Süddeutsche Zeitung

Stadtbäche:Planschen, wo es plätschert

Flache Ufer statt spektakuläre Wellen: Nicht in allen Stadtbächen darf man baden, trotzdem tun es viele Münchner. Zum Beispiel an diesen Stellen.

Von Lisa Böttinger

An einem heißen Sonntag lenkt Heike Kainz ihren silbergrauen Mercedes-Zweitürer auf den kleinen Parkplatz in Allach. Sie glaubt kaum, was sie dort und zwischen den hohen Birken hindurch sieht, da unten, am Würmufer. Dort, wo die Allacher früher in ihr Sommerbad sprangen, an heißen Tagen wie diesem.

Der kleine Parkplatz an der Eversbuschstraße nämlich ist gerammelt voll, Fahrradanhänger und Kinderräder stehen auf der Wiese neben dem Beachvolleyball-Feld. Durch den ehemaligen Naßl-Anger fließt jetzt ein naturnaher Seitenarm der Würm, 30 Meter Flachwasserzone, ein Biotop-Bereich, Kieselstrand. Zwischen Liegewiese und Bach liegen flache Steinbrocken. Wer nicht ins Wasser will, kann hier sitzen und dem leisen Plätschern zuhören.

Die Stadt hat das Areal schon im Jahr 2016 angelegt, in diesem Sommer können es die Allacher zum ersten Mal nutzen. "Die Schließung des Sommerbades grämt die Leute aber noch immer", sagt Kainz. Als CSU-Stadträtin und Vorsitzende des Bezirksausschusses Allach-Untermenzing bekommt sie noch immer vereinzelt Bürgeranträge, die für eine Wiedereröffnung des Bades plädieren.

Wie Heike Kainz erfrischen sich viele Münchner gern abseits von Isar oder Eisbach, wo sich im Sommer die Massen tummeln. Sie schätzen die kleinen Buchten und flachen Ufer ihrer Stadtbäche, weitab von spektakulären Surfer-Wellen - und trotzdem oft nur wenige Meter von der nächsten Bushaltestelle entfernt.

Wie zum Beispiel im Pasinger Stadtpark. Kurz hinter einer Abzweigung des Hugo-Fey-Weges sitzt Stefanie Busse auf einem Handtuch am Ufer. Die Münchnerin ist mit ihrer fünfjährigen Tochter zum Baden gekommen. "Die beste Alternative zum Springbrunnen vor den Pasing Arkaden", sagt sie und lacht. Eine Bachschlinge der Würm umfließt hier eine kleine Insel mit knorrigen Baumstämmen und viel Grün, ringsherum geht es besonders flach ins Wasser. Familien haben es sich mit Decken und Kühltaschen gemütlich gemacht.

Durch den gemächlich fließenden Bach tapsen Kleinkinder an der Hand ihrer Eltern, den etwas wilderen Arm der Würm bändigen einige Schulkinder mit einem improvisierten Staudamm. Auch dort ist das Wasser nur knietief. "Hier ist es sauber und vor allem den ganzen Tag schattig", sagt ein junges Paar, das mit seinem Einjährigen durchs Wasser watet. Unter den Baumwipfeln lässt es sich auch an heißen Wochenenden entspannt den ganzen Tag aushalten.

Sauber sei der Fluss tatsächlich, heißt es beim städtischen Umweltreferat. Allerdings weist die Behörde auch auf das Badeverbot hin, das in der gesamten Würm im Stadtbereich gilt. Zwar solle die Verordnung in diesem Jahr novelliert werden. Dass solche idyllischen Stellen wie die im Pasinger Stadtpark offiziell zum Baden freigegeben werden, darauf will man dort aber keine Hoffnung machen.

"Naturbäche sind immer gefährlich", sagt auch Michael Förster von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Badende würden vor allem die starke Strömung, kalte Wassertemperaturen und das Verletzungsrisiko durch Steine oder Einbauten im Wasser unterschätzen. Auch wer nur barfuß im Bach spaziert, müsse sich dieser Gefahren bewusst sein. Dem DLRG-Sprecher fällt nur eine einzige Stelle ein, die er als "harmloses Wasser" bezeichnet: Hinter dem Maria-Hilf-Platz auf Höhe der Sammtstraße, wo der Kegelhofbach vom Auer Mühlbach abzweigt.

