Stadtrat:Im Duell um den Fraktionsvorsitz bemüht sich die SPD um Normalität

Stadtrat: Fraktionschef Reissl (stehend) nimmt seinen vor ihm sitzenden Vize Kaplan ins Visier - das sollte er auch.

Fraktionschef Reissl (stehend) nimmt seinen vor ihm sitzenden Vize Kaplan ins Visier - das sollte er auch.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • In der SPD-Stadtratsfraktion ist ein offener Machtkampf ausgebrochen: Der bisherige Vize fordert den amtierenden Chef heraus.
  • Bei der Vollversammlung des Stadtrats treffen die Kontrahenten Reissl und Kaplan aufeinander, man bemüht sich um Normalität.
  • Nun wird mit Spannung erwartet, ob die SPD unbeirrt auf eine Kampfabstimmung zusteuert oder ob noch Gespräche geführt werden, um ein offenes Zerwürfnis zu vermeiden.

Von Heiner Effern

Auf den ersten Blick sieht es aus wie bei vielen Vollversammlungen des Stadtrats. Alle Fraktionen sind im überfüllten Sitzungssaal versammelt. Nur die SPD fehlt noch. Ein Referent eilt leicht verspätet in den Saal und drückt aus, wie es den meisten drinnen geht: "Wenig Spannendes heute zu erwarten", sagt er. "Außer dass Reissl und Kaplan aufeinandertreffen."

Vor wenigen Tagen hätte niemand darauf geblickt, wie sich SPD-Fraktionssprecher Alexander Reissl und sein Stellvertreter Hans Dieter Kaplan zueinander verhalten. Doch nun wurde bekannt, dass der Vize den Chef stürzen will. Am kommenden Montag, dann wählt die SPD nach einem Drittel der Legislaturperiode turnusgemäß den Vorstand der Fraktion neu.

Als dann die gut 20 SPD-Stadträte in den Saal kommen, lässt sich daraus alles herauslesen - oder nichts. Kaplan voran im ersten Pulk, plaudernd. Reissl weiter hinten, alleine, die Miene leicht grimmig. Viel Symbolik. Aber Kaplan plaudert auch sonst mit Kollegen - und Reissl blickt auch sonst mal grimmig. Alle blicken auf die beiden, aber niemand sagt etwas Essenzielles dazu.

Die SPD, weil sie ein Schweigegelübde über den Machtkampf abgelegt hat und sauer ist, dass er dennoch an die Öffentlichkeit kam. Jeder beäugt jeden in der Fraktion. Plaudert wer? Die wichtigste Neuigkeit deshalb: Die traditionelle Vorab-Sitzung der SPD vor der Vollversammlung habe nicht wegen einer Personaldiskussion länger gedauert, sagt jemand aus der Fraktion. Und man dürfe sie auf keinen Fall Krisensitzung nennen.

Die anderen Parteien sagen auch nichts zu den internen Querelen der SPD, weil sich das nicht gehört. Aber viele wundern sich über die Konstellation Kaplan gegen Reissl. Die CSU bangt fast ein wenig, weil sie mit dem eher konservativen Fraktionschef so gut zusammenarbeitet, dass diesem manche seiner Leute nahezu Kumpanei mit dem Regierungspartner vorwerfen.

Zu ausgebufft und nur schwer ersetzbar

Doch ernstlich Sorgen um Reissl machen sich nicht viele, zu ausgebufft ist der langjährige Fraktionschef und nur schwer ersetzbar als Redner, der die SPD wuchtig vertritt. Also rätseln alle, warum der bedächtige Kaplan so in die Offensive geht.

Auf der einen Seite gilt der Finanzexperte nicht als jemand, der aufgrund eines spontanen Frusts seine Position riskiert. Sondern als einer, der seine Schritte gründlich überlegt und vorbereitet. Andererseits: Sollte er für den Putsch die nötigen Stimmen gesammelt haben, muss das so heimlich geschehen sein, dass es viele in seiner Partei nicht mitbekommen haben. Reissl steht, ist zu hören. Fraglich ist nur, wie hoch der Denkzettel ausfällt.

Der Fraktionschef kann sehr dominant auftreten und soll nicht immer Lust haben, all seine Entscheidungen jedem SPD-Stadtrat auch zu erläutern. Auch seine nicht sehr aktive Verteidigung der SPD-Sozialreferentin Brigitte Meier, die sich nach Schlampereien mit Flüchtlingsabrechnungen im Sommer zurückziehen muss, könnten ihm manche Parteikollegen vorwerfen.

Nun wird mit Spannung erwartet, ob die SPD unbeirrt auf eine Kampfabstimmung zusteuert oder ob noch Gespräche geführt werden, um ein offenes Zerwürfnis in der Fraktion zu vermeiden. Am Mittwochmittag wies noch nichts auf eine Konsenslösung hin. In jedem Fall wird die Fraktion eine neue Frau in die Spitze wählen.

Vize-Chefin Beatrix Zurek tritt nicht mehr an. Nicht wegen eines Machtkampfs, sondern weil sie am 1. Juli das Bildungsreferat übernehmen wird. Als Nachfolgerinnen werden Verena Dietl und Bettina Messinger gehandelt.

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