Jeder Autofahrer merkt es beim Tanken, jeder Hausbesitzer, wenn er die Kosten fürs Gas kontrolliert. Die Preise für Rohstoffe sind niedrig. Zu spüren bekommen das auch die Produzenten, für sie ist das aber kein Grund zur Freude, sondern das Gegenteil - die sinkenden Preise bedeuten schwindende Einnahmen. Auch die Stadtwerke München (SWM), die etwa zwei Milliarden Euro in der Förderung von Erdgas und Öl stecken haben, kämpfen mit den niedrigen Preisen. Doch für Panik, sagt der verantwortliche Manager Thomas Meerpohl, gebe es keinen Grund: "Wir sind in einem Sturm, unser Haus ist aber so solide gebaut, dass es nicht einstürzt."
Dieses Haus, in dem die Geschäfte der SWM mit Gas und Öl untergebracht sind, heißt Spirit Energy. Und es gehört den Stadtwerken nicht alleine. 69 Prozent des Unternehmens sind im Besitz des britischen Energiekonzerns Centrica. Im Jahr 2018 lief das Geschäft noch bestens, die SWM erhielten eine nicht erwartete Dividende von 100 Millionen Euro. 2019 sah es schon nicht mehr ganz so positiv aus: Der Erlös schmolz dahin. Der am Dienstag erschienene Jahresbericht weist einen operativen Gewinn vor Steuern von 207 Millionen Pfund aus, nicht einmal die Hälfte der 426 Millionen aus 2018. Mit einer Dividende wird es dieses Jahr nichts, die beiden Eigentümer haben beschlossen, bei den aktuell niedrigen Preisen der Gesellschaft vorsorglich zunächst keine Mittel zu entziehen. Das gemeinsame Unternehmen Spirit Energy finanziere sich damit nach wie vor alleine, sagt Manager Thomas Meerpohl. Und das soll auch so bleiben: Kein frisches Geld mehr für das Gas- und Ölgeschäft, heißt die Devise.
Dabei stellt das Jahr 2020 eine Herausforderung dar, wie sie sich 2019 wohl niemand vorstellen konnte. Das Coronavirus schlug auch in der Wirtschaft voll durch, und schon vorher haben sich die großen Ölförderländer einen Preiskampf geliefert, dem sich Spirit Energy nicht entziehen konnte. Auch bei den für das Unternehmen noch wichtigeren Gaspreisen habe es "Tiefstände gegeben, die wir lange nicht gesehen haben", sagt SWM-Manager Meerpohl. Die schwierige Lage lässt ihn aber nicht an der Entscheidung zweifeln, alle Öl- und Gasförder-Aktivitäten mit dem britischen Partner zusammenzuführen und damit einen der größten Deals zu riskieren, den die Stadtwerke je abgeschlossen haben. Das eigene Geschäft der Bayerngas Norge sei dagegen wie eine Holzhütte, die man nicht gerne im gerade tobenden Sturm gesehen hätte. Das jetzige Gebäude sei aber robust genug.
Allerdings kann es gut sein, dass der größere Mitbewohner bei der Spirit Energy bald auszieht und seine Anteile verkauft. Entsprechende Absichten hatte Centrica im Sommer 2019 geäußert. Man wolle sich auf das Kerngeschäft mit den Kunden konzentrieren, hieß es in einer Mitteilung, und sich vom Fördergeschäft von fossilen Brennstoffen verabschieden. Eine Rolle dürfte zudem spielen, dass den Konzern hohe Schulden drücken, die er verringern möchte. Zwischendurch ging auch noch der Chef, sodass die Stadtwerke viel Gesprächsstoff mit ihrem einstigen Wunschpartner hatten. Der geplante Verkauf durch die Briten war so weit fortgeschritten, dass im März erste Angebote erwartet wurden. Doch dann kam Corona, und die Briten stellten wegen der einbrechenden Märkte den Verkauf vorerst zurück.
Wie die Gespräche darüber verlaufen sind, darüber wird nicht viel bekannt. Centrica habe aber durchaus erkannt, dass bei einem Verkauf die Kooperation mit dem kleineren Anteilseigner Sinn mache, sagt Meerpohl. Momentan sei alles offen. Wenn die Preise wieder stabil seien, könnte Centrica an einen Interessenten alles verkaufen oder aber auch nur einen Teil des gemeinsamen Hauses. Diese Option scheint den Stadtwerken die liebere zu sein. Ein dritter Bewohner könnte frisches Geld für einige Sanierungen und Ausbauten mitbringen. Zudem wäre keiner der Partner mehr dominant. Was keinesfalls in Frage kommt, ist ein Aufstocken der eigenen Anteile. "31 Prozent sind die Obergrenze", sagt Meerpohl.
Langfristig haben die Stadtwerke die Absicht, ihr Engagement in den Meeren Nordeuropas zu reduzieren. Das betonten sie erst vor gut einer Woche, als das Umweltbündnis Fossil Free vor einer Stadtratssitzung für den sofortigen Ausstieg demonstrierte. Es sei nach wie vor die Strategie, den Erdgasverbrauch der Stadt München selbst zu fördern und so unabhängig von anderen Konzernen zu sein, hieß es in einer Antwort auf die Demonstration. "Im Gleichschritt mit einem sinkenden Gasverbrauch in München" würden die SWM ihren Anteil an der Erdgasproduktion sukzessive reduzieren.
Gegründet wurde das gemeinsame Unternehmen 2017. Die Stadtwerke brachten ihre Bayerngas Norge mit vielen attraktiven Bohrrechten ein, Centrica ihre schon sprudelnden Quellen. Etwa 70 Prozent macht Gas aus, 30 Prozent Öl. "Grundsätzlich sind wir sehr zufrieden, das war die strategisch richtige Entscheidung", sagt Meerpohl. Immerhin haben die Stadtwerke seither 100 Millionen erhalten, in den Jahren zuvor mussten sie etwa 400 Millionen Euro zuzahlen, um die Bayerngas Norge am Leben zu erhalten. Doch das Geschäft bleibt riskant, wie am dänischen Feld Hejre zu sehen ist. Das hat Spirit Energy 2019 abgestoßen, die Abschreibungen liegen im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Das schlug auch im Konzernabschluss der SWM mit einem zweistelligen Millionenbetrag durch. Zugleich sind die SWM aber auch erfreut, dass die Kosten bei Spirit Energy 2019 stark gesenkt werden konnten. Und dass die Preise am Mark für Gas und Öl stark schwanken, damit muss man leben. "Es ist ein zyklisches Geschäft, da brauchen wir einen langen Atem", sagte Meerpohl.