Den Spielplatz am neuen Würm-Arm in Allach hat die Stadt aus Sicherheitsgründen umzäunen lassen. Auch direkt am Bach gibt es Holzgatter, nur die Flachwasserzone ist zugänglich. "Gewünscht hätten wir uns ein zweites Maria Einsiedel", sagt Heike Kainz, die Stadträtin aus Allach-Untermenzing. Doch dazu hätte das Sommerbad nicht nur kostspielig renoviert, sondern auch ständig beaufsichtigt werden müssen. Stattdessen schloss es 2009 endgültig.

Ein Naturbad mit Zugang zum Bach gibt es zum Glück dennoch: In Thalkirchen fließt auf fast 400 Metern Länge der Floßländkanal durch das Freibad Maria Einsiedel. Hier sein Handtuch auszurollen, kostet zwar Eintritt - für die 4,30 Euro, die man zahlen muss, können Badegäste aber zusätzlich zwischen einem biologisch gereinigten Schwimmer-, Nichtschwimmer- und Planschbecken wählen.

Wer lieber ohne Freibadkarte ins Wasser springt, findet meistens auch in der Schwabinger Bucht noch ein Plätzchen. Die Schlinge des Schwabinger Bachs fließt im Nordteil des Englischen Gartens, weit weg sind hier die Studenten und Partytouristen vom Eisbach. An einem lauen Samstagvormittag lassen zwei Abiturientinnen nach dem Joggen ihre Füße ins Wasser baumeln. "Ganz drin waren wir schon", lacht die eine und zeigt auf das klare Wasser, das an dieser Stelle in eine kleine Bucht mündet.

Kinder faulenzen am breiten Ufer und lassen sich johlend ins flache Wasser plumpsen. Erst am frühen Nachmittag ziehen auch hier einige Studenten einen Bollerwagen mit Bier und Klappstühlen über einen der Schotterwege. Die Musik dröhnt, einer filmt die Szene mit dem Handy. Sehen und gesehen werden - ein bisschen gilt das eben auch hier, im Nordteil des Englischen Gartens.

Als Ruheoase kommt wohl nur der Hachinger Bach in Altperlach infrage, zumindest wenn gerade kein Faschings-, Mai- oder Weinfest am Pfanzeltplatz stattfindet. Von Kastanien gesäumt fließt er schnurgerade über den ehemaligen Dorfplatz, umgeben von Wiesen und Sitzbänken, vor denen sich an Sommernachmittagen Kinderschuhe aneinanderreihen. Aber die kühle Strömung verleitet auch immer wieder Erwachsene zu einem spontanen Bad. So wie Apollonia Metnitz.

Die 56-Jährige verlässt ihren Perlacher Garten gerne an kalten Wintermorgen durch ein eisernes Törchen, dann steht sie am Hachinger Bach. Dort nimmt sie ihr morgendliches Kneipp-Bad. "Die Nachbarn haben sich schon gewundert, was ich da in Badelatschen und Daunenmantel mache", sagt sie und grinst.

Staunen, das kann auch Heike Kainz. Kinderlachen. Wasserplätschern. Picknickgeklapper. Ein bisschen klingt es an ihrer Würm-Stelle heute wie damals, als sie mit ihren beiden kleinen Töchtern zum Baden ins Allacher Sommerbad kam. "Das war ein Treffpunkt für alle", sagt die 60-Jährige, die Haut um ihre hellblauen Augen zittert ein wenig.

Dann strömt eine Horde Fünftklässler an ihr vorbei, runter zur Liegewiese. "Jungs!" ruft die Lehrerin noch, doch da stehen die Schüler schon im flachen Wasser. Kainz fragt, wie der neue Bach denn ankomme bei den jungen Leuten. Morgen, sagt die Lehrerin, wolle sie wiederkommen, dann mit der ganzen Klasse.

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SZ vom 09.06.2017/amm
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