Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Stadtwerke kaufen Solarparks in ganz Deutschland

Mit dem Ankauf von bis zu zwölf Solarparks wollen die Stadtwerke in das Geschäft mit bestehenden Photovoltaikanlagen einsteigen. Dafür wird eine Summe im oberen zweistelligen Millionenbereich investiert.

Von Heiner Effern

Die Stadtwerke München (SWM) wollen im großen Stil in Photovoltaik-Anlagen investieren. Geplant ist der Kauf von bis zu zwölf Solarparks in den kommenden vier Jahren. Dafür will das kommunale Unternehmen eine Summe im oberen zweistelligen Millionenbereich ausgeben. Das geht aus einer Beschlussvorlage des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft hervor, die am Dienstag in nicht öffentlicher Sitzung mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Damit können sich die SWM wie erwünscht ein völlig neues Geschäftsfeld im Bereich der erneuerbaren Energien erschließen. Aktuell Stellung nehmen wollten sie noch nicht, da die Vollversammlung den Beschluss am 2. Oktober noch endgültig bestätigten muss. Dies gilt allerdings als sicher.

Neu in den Fokus des Unternehmens werden dann schon existierende Photovoltaik-Bestandsparks in Deutschland rücken, die in absehbarer Zeit aus der gesetzlichen Förderung fallen. Für deren Eigentümer stellt sich die Frage, ob sie sich ihre in die Jahre gekommene Anlage noch leisten können oder wollen, wenn der Bund künftig nichts mehr drauf legt. Prinzipiell hat ein Eigentümer mehrere Möglichkeiten, wenn er keine Zuschüsse mehr erhält: Er kann den Park weiterbetreiben, zurückbauen oder modernisieren. Oder er verkauft ihn eben vor Ablauf der Förderung zu einem akzeptablen Preis. Die SWM setzen nun darauf, dass gerade für kleinere oder mittlere Eigentümer der Weiterbetrieb wenig attraktiv ist und sie deshalb lieber ihre Anlage veräußern als später die Kosten für den Abbau zu tragen.

Die Stadtwerke als einer der großen Energieversorger deutschlandweit sind überzeugt davon, mit ihrem Wissen, ihrer Marktpräsenz und ihrer Infrastruktur diese schon laufenden Photovoltaik-Parks langfristig wirtschaftlich betreiben zu können. Konkret wollen sie sich um Anlagen bemühen, die etwa die Hälfte des Förderzeitraums von zwanzig Jahren überschritten haben. Dafür haben sie laut Vorlage für den Stadtrat drei Szenarien untersucht: den Weiterbetrieb nur bis zum Förderende, ein langfristiges Engagement ohne Modernisierung und Zuschüsse sowie ein Ertüchtigen und Hochrüsten in der Absicht, dann eine Förderung vom Staat zu erhalten. Alle drei sind positiv ausgefallen.

Die neue Geschäftsidee der Stadtwerke hat bereits ein Pendant in der Windkraft. Dort kaufen die SWM mit ihrer hundertprozentigen Tochter Hanse Windkraft in Hamburg bereits seit März 2018 bestehende Parks auf. Laut Geschäftsbericht aus diesem Jahr verfügte sie nach nur neun Monaten Lebenszeit "über ein Portfolio von 16 Windkraftanlagen". Die Mitarbeiter der Tochterfirma seien schon aktiv darauf angesprochen worden, ob sie nicht auch Photovoltaik-Anlagen kaufen würden, erklärten die Stadtwerke gegenüber dem Stadtrat. Das dürfen sie künftig tun, auch das Geschäft mit den Solaranlagen soll wohl die Hanse Windkraft abwickeln. Jedenfalls wollen die SWM den Geschäftszweck ihrer Tochter um die Photovoltaik erweitern. Die Erfahrung in einem ähnlichen Bereich soll Synergien ergeben, die stabile Gewinne ermöglichen.

Der Einstieg in das neue Geschäftsmodell hat einen Grund auch in einer Gesetzesänderung zum 1. Januar 2017. Die Bundesregierung änderte damals ihre Förderrichtlinien für neue Photovoltaik-Anlagen mit mehr als 750 Kilowatt Leistung. Deren Betreiber müssen sich seitdem um den Zuschuss in einem Bieterverfahren bewerben. Der Staat vergibt dabei zu fixen Terminen bestimmte Kontingente an diejenigen, die am wenigsten Zuschüsse verlangen. In der letzten Runde reichte die Vergabe laut Stadtwerken von 4,97 Cent pro Kilowattstunde als niedrigsten Zuschlagswert bis zu 5,58 Cent als höchsten. Dafür könnten sich die Stadtwerke mit gebrauchten Anlagen bewerben, die sie modernisieren und aufrüsten. Während sie als großer Anbieter solche Schwankungen ausgleichen können, haben kleinere Unternehmen damit künftig eventuell Probleme. Das sieht man bei den SWM als Chance im Markt.

Attraktiv ist zudem die Perspektive, durch den Kauf von Anlagen schnell ins Geschäft zu kommen. Die für Energieparks oft mühsame, langwierige Planung und vor allem Genehmigung fallen weg. Der Standort verfügt bereits über eine Infrastruktur wie zum Beispiel den Anschluss ans Netz, in das die SWM den Strom einspeisen können. Das Potenzial ist nach Berechnungen ihrer Experten enorm. Etwa 10,5 Gigawatt an Photovoltaik-Anlagen werden bis 2030 aus der Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz fallen, heißt es in der Vorlage.

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SZ vom 30.09.2019/bica
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