Süddeutsche Zeitung

Stadtentwicklung:Der alte Schwung ist hin

Plante man einst den "Canale Grande", krankt die Gestaltung des Neufahrner Marktplatzes heute. Der Ort ist gewachsen, die bedürfnisse haben sich verändert. Doch es fehlen die Ideen.

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Einer der ungewöhnlicheren, aber vielleicht gerade deshalb auch reizvollen Gedanken für das Ortszentrum stammt aus den Siebzigerjahren: Ein ortsansässiger Architekt schlug eine Art Vorplatz vor, durch den sich ein Bach schlängelt. Die Verantwortlichen im Rathaus sprachen augenzwinkernd vom "Canale Grande". Es sollte eine von vielen Überlegungen sein, die im Laufe der Jahre angestellt - und auch wieder verworfen - wurden. Die Bürger dachten bei einer Befragung 1979 freilich vor allem bodenständig: Ergebnis war, dass "ein Marktplatz mit Brunnen am meisten begrüßt würde".

Um die Jahrtausendwende hat sich dieser Wunsch erfüllt. Und außer einem Brunnen haben die Neufahrner mit dem Marktplatz auch zusätzliche Läden und Lokale, Arztpraxen und eine neue Bücherei sowie Wohnungen in zentraler Lage bekommen. Diskussionspunkt ist der Marktplatz trotzdem geblieben. Für großzügig und gelungen halten ihn die einen. Gerade im Sommer und bei Veranstaltungen wie der Maidult ist der Platz ein beliebter Treffpunkt. Als "nackt" und nicht belebt genug empfinden ihn die anderen. Frei werdende Läden lassen sich nicht mehr so leicht vermieten, wie es heißt. Die Konkurrenz "auf der grünen Wiese" und wohl auch im Internet macht den Geschäftsleuten schwer zu schaffen. Der Wochenmarkt ist trotz vieler Bemühungen, auch des Vereins "Marktplatztreff", eine überschaubare Veranstaltung geblieben.

Wieder sind Zukunftskonzepte gefragt, damit weiterentwickelt werden kann, was vor einem halben Jahrhundert seinen Anfang genommen hat. Bereits 1969 hatte die Gemeinde das erste Grundstück für das Ortszentrum gekauft. Es sollten Jahrzehnte vergehen, bis sich am Erscheinungsbild des Areals zwischen katholischer und evangelischer Kirche etwas veränderte. Einstweilen wurde in einer Scheune Obst und Gemüse verkauft, die Fläche davor wurde als Parkplatz und Glascontainer-Standort genutzt, und hinter dem Gebäude haben die Kinder Fußball gespielt.

Unterdessen ist der Ort weiter gewachsen - und mit ihm die Bedürfnisse der Bürger. Lange und kontrovers diskutiert wurde zum Beispiel darüber, ob ein Saal benötigt wird und, wenn ja, wie groß er dann sein sollte. Mit dem Bau des Gymnasiums samt Aula trat die Frage freilich in den Hintergrund - und damit auch die Idee einer "Markthalle": Diese sollte für Händler genauso gut geeignet sein wie für Veranstaltungen - "tagsüber Käseverkauf, abends Kultur", lautete damals das vom Gemeinderat formulierte Motto.

Auch Verkehrsfragen haben Kommunalpolitiker wie Bürger beschäftigt: Eine Verlängerung der Hanns-Braun-Straße zur Bahnhofstraße wurde ebenso vorgeschlagen wie eine Art Tunnel zur Verkehrsberuhigung der am Neufahrner Marktplatz vorbeiführenden Bahnhofstraße - es war der etwas verwegene Gedanke eines einfallsreichen Neufahrners. In den Diskussionen heute spielen andere Verkehrsthemen eine Rolle: Geschäftsleute wie auch Investor Alfred Bock, dem die Gebäude südlich des Marktplatzes gehören, bringen immer wieder eine teilweise Öffnung des Marktplatzes für Autos ins Gespräch. Das würde nach ihrer Überzeugung das Einkaufen dort attraktiver machen. Eine Mehrheit im Gemeinderat lehnt das allerdings ab.

Wirkliche Ideen für neuen Schwung gibt es im Gremium jedoch nicht. Investor Bock bemüht sich unterdessen, leer werdende Läden neu zu vermieten. Er ist überzeugt, dass das künftig immer stärker "in Richtung Dienstleistung" geht. Freilich dürften auch klassische Geschäfte nicht auf gänzlich verlorenem Posten stehen: Manche gibt es schon genau so lange wie den Marktplatz.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2017
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