Berlin.

Die Studie orientiert sich an 22 Messgrößen aus drei Kategorien, für die es jeweils Punkte gibt. Erstens wird das Angebot an neuen Mobilitätsformen wie Leihrädern und Leihautos bewertet, zweitens der Schutz von Umwelt und Gesundheit, gemessen zum Beispiel an der Belastung durch Stickoxide und Feinstaub. Dritte Kategorie ist die Erreichbarkeit von leistungsfähigen U-, S- oder Straßenbahnen.

Die Stadt München fällt in einzelnen Punkten regelrecht durch. Da ist zum Beispiel eine relativ hohe Dichte an Autos in der Stadt, die im Jahr 2015 zwar leicht zurückgegangen ist, aber deutlich höher liegt als beim Sieger Berlin. In München kommen 491 Autos auf 1000 Einwohner, in der Hauptstadt lediglich 341. Nur im Schlusslicht Düsseldorf (492 Autos) ist die Dichte noch höher.

Auch bei der NO₂-Belastung hat München den zweitschlechtesten Wert; schlimmer schneidet nur Stuttgart ab. Allenfalls durchwachsen ist die Bilanz beim Kohlendioxid (CO₂)-Ausstoß pro Einwohner und Jahr (7,6 Tonnen) und bei der Erreichbarkeit des öffentlichen Schienennahverkehrs.

Schaut man sich den sogenannten Modal Split an, steht München zwar im Vergleich gut da. Modal Split nennt man den jeweiligen Anteil der verschiedenen Verkehrsmittel in einer Stadt. Doch auch hier besteht noch Verbesserungsbedarf. Der Anteil des Autos überwiegt hier mit 32,5 Prozent deutlich. Fußwege belegen 27,2 Prozent, der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) 22,8 und der Radverkehr nur 17,8 Prozent.

Die Münchner Werte sind nicht ganz neu: Sie stammen aus dem Jahr 2011, neuere Erkenntnisse wird es nach Auskunft des Planungsreferats voraussichtlich erst im kommenden Jahr geben. Besonders gern Auto fahren sie übrigens beim NO₂-Champion Stuttgart. Bei 55,5 Prozent liegt der Autoanteil laut Studie. Besonders viel geradelt wird dagegen in Bremen, der Heimatstadt des Fahrradklubs ADFC (23,4 Prozent; die Berliner gehen dafür gerne zu Fuß (31 Prozent) oder nutzen den ÖPNV (27 Prozent). In beiden Punkten liegt die Hauptstadt vorn. München ist wiederum einsamer Spitzenreiter bei der Leihradflotte, nicht zuletzt, weil die Münchner Verkehrsgesellschaft jüngst die Zahl ihrer Leihräder deutlich erhöht hat.

Greenpeace ist sich durchaus bewusst, dass die einzelnen Städte eigentlich nicht direkt vergleichbar sind. Schwierig macht es allein die große Spanne der Einwohnerzahl, die zwischen 500 000 und 3,5 Millionen liegt. Außerdem beeinflussen die Lage und die örtlichen Gegebenheiten zum Beispiel die Messewerte von Abgasen und die Wahl der Verkehrsmittel. Dennoch wage man den Vergleich, heißt es im Vorwort des Rankings.

In erster Linie wolle man der Diskussion über nachhaltige Mobilität eine Basis bieten und einen Wettbewerb zwischen den Städten anregen. Als Fazit für München sieht Greenpeace, dass sich die Stadt bemühe, den Radverkehr auszubauen. Dazu zählt neben dem guten Leihradangebot auch die Radlhauptstadt-Kampagne. Lob gibt es auch für die vielen barrierefreien Haltestellen (92 Prozent). Negativ stößt dagegen auf, dass drei von tausend Fußgängern oder Radfahrern im Jahr in Unfälle verwickelt sind. Ebenso kritisiert Greenpeace die hohen Schadstoffwerte.

Die Forderung der Umweltschützer an die Politik lautet unter anderem, den Radverkehr weiter auszubauen und dabei die Sicherheit zu erhöhen, etwa durch Tempolimits für den motorisierten Verkehr, übersichtlichere Kreuzungen und eine bessere Einsehbarkeit der Radwege für Autofahrer.

Insgesamt sei das Ergebnis der Rankings ernüchternd, lautet das Fazit der Studie. Unter anderem senken die Umweltschützer für alle Städten den Daumen bei den CO₂-Werten. Noch immer sei das eigene Auto das Maß aller Dinge bei der Verkehrsplanung - mit den bekannten Folgen: Staus, Lärm, Luftverschmutzung, Flächenverbrauch. Insgesamt hatten die Tester 30 Punkte zu vergeben. Der Spitzenreiter Berlin erreichte davon nur 19, München kam auf 18,3 Punkte. "In der Schule entspräche das einer bescheidenen Drei", so das Fazit. Schlusslicht Düsseldorf bekam knapp 15 Punkte.

"Noch keine der untersuchten Städte macht es ihren Bewohnern leicht, ohne eigenes Auto auszukommen", sagt der Greenpeace-Verkehrsexperte Daniel Moser.

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SZ vom 23.03.2017/vewo
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