Stadtplanung in der Boom-Region:Alles dicht machen

In München und dem Umland steigen die Mietpreise immer weiter, denn Wohnraum ist knapp - und immer mehr Menschen ziehen in die Boom-Region. Wie die Städte Platz schaffen, wo eigentlich keiner mehr ist.

Katja Riedel

Wenn man wissen wolle, auf welche Grundstücke sich die Investoren als nächstes stürzen werden, dann müsse man sich einfach nur die Liste der Stadtwerke-Immobilien anschauen. Das hat erst kürzlich einer der renommiertesten Münchner Architekten gesagt.

Immobilienprojekt 'Karl Palais' in München, 2011

Luxus-Projekt "Karl Palais' in der Maxvorstadt": Platz schaffen, wo keiner ist.

(Foto: Robert Haas)

Es liegt auf der Hand: 32 Millionen Quadratmeter innerstädtischer Flächen besitzen die Stadtwerke - mitunter in besten Lagen wie dem Glockenbachviertel oder der Maxvorstadt. Dort könnte das stattfinden, was Bürokraten "Nachverdichtung" nennen: Platz schaffen, wo eigentlich keiner mehr ist.

Denn Münchens Umfang kann nicht mehr wachsen - aber die Landeshauptstadt braucht bis zum Jahr 2020, wie Stadtbaurätin Elisabeth Merk vorrechnet, trotzdem 116.000 neue Wohneinheiten, um das Bevölkerungswachstum und den steigenden Raumbedarf pro Kopf aufzufangen. Für 59.000 dieser Wohnungen müsste die Stadt neues Baurecht schaffen.

Die Stadt verdichten können Planer und Architekten auf unterschiedliche Weise: Sie können ehemals gewerblich genutzte Flächen umwidmen, wie es zum Beispiel derzeit in Obersendling auf dem ehemaligen Siemensgelände geschieht. Gleiches gilt für die Parkstadt Schwabing und das Knorrbremse-Gelände im Münchner Norden. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft sieht in einem Gutachten an acht innerstädtischen Gewerbearealen Potential für Wohnraum.

Interessant sind für die Nachverdichtung auch einstige Bundeswehr-Gelände. Auf solchen sind in den vergangenen Jahren 11.000 neue Wohnungen entstanden. Dieses Potential sei nahezu ausgeschöpft, sagt Merk - interessant sei in dieser Hinsicht allein das Bundeswehrverwaltungszentrum an der Dachauer Straße.

Das wäre bei einem Zuschlag für Winterspiele 2018 für den Bau eines Olympischen Dorfes an die Stadt gegangen; ob es jetzt, im Zuge der Umstrukturierung der Bundeswehr, frei wird, soll sich noch in diesem Jahr entscheiden. Die Stadt könnte es dann kaufen, überplanen und Investoren suchen, die Wohnungen bauen. Doch höchstens 2000 Hektar hat München noch an Flächen für den Wohnungsbau.

Umstrukturierungen auch im Umland

Das wohl letzte große Baugebiet am Stadtrand wird Freiham werden: mit Platz für 20.000 Menschen, die in den nächsten 30 Jahren hier leben sollen.

Deshalb müssen andere Lösungen her: In die Höhe bauen will man "wohl eher nicht", wie Stadtbaurätin Merk sagt - auch wenn der Bürgerentscheid von 2004, der Münchens Hochhäuser auf eine Höhe von 100 Metern begrenzte, rechtlich längst nicht mehr bindend wäre.

Als sinnvoll gilt aber, bestehende Ein- und Mehrfamilienhäuser zu erweitern, indem ein oder zwei Geschosse auf das Mauerwerk aufgesattelt werden. Im Auftrag der Landeshauptstadt hat der Lehrstuhl für Integriertes Bauen an der TU München, den Dietrich Fink leitet, dazu mehrere Gebietstypen bestimmt und deren jeweilige Potentiale berechnet: Einfamilienhausgebiete, Wohnsiedlungen aus den 70er Jahren und Innenstadtgebiete. Die Ergebnisse will die Stadt im Februar präsentieren.

Schon jetzt ist klar, dass sie viel Konfliktstoff in sich bergen: In Gegenden wie Feldmoching, Trudering oder Gern beklagen Anwohner bereits heute, dass Einfamilienhäuser durch vielfach größere Mietshäuser ersetzt werden. Sie fürchten um den Charakter ihrer Siedlungen. Trotzdem kann die Stadt den Wandel nicht verhindern. Sie will es auch nicht - schließlich ist man sich des Platzbedarfs bewusst.

Derlei Umstrukturierungen sind nicht nur in der Stadt, sondern auch im Umland zu beobachten. Im Oktober haben die Stadträte von Ebersberg Hausbesitzern im Stadtteil Friedenseiche erlaubt, ihre Häuser um ein Geschoss aufzustocken - ein womöglich uneinheitliches Stadtbild nimmt man bewusst in Kauf.

Fürstenfeldbruck hat seine Flächenpotentiale von einem Planungsbüro errechnen lassen: 3000 Wohneinheiten sind demnach noch möglich in der 35.000-Einwohner-Stadt. Vor allem im Stadtkern, wo 440 zusätzliche Gebäude Platz fänden, und in Einfamilien- und Reihenhaussiedlungen sieht Fürstenfeldbruck Wachstumsmöglichkeiten. Auch in Gewerbegebieten stecken dort noch Möglichkeiten - jedoch kaum mehr am Stadtrand oder in Dorfkernen.

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