Stadtrat:München sperrt Parteien aus dem Rathaus

Stadtrat: Den prachtvollen kleinen Sitzungssaal im Rathaus - hier ein Detail - kann man für 2900 Euro am Tag mieten.

Den prachtvollen kleinen Sitzungssaal im Rathaus - hier ein Detail - kann man für 2900 Euro am Tag mieten.

(Foto: Robert Haas)
  • Oberbürgermeister Dieter Reiter will im Rathaus keine Parteiveranstaltungen mehr zulassen.
  • Der Grund: Die AfD versucht derzeit an mehreren Stellen, sich Zugang zu städtischen Räumen zu sichern.
  • Ausnahmen soll es künftig nur noch für Veranstaltungen der Rathausfraktionen geben.

Von Dominik Hutter

Um keine unliebsamen Gäste aufnehmen zu müssen, will Oberbürgermeister Dieter Reiter im Alten und im Neuen Rathaus keine Parteiveranstaltungen mehr zulassen. Der SPD-Politiker setzt damit einen Beschluss des Ältestenrats vom Juli um, der einstimmig einen solchen Schritt empfohlen hatte - entscheiden soll an diesem Mittwoch der Feriensenat des Stadtrats. Hintergrund ist ein Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die Stadt mit Verweis auf das Gleichbehandlungsgebot für politische Parteien dazu verpflichtet hatte, der AfD Räume in Kultur- und Bürgerhäusern zur Verfügung zu stellen. Dies will die Stadtspitze zumindest in den Sälen des Rathauses verhindern. Und nimmt dafür in Kauf, dass auch eigene Parteiveranstaltungen an andere Adressen ausweichen müssen - gleiches Tabu für alle. Erlaubt bleiben Veranstaltungen der Rathausfraktionen zu Stadtratsthemen in überschaubarer Größe.

Die AfD versucht derzeit an mehreren Stellen, sich Zugang zu städtischen Räumen oder öffentlichen Veranstaltungen zu sichern: Bei den Kultur- und Bürgerhäusern war die Partei erfolgreich, beim Corso Leopold in Schwabing hat sie in der vergangenen Woche eine Klage eingereicht, über die noch nicht entschieden wurde. In puncto Kulturzentren hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof moniert, die vom Ältestenrat festgelegte Vermietung nur an im Stadtrat vertretene Parteien verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot. Die AfD, die seit dem Übertritt ihrer beiden 2014 gewählten Stadträte zu den "Liberal-Konservativen Reformern" (LKR) kein Mandat mehr im Münchner Rathaus hat, darf seitdem Säle in den Kulturhäusern anmieten. Die Richter befanden, dass die Stadt wegen der hohen Fördergelder Einfluss auf die von privaten Trägervereinen betriebenen Einrichtungen nehmen darf.

Die Stadt stand nun vor der Wahl: Entweder dürfen sämtliche Parteien in die Räume. Oder gar keine. Beim Rathaus hat sich Reiter für Letzteres entschieden. Falls der Feriensenat zustimmt, woran angesichts des einstimmigen Votums im Beratungsgremium Ältestenrat eigentlich kein Zweifel besteht, dürfen der Alte Rathaussaal, der Große und Kleine Sitzungssaal, die Grütznerstube oder die Ratstrinkstube nur noch von den Fraktionen, Gruppierungen und Ausschussgemeinschaften des Stadtrats für Stadtratszwecke angemietet werden. Mit dieser Formulierung bleiben auch "Einzelkämpfer" mit Mandat außen vor, etwa der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Karl Richter von der "Bürgerinitiative Ausländerstopp".

Weiter stattfinden dürfen Veranstaltungen ohne parteipolitischen Hintergrund. Die Veranstaltungssäle des Alten und Neuen Rathauses sowie diverser anderer kommunaler Immobilien sind prinzipiell für jedermann bei der städtischen Raumbörse mietbar. Die Grütznerstube, ein holzgetäfeltes Zimmer mit langem Tisch, ist für 390 Euro pro Tag zu haben. Für den prachtvollen Kleinen Sitzungssaal im Neuen Rathaus werden 2900 Euro fällig, der Saal des Alten Rathauses kostet 5500 Euro - ohne Küche, Service und Versicherung. Nicht in ihrem Portfolio hat die Raumbörse die Büro- und Konferenzräume des weitläufigen Rathauses, die schon bislang nur für die Stadtratsarbeit reserviert waren.

Keine Auswirkungen hat der Beschluss auf die Kultur- und Bürgerhäuser - bei der Klage der AfD ging es explizit um das Kulturzentrum Trudering, das Kulturhaus Milbertshofen, das Moosacher Pelkovenschlössl und das Kulturzentrum 2411 am Hasenbergl. In diesen Einrichtungen dürfen auch weiterhin Parteiveranstaltungen stattfinden, nach dem Gerichtsbeschluss auch solche der AfD. Würde der Stadtrat auch bei diesen Räumen aus Gründen der Gleichbehandlung sämtliche Parteien aussperren, müssten diverse Veranstaltungen weichen, vom Neujahrsempfang der CSU über das Fischessen der SPD bis hin zu Parteitagen. In die Münchner Schulen dürfen Parteien schon seit 2017 nicht mehr. Entsprechende Veranstaltungen gab es zwar auch vorher nur in überschaubarer Zahl. Mit Verweis auf die "veränderte politische Landschaft" und vor dem Hintergrund des besonderen Charakters von Schulräumen entschied damals jedoch der Stadtrat, Parteien und Wählergruppen grundsätzlich nicht mehr hineinzulassen.

Eines gilt immer, wenn jemand städtische Räume anmietet - egal, ob im Rathaus oder in einem Kulturhaus: Die Veranstaltung darf nicht verfassungsfeindlich sein, niemand darf diskriminiert werden, und Sittenwidriges wie Pornografie ist ebenso untersagt wie Strafbares. Diese Bedingungen sind Bestandteil der Mietverträge, der Katalog muss vom Interessenten unterschrieben werden. Dazu kommt der Stadtratsbeschluss, die antiisraelische BDS-Kampagne ("Boycott, Divestment, Sanctions") aus sämtlichen städtischen Häusern zu verbannen. Aktuell darf in kommunalen Immobilien überhaupt kein Wahlkampf stattfinden. Drei Monate vor Wahlen ist grundsätzlich Schluss mit Parteiveranstaltungen, egal ob im Rathaus, im Pelkovenschlössl oder in der (ebenfalls anmietbaren) Philharmonie des Gasteigs.

In der Beschlussvorlage, die das von Reiter selbst geleitete Direktorium an diesem Mittwoch dem Feriensenat vorlegt, kommt die AfD gar nicht vor. In dem Papier geht es ganz allgemein um die Nutzung der Räume in Altem und Neuem Rathaus durch Parteien. Allerdings bezieht sich Reiter explizit auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom Juli, in dem es ja um die AfD ging. Nach der darauffolgenden Empfehlung des Ältestenrats sei nun ein Stadtratsbeschluss "erforderlich". Der Umgang mit als zweifelhaft eingestuften Parteien oder Gruppierungen ist immer wieder Thema im Stadtrat, der sich seine Agenda nicht von Rechtsaußen-Politikern wie Karl Richter diktieren lassen will. Richter hat im Rathaus nicht einmal ein Büro.

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