Stadtviertel:Giesinger raus aus Giesing!

Lokal "Alt Giesing" in München, 2017

Die Bar "Altgiesing", eine der vielen schönen Ecken von Giesing, klar - aber man darf sich ruhig auch mal woanders hintrauen.

(Foto: Robert Haas)

München, da sind sich alle einig, ist ja wunderschön. Aber nur die richtigen Ecken. Wie albern.

Kolumne von Elisa Britzelmeier

Er sei in widerlichen Gefilden, schrieb einer neulich in die Whatsapp-Gruppe, und man bekam Angst: Gibt's immer noch Abrisspartys in der Kultfabrik? Eine Pegida-Demo am Freitagabend? Spontanurlaub in Nordkorea? Weit gefehlt. Ein Abend in der Maxvorstadt reicht. Denn die Maxvorstadt steht unter Schnöselverdacht, wegen der Nähe zu Schwabing. Und Schwabing geht gar nicht. Wussten Sie? Dann wohnen Sie wohl in Giesing.

Der Wahl-Giesinger weigert sich gern, den Wahl-Schwabinger in Schwabing zu treffen. Damit hört es nicht auf. Da sind jene, die prinzipiell nur im Glockenbachviertel weggehen. Wer selbst mal in der Maxvorstadt gewohnt hat, weiß, dass man sich da eigentlich nicht rausbewegen muss, zumal als Student. Liegt ja alles vor der Nase, Uni, Café, Buchladen, Bar, sogar der Englische Garten.

Und die Haidhauser... ach, vergessen wir's. Es sollen bereits Freundschaften an der Frage zerbrochen sein, auf welcher Flussseite es sich besser leben, trinken, existieren lässt. Natürlich ist das eigene Viertel immer das richtige. Nirgendwo bekommt man das so eingetrichtert wie in Giesing, dank Giesinger Bräu, Giesinger Buchhandlung, Giesinger Fruchtmarkt.

München, da sind sich alle einig, ist ja wunderschön. Aber nur die richtigen Ecken.

Wie albern! Schwabinger, Giesinger, Maxvorstädter - ihr wisst ja gar nicht, was ihr verpasst. In anderen Städten mag das anders sein. Man fährt halt nicht schnell von Friedrichshain nach Neukölln. Und in Rom überlegt man sich auch, ob man von Monti nach San Lorenzo laufen mag, durch die Ekel-Unterführung unterm Bahnhof. München dagegen: sicherste Millionenstadt, mit dem Radl wäre man in kürzester Zeit überall, mit den Öffentlichen auch. Aber es wird gejammert, wenn man nachts mal zwanzig Minuten U-Bahn fahren soll.

Schon im Monaco Franze war klar, wo es out ist: Goetheplatz. Vielleicht ist es dort heute weniger out, sonst ist aber alles so geblieben. Jeder Wahl-Giesinger weiß, dass er nur in Giesing leben kann. Wo genau das Problem an Schwabing ist? Mei, die Leute sind so - Schwabing halt. Man könnte mit ihm über Stadtsoziologie und Topologie reden, über den Soziologen Pierre Bourdieu und den Begriff des "sozialen Raums", man kann den Münchnern aber auch einfach zurufen: Traut euch! Giesinger raus aus Giesing!

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