Süddeutsche Zeitung

Stadtrat:Tunnelbau: Unterirdisch zum Flughafen

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Von Dominik Hutter

Die Stadt will trotz verschlechterter Kassenlage am Bau eines viergleisigen S-Bahn-Tunnels im Münchner Nordosten festhalten. "Es wird auf alle Fälle die große Lösung geben", betont CSU-Fraktionschef Hans Podiuk. Von dem Bauwerk, durch das dereinst die Flughafenlinie S 8 wie auch der Güterverkehr rauschen sollen, hänge die gesamte Erschließung der geplanten neuen Wohngebiete ab.

Die rund drei Kilometer lange Röhre zwischen Daglfing und Johanneskirchen biete "bessere Chancen zur Stadtentwicklung", findet auch SPD-Pendant Alexander Reissl. Wann die Bagger anrollen, ist allerdings noch völlig unklar. Nach Schätzungen von Stadtbaurätin Elisabeth Merk kostet der Tunnel nach aktualisierten Berechnungen mindestens 970 Millionen Euro. Den Großteil, 800 Millionen, müsste die Stadt tragen.

Das Bauwerk war auf die inoffizielle Liste der Einsparungen geraten, als Kämmerer Ernst Wolowicz im Herbst vergangenen Jahres wegen eines Finanzlochs die Einbringung des Haushalts verschieben musste und verkündete, dass München nach Jahren der Tilgung möglicherweise schon 2017 neue Schulden aufnehmen muss. Es gilt aber als Voraussetzung für die langfristigen Pläne des Rathauses, riesige Flächen in den nordöstlichen Stadtteilen mit Wohnungen zu bebauen.

Der viergleisige Ausbau der Strecke, der freilich auch oberirdisch erfolgen könnte, ermöglicht zudem die Realisierung eines Plans, um den es in den vergangenen Jahren ziemlich still geworden ist: den Bau einer Express-S-Bahn zum Flughafen. Quasi das Nachfolgeprojekt des umstrittenen, im Vorfeld der Landtagswahl 2008 gescheiterten Transrapids. Denn die Schienenanbindung des Erdinger Mooses hält "einem nationalen sowie internationalen Vergleich nicht stand", urteilt das Planungsreferat.

Das Thema wird am nächsten Mittwoch im Planungsausschuss aktuell. Dann muss sich der Stadtrat entscheiden, ob er weiterhin für eine Untertunnelung plädiert oder doch die von Bund und Bahn für ausreichend erachtete ebenerdige Lösung akzeptiert. Merk plädiert dringend für den Bau der Röhre. Neben einem verbesserten Lärmschutz für die Anwohner und den städtebaulichen Vorteilen ermögliche das "Verschwinden" der S-Bahn-Trasse eine deutlich dichtere Bebauung.

Die Stadt muss sich zum Bau bekennen - die Bahn drängt

Rund 500 bis 1000 zusätzliche Wohnungen seien möglich, wenn die Häuser näher an die Strecke heranrücken können und obendrein mehr Platz für Grünflächen zur Verfügung steht. Insgesamt gehe es um eine Zusatzfläche von etwa 45 000 Quadratmetern, dazu kommen sechs bis neun Hektar Park direkt oberhalb des Tunnels. Da sich der Stadtrat bislang stets für die Röhre ausgesprochen habe, müssten nach Auskunft Merks beim Auspacken des Rotstiftes sämtliche Planungen "grundlegend überprüft und überarbeitet werden". Die Folge wären erhebliche Verzögerungen.

Dass sich die Stadt erneut ganz offiziell zum Bau eines Tunnels bekennen muss, liegt an der Zeitplanung der Deutschen Bahn. Das Schienen-Unternehmen will ein Ingenieurbüro damit beauftragen, die "Betriebliche Aufgabenstellung" zu erarbeiten - wozu etwa die Lage und Kurvenradien der Gleise gehören. Der Auftrag umfasst bislang nur die Planungen für die oberirdische Variante, kann aber nach Auskunft der Bahn zumindest bis Mitte Juni ohne neue Verhandlungen und ohne Zeitverzögerung auch auf eine Tunnellösung ausgedehnt werden. Diese Chance will Merk unbedingt nutzen. Das Planungsreferat will, dass die Röhre gleichberechtigt im Rennen bleibt - ohne Zeitverzug oder einen finanziellen Aufschlag schon in der Planungsphase.

Teurer wird der Tunnel später auf jeden Fall. Da Bund und Bahn lediglich die auf 305 Millionen Euro geschätzte "Amtslösung" finanzieren wollen (der Anteil der Stadt für ihre Sonderwünsche beträgt bei dieser Variante 50 Millionen Euro), muss die Kommune den Aufpreis für ihre Luxusvariante komplett selbst beisteuern. Preisgünstigere Lösungen, etwa mehrere kurze Tunnelabschnitte oder ein Trog, sind in den Augen Merks nicht sinnvoll. Weder verkehrlich noch städtebaulich.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2016
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