Stadtplanung:Platz für alle

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Verschnaufpause im Großstadtgetriebe: der Bücherschrank an der Neuhauser Frundsbergstraße. (Foto: Jörg Koopmann/Planungsreferat)

Wie lässt sich trotz aller Bauprojekte in München Aufenthaltsqualität erhalten oder verbessern? Eine Ausstellung in der Rathausgalerie widmet sich dem öffentlichen Raum.

Von Alfred Dürr

Die Innenstadt befindet sich im Großprojekte-Modus. Das betrifft speziell den neuen Hauptbahnhof, der künftig mit einem großzügigen Vorplatz, glänzenden Fassaden und vielfältigen Einkaufspassagen bei den Gleisanlagen den repräsentativen Eingang in die City darstellen soll. Ganz in der Nähe geht der extravagante Hotel-Neubau am Stachus seiner Fertigstellung entgegen. Der benachbarte Denkmal-Komplex des ehemaligen Kaufhauses Hertie wird saniert und durch einen modernen Trakt mit begrünten Terrassen und Innenhöfen entlang der Schützenstraße ergänzt.

München auf dem Weg in die Zukunft: Bleibt da überhaupt noch ausreichend Freiraum für die Menschen, die ihren vielfältigen Aktivitäten in der Stadt nachgehen? Parks und Plätze, autofreie Straßen, "grüne Nischen", ruhige Orte im Großstadtgetriebe, an denen man sich ohne Konsumzwang entspannen und treffen kann - nicht erst seit Corona rückt dieses Thema in den Fokus der Stadtplanung.

Die Folgen des Klimawandels, der Digitalisierung des Handels und die Auswirkungen der Verkehrswende sind große Herausforderungen. Wie sorgt man für mehr Flair, Lebensqualität, Angebotsvielfalt und urbanes Leben in München?

Die traditionelle Jahresausstellung des Referats für Stadtplanung informiert diesmal mit zahlreichen Bild- und Texttafeln über Entwicklungen im "öffentlichen Raum". Bauaktivitäten und Umstrukturierungen zum Beispiel von Kaufhäusern oder Bürogebäuden bieten Chancen und Visionen für eine Stadt, in der man sich möglichst mit Vergnügen aufhält.

Beliebter Ort mit Überblick, frei von jedem Konsumzwang: der Olympiaberg. (Foto: Jörg Koopmann/Planungsreferat)

Nicht nur Handelsketten finden demnach Platz in der Innenstadt, sondern auch Einrichtungen der Kultur oder der Bildung. Grüne Dachlandschaften, gemütliche Plätze, Ruhezonen am Isarufer, durchgehende Wander- und Radwege rund um die Stadt oder Outdoor-Training im Park sind weitere wünschenswerte Möglichkeiten.

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Die Ausstellung zeigt, wie viel bei der Gestaltung des öffentlichen Raums schon erreicht wurde und dass sich urbanes Leben keineswegs nur auf das Zentrum konzentriert. Auch in gewachsenen Stadtvierteln und entstehenden Neubauquartieren spielt die Qualität des Wohnumfeldes eine herausgehobene Rolle. Stadt- und Ortsteile sollen in ihrer Funktion, Struktur und Gestalt erhalten, erneuert und weiterentwickelt werden. So gibt es zum Beispiel für Neuperlach ein spezielles Programm, das den Stadtteil mit Vorhaben zum öffentlichen Raum, zum Klimaschutz und zu Energiethemen zu einer "zukunftsfähigen Innovationslandschaft" machen soll, wie es in der Planungssprache heißt.

Auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne entsteht der Stadtteil Neufreimann, ebenfalls mit spannenden Konzepten für ein neues städtisches Erscheinungsbild. In die Erdgeschosse der Wohnhäuser kommen Geschäfte und Gastronomiebetriebe. Diese Mischung soll für attraktive Flanierzonen sorgen, liest man auf einer der Schautafeln.

Tafeln, Texte und viel Raum: die Jahresausstellung des städtischen Planungsreferates in der Rathausgalerie. (Foto: Jörg Koopmann/Planungsreferat)

Es geht dem Planungsreferat nicht nur um bauliche oder gestalterische Maßnahmen. "Öffentlicher Raum ist Demokratie", heißt es geradezu beschwörend an anderer Stelle. Eine Gesellschaft brauche einfach Orte, an denen man sich ohne Konsumzwang und unabhängig von Einkommen, Herkunft oder Alter aufhalten könne.

München wächst und entsprechend stark nimmt auch der Bedarf an diesen Zonen zu. Wie stark dabei Nutzungskonflikte eine Rolle spielen, wird in der Ausstellung allerdings nur am Rand erwähnt. Grund und Boden sind in München extrem teuer, freie Flächen gibt es nicht mehr viele und um die Nutzung quasi jeden Quadratmeters wird gestritten. Die neue Flächenumverteilung bietet keine einfachen Lösungen. Welchen Platz bekommen Fußgänger, Radler, Autofahrer? Welche Rolle spielen die Interessen von Anwohnern sowie der Inhaber von Geschäften oder Arztpraxen?

Kein Wunder, dass es Jahrzehnte dauert, bis Fußgängerzonen wie die Sendlinger Straße oder die komplette Ausgestaltung des Marienplatzes zum autofreien Gebiet dann auch realisiert werden.

Schier uferlose Debatten, immer neue Bedenken

Schier uferlose Debatten, immer neue Bedenken und Einsprüche - um den öffentlichen Raum gibt es auch künftig keine Ruhe. Wie soll beispielsweise der Platz vor dem neuen Hauptbahnhof gestaltet werden? Wie frei bewegen sich Fußgänger, wie kommen Taxen oder die Trambahn zu ihrem Recht?

Dauerbrenner sind die Vision eines grünen und verkehrsberuhigten "Central Parks" in der heute stark befahrenen Sonnenstraße. Gleich daneben wartet ein weiteres Projekt auf eine Entscheidung des Stadtrats. An der Herzog-Wilhelm-Straße waren eigentlich Neubauten vorgesehen. Nun soll der Bereich zu einer Ökozone werden. Und schließlich könnten die ewigen Auseinandersetzungen darüber, wie der Max-Joseph-Platz vor der Residenz und der Oper gestaltet wird, ein Ende haben. Viel Stoff also für eine Fortsetzungsausstellung des Planungsreferats.

Die Ausstellung "In aller Öffentlichkeit" ist bis zum 26. März 2023 in der Rathausgalerie am Marienplatz täglich von 13 bis 19 Uhr zu besichtigen. Die Galerie erreicht man über den Innenhof des Rathauses. Der Eintritt ist frei. Das Rahmenprogramm umfasst Veranstaltungen mit Stadtbaurätin Elisabeth Merk sowie Stadtspaziergänge zu einzelnen Projekten. Außerdem werden Führungen durch die Ausstellung angeboten. Schließlich ist für den 8. Februar um 18 Uhr ein Workshop zur Innenstadt vorgesehen. Weitere Informationen unter muenchen.de/publicspace .

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