Stadtpolitik:München ist der CSU nicht sicher genug

Polizei in Bayern

Draußen steht ein Polizist, und im Münchner Rathaus warnt die CSU vor "Angsträumen".

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Die CSU im Münchner Rathaus hat ihre Pläne für eine "Sicherheitsoffensive" vorgestellt.
  • Sie fordert mehr Überwachung, mehr Straßenbeleuchtung und Schusswaffen für den städtischen Ordnungsdienst.
  • Die SPD entgegnet, die CSU erzeuge dadurch genau die "Angsträume", die sie zu bekämpfen vorgebe.

Von Heiner Effern

Die drei wichtigsten Männer der CSU im Rathaus sitzen um Punkt neun Uhr im Zimmer 272 bereit. Sie rutschen zusammen ans Eck des langen Tischs, direkt unter die Leinwand, an die ein Beamer das gewichtige Thema wirft, um das es gehen soll: die Sicherheit in der Stadt.

Bürgermeister Josef Schmid, Fraktionschef Manuel Pretzl und sein Vize Michael Kuffer fordern dann in einer Dreiviertelstunde mehr Videokameras, ein Sicherheitskonzept für die Fußgängerzone und "die Beseitigung von Angsträumen". Die Botschaften sind weder überraschend noch besonders neu, doch die zentrale Nachricht steckt ohnehin in der Aussage dahinter: Die CSU in München hat die Sicherheit wieder als eines ihrer zentralen Lieblingsthemen entdeckt.

Damit das wirklich niemandem verborgen bleibt, hat Kuffer der Abendzeitung für die Freitagsausgabe noch ein passendes Interview gegeben. Er fordert darin Schusswaffen für den städtischen Ordnungsdienst. In der Pressekonferenz zur "Sicherheitsoffensive für München", Teil 1, verlieren dann Kuffer, Schmid und Pretzl jedoch kein Wort darüber. Möglicherweise ist dieser Punkt in der Sicherheitsoffensive, Teil 2, enthalten, der in einigen Wochen kommen soll. Oder in einem Teil 3, den die CSU auch nicht ausschließen will.

Einen "Umschwung in der öffentlichen Meinung" hat Bürgermeister Schmid nach den Terroranschlägen festgestellt, hin zu mehr Sicherheit. Wie die Münchner CSU darauf reagiert, erklärt Fraktionsvize Kuffer: "Damit die Angst in der Stadt keinen Platz hat, wollen wir die Gefahr bekämpfen."

Für die Sozialdemokraten wohnt diesem Satz eine verquere Logik inne. So verquer, dass innerhalb kurzer Zeit ein genauso gewichtiges SPD-Trio den dringenden Wunsch zur Korrektur verspürt. In gut eineinhalb Stunden verschicken Oberbürgermeister Dieter Reiter, Fraktionsvize Christian Vorländer und SPD-Stadtchefin Claudia Tausend jeweils einen Kommentar zum Vorstoß der CSU. Der Tenor ist ähnlich: Die Angst, die laut CSU keinen Platz mehr in der Stadt haben soll, die werde gerade von der CSU erzeugt oder wenigstens massiv geschürt.

Als Haupttäter identifiziert Tausend CSU-Fraktionsvize Kuffer, der im Münchner Süden für den Bundestag kandidiert. "Das war eine reine Wahlkampfveranstaltung. Hier lassen sich der CSU-Bürgermeister und die gesamte CSU-Fraktion vor den Wahlkampfkarren des Bundestagskandidaten Kuffer spannen", schreibt Tausend.

Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel sekundiert und spricht von einer sorgfältig inszenierten Angstkampagne und einem "Generalangriff auf die liberale und entspannte Atmosphäre in München".

Mehr Kameras, als die Polizei für nötig hält

OB Reiter findet es "geradezu erschreckend", wie die CSU die Sicherheitslage in München beschreibe. Mit ihren Forderungen stelle sie "die Kompetenz ihres bayerischen Innenministers und der Polizei zumindest infrage". Er selbst, schreibt Reiter, finde deren Arbeit gut und werde mit ihnen Fragen der Sicherheit besprechen. Und nicht mit der Münchner CSU, schwingt da noch mit. "Für mich ist klar: Das Gewaltmonopol muss beim Staat und damit bei der Polizei bleiben." Abgesehen davon stellt auch Reiter eine Verunsicherung der Bürger fest. Deren Sicherheit habe für ihn "oberste Priorität".

Wenn die CSU eine Debatte im Rathaus über die öffentliche Sicherheit entfachen wollte, dann hat sie den Nerv ihres Regierungspartners punktgenau getroffen. Dabei rechtfertigen ihre vier tatsächlich vorgestellten Stadtratsanträge die Aufregung nicht. Die Stadt soll etwa untersuchen, wie man die Fußgängerzonen zwischen Hauptbahnhof und Marienplatz besser schützen könne, fordert die CSU da. Oder Informationen bei israelischen Sicherheitsbehörden einholen, wie diese auf der Basis ihrer langen Erfahrung Terror verhinderten.

Konkreter wird die CSU beim Ausbau der Videoüberwachung. Die Stadt solle dort zusätzliche Kameras aufstellen, wo sie die Polizei nicht für nötig halte. Als Beispiele für "Brennpunkte" nennt die CSU den Alten Botanischen Garten und den Sendlinger-Tor-Platz. Damit bei der Flut von Daten entscheidende Ereignisse nicht untergehen, solle die Stadt neue Konzepte erarbeiten: Ein Notfallknopf oder bestimmte Bewegungsmuster, die zum Beispiel eine Schlägerei nahelegten, sollen dazu führen, dass entsprechende Livebilder auf einem Bildschirm in der neu zu schaffenden Sicherheitszentrale aufploppen.

So sollen sogenannte Angsträume sicherer werden. Damit sind Plätze gemeint, wohin sich Bürger gerade bei Dunkelheit ungern oder nur mit Furcht begeben. Das können öffentliche Plätze, dunkle Straßenecken oder einsame Bushaltestellen genauso so sein wie der Hauptbahnhof. Hier sollen nicht nur Kameras, sondern auch eine bessere Beleuchtung, Patrouillen von Sicherheitskräften oder Umbauten helfen, die Plätze und Ecken besser einsehbar machen. Auch in Bauplanungen sollen daher künftig Sicherheitsaspekte einfließen.

Das Kreisverwaltungsreferat (KVR), die für die städtische Sicherheit verantwortliche Behörde, überraschte Kuffer jedenfalls mit seiner Forderung nach Schusswaffen im kommunalen Ordnungsdienst - allerdings nur in Bezug auf die Kenntnis von geltendem Recht. "Die Einführung einer kommunalen Polizei ist seit der Aufhebung des Bayerischen Gemeindepolizeigesetzes im Jahr 2005 rechtlich nicht mehr möglich", schickte KVR-Chef Thomas Böhle als Botschaft von Jurist zu Jurist. "Eine Bewaffnung der Mitarbeiter im kommunalen Aufsichtsdienst ist keine Option", auch das sei unzulässig. Mit den CSU-Anträgen werde sich das KVR befassen. Eine Vorlage, wie der vom Stadtrat im Grundsatz längst beschlossene Ordnungsdienst angelegt werde, sei für Mitte 2017 zu erwarten.

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