Süddeutsche Zeitung

Stadtplanung in München:Der Trend geht zum Hochhäuschen

  • An vielen Stellen in der Stadt werden derzeit Türme gebaut oder geplant, jetzt beginnen die Arbeiten für das Projekt Neo in Berg am Laim.
  • Die neuen Hochhäuser sollen vor allem am Stadtrand und in Neubauvierteln architektonische Akzente setzen.
  • Doch wirklich hoch hinaus wagen sich die Bauherren nicht - denn die Bürger hatten 2004 entschieden, dass kein Gebäude höher sein soll als die Türme der Frauenkirche.

Von Alfred Dürr

Der Vorschlag ist spektakulär: Der Chef des Rathauses hat gerade zusammen mit Bau-Fachleuten ein Hochhaus-Projekt vorgestellt, das bis zu 200 Meter aufragen darf. Der Turm mit seiner schlanken und kraftvollen Gestalt soll ein deutliches architektonisches Zeichen für ein Neubauquartier, aber auch für das gesamte Stadtbild setzen. Das eine solche Szene in München spielt, ist heute noch undenkbar. Es ist Hamburg, das nun den mächtigen Elbtower als Abschluss seiner Hafencity plant.

Es ist lange her, seit in München erbittert darüber gestritten wurde, wie weit neue Bauten in den Himmel über der Stadt ragen dürfen. Nach dem Bürgerentscheid von 2004 wurden die beiden Türme der Frauenkirche mit ihren jeweils knapp 100 Metern zum Richtmaß fürs Planen. Der Blick auf Beispiele aus der aktuellen Bauentwicklung zeigt, dass in München nach wie vor kein Übermut nach oben herrscht.

Die vier im Bau befindlichen Bavaria Towers am Vogelweideplatz sind zwar mächtig, aber im Verhältnis zu Projekten in anderen Städten immer noch moderat in der Höhe. Andere Türme wirken als "Alleinstellungsmerkmale" in den Stadtvierteln fast wie abgeschnitten. Und das trotz hoher architektonischer Qualitäten und innovativer Ansätze, die sie im Detail haben mögen. München präsentiert sich als Stadt der Hochhäuschen. Es fehlt das Konzept für herausragende Gebäude, die die Bezeichnung Hochhaus auch verdienen.

Das bedeutet jedoch keinen blinden Höhenwahn. Die das Stadtbild prägendende Silhouette mit ihren typischen Kuppeln und Türmen darf nicht buchstäblich im Schatten von aufschießenden "Vierkantbolzen" stehen, wie der frühere Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD) die Baugiganten abschätzig bezeichnet hat. Der Bürgerentscheid von Ende 2004 hat den Stadtplanern nicht nur stramme Gestaltungsfesseln angelegt. Er hat sie und die Politiker auch sensibilisiert. Man setzt sich heute viel intensiver mit der Frage von Bewahren und Verändern im Erscheinungsbild der Stadt auseinander.

Die kommunalpolitische Debatte um ein Hochhaus am neuen Hauptbahnhof ist ein Beispiel dafür. Die einen sprechen vom monströsen Bauwerk mit giftiger Wirkung auf das Altstadt-Image. München sei dabei, seinen besonderen Charakter zu verlieren. Die Mehrheit im Rathaus sieht aber in dem Projekt die Chance, auch einmal etwas Neues zu wagen und das Stadtbild an dieser Stelle zu modernisieren.

München wird nicht Manhattan

Bleibt man beim soliden baulichen Mittelmaß oder kann nicht auch das ein oder andere architektonische Highlight mit wirklichem Hochhaus-Format die Silhouette bereichern - als zeitgemäßes Gegengewicht zur historisch geprägten Altstadt? München braucht deshalb nicht "Mainhattan" nachzueifern und schon gar nicht Manhattan, braucht nicht das Vorbild von Frankfurt oder New York. Aber die Stadt könnte ein Konzept für eigene Hochhaus-Viertel erarbeiten.

Im Münchner Osten gibt es Ansätze für eine neue Skyline: Das Ensemble am Vogelweideplatz im Zusammenspiel mit dem acht Jahre alten Hochhaus des Süddeutschen Verlags und dem künftigen "Hochpunkt" im Quartier Baumkirchen Mitte. Das gesamte Industriegebiet vom Vogelweideplatz in Richtung Messestadt Riem, das nach dem aktuellen Gewerbeflächenkonzept der Stadt ohnehin langfristig umstrukturiert werden soll, könnte sich zu einem speziellen Hochhaus-Quartier entwickeln.

Gleiches gilt für den Arabellapark. Dort stehen bereits einige dominante Gebäudekomplexe. Das Hypo-Hochhaus (Betz Architekten) wurde gerade mit großem Aufwand nach Plänen des Büros Henn Architekten runderneuert. Die Baywa-Zentrale wurde umgebaut und bekam vier neue Stockwerke (Hild und K Architekten). Eine Erneuerung des jahrzehntealten Arabellaparks - warum nicht mit hohen Hochhäusern?

Allerdings fehlen noch die Investoren mit dem 200-Meter-Mut. Das könnte sich ändern, wenn die Stadt die entsprechenden Turm-Signale gibt.

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SZ vom 13.03.2017/vewo
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