Süddeutsche Zeitung

Umstellung zum Juli:Ein "München-Login" als Bollwerk gegen Google

  • Am 1. Juli starten die Stadtwerke (SWM) das "München-Login". Mit einer einzigen Zugangskennung sollen Kunden dann verschiedene Apps nutzen können.
  • Die Stadtwerke wollen das auch als Kampfansage an Internetkonzerne wie Google oder Facebook verstanden wissen.
  • Den Hauptvorteil für die Nutzerinnen und Nutzer sehen die SWM im strengen Datenschutz.

Von Heiner Effern

Die Stadtwerke München (SWM) wollen einen zentralen Zugang für all ihre digitalen Service-Angebote schaffen. Die Idee: Mit nur einem Kennwort und einem Passwort sollen Kunden künftig auf verschiedenen Apps den MVV-Fahrschein kaufen, ihre Parkplatzgebühr bezahlen und auch Konzert-Tickets erwerben können. Das sogenannte München-Login wird am 1. Juli starten und betrifft im Großraum etwa 1,3 Millionen schon registrierte Nutzer von SWM-Diensten. Das neue Angebot soll Kunden aber nicht nur besseren Service bieten, sondern auch ein Bollwerk gegen US-amerikanische Konzerne wie Google, Facebook und Apple werden. "Wir wollen diesen kraftvoll ein Gegenkonzept entgegenhalten", sagt Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach.

Das hört sich erst mal sehr ambitioniert und selbstbewusst an, doch tatsächlich ist laut Bieberbach längst ein Kampf darüber entbrannt, wer im Internet überhaupt noch einen Zugang zum Bürger hat. "Das ist eine Grundsatzfrage, die eine politische Dimension hat." Zunehmend reicht es bei vielen Apps, sich mit einem Konto bei Google oder Facebook zu registrieren. Was mit den Daten passiert, liegt oft außerhalb jeder Kontrolle. Die Stadtwerke spüren im Alltag bereits, dass große Konzerne in den öffentlichen Bereich eindringen wollen, da sie diesen wirtschaftlich attraktiv finden. Ein Beispiel dafür sei der Verkauf von Tickets für den Nahverkehr. "Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Portalen, die nicht U-Bahnen oder Trambahnen fahren lassen wollen, sondern nur die Ticktes verkaufen", sagt MVG-Geschäftsführer Ingo Wortmann. Von diesen wolle man sich nicht aus dem Verkauf drängen lassen, sonst verlöre man eine "wichtige Schnittstelle zu den Bürgern".

Die Stadtwerke haben sich in ganz Europa umgehört, aber bisher kein vergleichbares Login-Portal auf dem öffentlichen Sektor gefunden. Der Übermacht der Internetkonzerne entgegenzutreten, das habe für den öffentlichen Bereich deshalb Bedeutung "über München hinaus", sagte SWM-Chef Bieberbach.

Barcelona habe etwa auf dem Weg zur digitalen Stadt mit den großen Konzernen zusammenarbeiten wollen, habe aber die Kooperation schnell wieder gestoppt. "Man kommt da schnell unter die Räder", sagte Bieberbach. Den Hauptvorteil im Kampf um den digitalen Bürger sehen die SWM in ihrem strengen Datenschutz. "Wir betreiben kein Geschäftsmodell aus der Verwertung von Kundendaten." Der Nutzer behalte stets die volle Kontrolle darüber und könne sie auch wieder löschen lassen. Allerdings will Bieberbach das München-Login auch privaten Unternehmen öffnen, die sich aber dem gleichen, strikten Datenschutz unterwerfen müssen.

Zu Beginn ist als einziges privates Unternehmen das Startup Get Now dabei, das vor allem Lebensmittel nach Hause liefert. Im Übrigen dominieren das neue Portal die Angebote der Stadtwerke, vor allem im Bereich Verkehr. Dazu sollen bald auch die Energiesparte kommen und der Internet-Dienstleister M-Net. In Zukunft soll es möglich sein, zum Beispiel Kurse in den Frei- und Hallenbädern zu buchen oder über München-Ticket Eintrittskarten zu kaufen.

Die Verkehrsbetriebe haben derzeit die meisten Nutzer, deshalb wird dort die Umstellung beginnen. In diesen Tagen erhalten die Kunden eine Mail der SWM, dass sie bis 1. Juli auf das neue Portal wechseln sollen. Dort müssen sich die MVG-Kunden aber laut einer Erklärung der Stadtwerke nicht etwa neu registrieren, sondern können ihr bestehendes Profil mit nur wenigen Klicks mitnehmen.

Natürlich setzen die Stadtwerke darauf, dass sich an einer so zentralen Stelle auch neue Nutzer anmelden. Diese müssen sich auf der Portal-Seite login.muenchen.de registrieren. Dort hinterlassen sie einmal persönliche Daten und eine Zahlungsmöglichkeit. Diese werden dann automatisch aktiviert, falls man zusätzliche beteiligte Apps herunterlädt. Über die Verwaltung soll der Nutzer aber steuern können, wer Zugriff auf seine Daten bekommt. "Sie entscheiden, welche Apps sie auf dem Handy haben, Sie entscheiden, welche Services sie nutzen", sichert Bieberbach zu. Seine SWM sollen mit dem Portal "der Schlüssel zum digitalen München" werden.

Zum 1. Juli ebenfalls verfügbar sein soll dort muenchen.de, das offizielle Internetportal der Stadt. Dort sind bereits jetzt vom Kinoprogramm über Ausflugstipps bis zu angesagten Lokalen viele Informationen zur Freizeit in München verfügbar. Neu auf der App wird dann die Möglichkeit programmiert sein, sich ein individuelles Freizeitprogramm zusammenzustellen und zu speichern. Verschiedene Filter erlauben eine Suche nach persönlichen Vorlieben, die man dann auch mit Freunden teilen kann.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2019
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