Süddeutsche Zeitung

Stadtratspolitik:Frust und Ärger in der FDP

Lesezeit: 3 Min.

Von Heiner Effern, München

In der FDP ist ein offener Konflikt über die gemeinsame Fraktion mit der Bayernpartei im Stadtrat ausgebrochen. Ein Teil der Münchner Liberalen lehnt die enge Zusammenarbeit mit einer Partei ab, die die Europäische Union und den Euro nicht wolle. Verschärft wird die Auseinandersetzung durch Kritik an der Kampagne und am Ergebnis der Kommunalwahl. Dazu hat die FDP das dafür angesetzte Budget überzogen.

Wieder zusammenführen muss die Partei auch noch ein neuer Stadtvorsitzender, Amtsinhaber Fritz Roth steht nicht mehr zur Verfügung. Die Neuwahl wäre demnächst angestanden, muss wegen der Corona-Krise aber vorerst auf einen unbestimmten Termin verschoben werden.

Die FDP hatte ihr Ziel bei der Kommunalwahl deutlich verfehlt und fiel mit 3,5 Prozent der Stimmen hinter die ÖDP und die AfD zurück. Sie verbesserte sich zwar im Vergleich zu 2014 um 0,1 Prozentpunkte, doch das Ergebnis war damals schon als Tiefschlag empfunden werden.

Der aktuelle Spitzenkandidat Jörg Hoffmann hatte ausgegeben, dass die FDP mit mindestens fünf Mitgliedern in den neuen Stadtrat einziehen wolle. Gereicht hat es nur für drei Mandate wie bisher. Nun benötigen er selbst, Gabriele Neff und Roth im Stadtrat den Bayernpartei-Kollegen Richard Progl, um die vier Mandate zusammenzubekommen, die nötig sind, um eine Fraktion bilden zu können.

In einer virtuellen Sitzung des Stadtvorstands entlud sich der Frust darüber, wegen der Fraktion kam es zum offenen Konflikt. Und nicht nur dort. Mittlerweile ist die Stimmung so aufgeheizt, dass manche sich nicht mehr trauen, sich öffentlich zu äußern. Nicht so die Vorsitzende des Kreisverbands München Ost, Cécile Prinzbach.

Sie sei unglücklich, ja verärgert über die Entscheidung der drei Stadträte, mit der Bayernpartei anzubandeln. Diese sei mit ihrer EU-feindlichen, sezessionistischen und ultrakonservativen Haltung zu Europa "fundamental anders" als eine weltoffene und liberale FDP. Prinzbach hat den Eindruck, dass man sich vorschnell anderer Optionen beraubt und mit der liberalen, europafreundlichen Partei Volt nicht ergebnisoffen verhandelt hat.

Auch die Jugendorganisation der FDP, die Jungen Liberalen, distanziert sich von ihren Stadträten. Die Bayernpartei sei das Gegenmodell der FDP, nämlich "konservativ, regionalistisch und rückwärtsgewandt", erklärte der Vorsitzende Felix Meyer. Die Zusammenarbeit sei "nicht nachvollziehbar. Gefühlt liegen Welten zwischen uns." Doch auch erfahrene Liberale wie der frühere Bundestagsabgeordnete und Stadtchef Rainer Stinner zeigen sich zumindest erstaunt über die Kooperation. "Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dass das kompatibel sein könnte." Die Stadträte hätten sich aber nun entschieden, in der Kommunalpolitik liege auch viel an den handelnden Personen.

Darauf verweisen auch Spitzenkandidat Hoffmann und Stadtchef Roth. Bayernpartei-Stadtrat Progl sei "ein verlässlicher Partner", den man menschlich schätze. Inhaltlich gebe es viele Schnittmengen. Die hätte es auch mit Volt gegeben, doch deren Stadtrat Felix Sproll habe auch mit anderen Parteien verhandelt und eine Kooperation mit der Bayernpartei ausgeschlossen. Die drei FDP-Stadträte fühlten sich offenbar in die Enge getrieben. Wenn sie Progl vergrault hätte und von Volt ausgebremst worden wären, hätte die FDP den Fraktionsstatus verfehlt und damit weniger Geld und eine schlechtere Büroausstattung zur Verfügung. Andere Optionen boten sich nicht.

Die Sorge war groß, im Stadtrat den Anschluss zu verpassen. Das mögen Idealisten nicht verstehen, sagte Hoffmann, aber die drei Stadträte seien sich einig gewesen, eine solche Situation unbedingt zu verhindern. Stadtchef Roth spürt "den Gesprächsbedarf" in der Partei. Keiner der Kritiker kenne Progl, das werde man ändern und so hoffentlich "das Eis schmelzen lassen". Auch spiele Europapolitik in der Stadt kaum eine Rolle.

Auch wegen der mageren 3,5 Prozent bei der Kommunalwahl steht die Parteispitze unter Druck. Objektiv habe die FDP ihre Wahlziele nicht erreicht, sagte etwa der frühere Bundestagsabgeordnete Stinner. "Anders, als man sich das vorgestellt hat." Die Gründe seien vielschichtig. Kreischefin Prinzbach macht dafür vor allem auch den Wahlkampf und die Kampagne verantwortlich. "Wir waren nicht ausreichend sichtbar und haben zu wenig griffige Themen gesetzt", sagte sie. Die engere Stadtspitze habe alleine entschieden, viel Mitwirkung sei nicht möglich gewesen. "Wir haben mehr Potenzial in München.

Der Unmut ist bei vielen groß." Das kann man auch bei Hoffmann sagen. Nun meldeten sich Liberale, die nicht gerade für besonders gute Wahlergebnisse stünden, sagte er in Richtung Prinzbach und den Münchner Osten. "Ich bin sauer." Roth wies den Vorwurf der mangelnden Sichtbarkeit im Wahlkampf zurück. Es liege an vielen Faktoren, die FDP habe es in München noch nie einfach gehabt. Der Ansatz, in der wachsenden Stadt auf Lösungen der Zukunftsprobleme zum Beispiel mit einer stärkeren Digitalisierung zu setzen, sei richtig gewesen.

Roth bestätigte jedoch, dass das Budget für den Wahlkampf überschritten worden sei. Die Summe von 60 000 Euro, die in der FDP kursiert, sei jedoch zu hoch gegriffen. Ein Finanzproblem gebe es nicht, da für die vergangenen Wahlen im Land und im Bund weniger ausgegeben worden sei als geplant und da der Stadtverband gut gewirtschaftet habe.

Dass Roth nicht mehr als FDP-Chef in München weitermachen will, habe nichts mit den aktuellen Konflikten zu tun, sagte er. Er habe sich schon vorher entschieden, bei einem Einzug in den Stadtrat den Parteiposten aufzugeben. "Ich will mich auf meine neue Aufgabe konzentrieren."

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SZ vom 06.04.2020
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