Stadt zahlt Verhütungsmittel:Jede soll verhüten dürfen

Tabletten

Pille, Spirale und Hormonstäbchen können bei Geringverdienerinnen in München bezuschusst werden.

(Foto: Emily Wabitsch/dpa)

Wenn das Einkommen gering ist, bleibt kaum Geld für Verhütungsmittel übrig. Damit Frauen dennoch ihre Familienplanung selbst bestimmen können, zahlt die Stadt München Hartz-IV- und Sozialhilfe-Empfängerinnen Pillen, Hormonstäbchen oder Spiralen.

Von Sven Loerzer

Weil der Freistaat bei Frauen mit geringem Einkommen nur die Kosten für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch übernimmt, nicht aber die für Verhütungsmittel, springt nun wieder die Stadt ein. Die Beratungsstelle Pro Familia erhält in diesem Jahr insgesamt 43.000 Euro vom Gesundheitsreferat, um Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe leben, Empfängnisverhütung zu ermöglichen. Denn aus dem monatlichen Hartz-IV-Regelsatz von 391 Euro ist dies kaum finanzierbar.

Immer wieder berichten Frauen bei Pro Familia, die über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken, dass ihnen das Geld nicht für die Antibabypille, eine Kupferspirale oder Hormonstäbchen reichte. Bis zu 18 Euro kostet nach Angaben von Pro Familia die Pille monatlich, für die Spirale fallen 250 bis 350 Euro Ausgaben an. Und wer Hormonstäbchen, die unter der Haut eingesetzt werden, zur längerfristigen Verhütung wählen will, muss mit Kosten in Höhe von 300 bis 350 Euro rechnen. Eine Sterilisation käme sogar noch teurer.

Ein Abbruch wird bezahlt, die Pille nicht

Die Gesundheitsreform von 2004 brachte Frauen mit geringem Einkommen in die missliche Lage, sich Verhütung von dem wenigen Geld absparen zu müssen. Denn bis Ende 2003 durfte das Sozialamt noch die Kosten für Verhütungsmittel übernehmen. Doch seit Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes ist die Kostenübernahme für ärztlich verordnete Verhütungsmittel nicht mehr möglich. Kommt es allerdings zum Schwangerschaftsabbruch, trägt der Freistaat die Kosten für die Abtreibung, etwa 500 Euro.

Pro Familia fordert bereits seit langem, das Grundrecht auf eine selbstbestimmte Familienplanung wieder herzustellen. Unabhängig vom Einkommen müssten alle Menschen Zugang zu möglichst sicheren Verhütungsmethoden haben. Mit einem Ärztinnenprojekt versucht Pro Familia München, wenigstens in Härtefällen zu helfen. Oft sind es Frauen, die bereits mehrere Kinder haben, die in der Beratungsstelle Hilfe suchen. Bislang erhielt Pro Familia einen städtischen Zuschuss von 10.000 Euro jährlich, dazu kamen Stiftungsmittel in Höhe von 15.000 Euro. Etwa 250 Frauen jährlich konnte Pro Familia auf diese Weise zu einer sicheren Verhütung verhelfen.

Zuschuss von der Stadt

Weil in diesem Jahr keine Stiftungsmittel mehr zur Verfügung stehen und der Bedarf gestiegen ist, hat der Gesundheitsausschuss des Stadtrats die Zuschüsse für Verhütungsmittel auf insgesamt 43.000 Euro aufgestockt. Das Stadtratsplenum hat den Beschluss bestätigt. Michaela Kleber, Geschäftsführerin von Pro Familia München, freut sich darüber sehr: "Damit ist das Projekt für 2014 gesichert." Sie hofft aber auch, dass "Pro Familia mit der politischen Arbeit auf Bundesebene bald Erfolg hat". Alle Menschen sollten "selbst entscheiden können, wie viele Kinder sie haben möchten und zu welchem Zeitpunkt, unabhängig von ihrem Einkommen".

Derzeit hänge der Zugang zu kostenloser Verhütung bundesweit aber davon ab, wo eine Frau wohnt, weil es regional sehr unterschiedliche Modelle der Kostenübernahme gebe. Pro Familia fordert deshalb eine bundeseinheitliche Regelung. Auch die Landeshauptstadt München setzt sich auf Antrag der Rathaus-Grünen über den Deutschen Städtetag für eine solche Lösung des Problems ein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: