Süddeutsche Zeitung

München-Modell:Soll die Stadt noch Wohneigentum fördern?

  • Mit dem "München-Modell" fördert die Stadt Eigentumswohnungen.
  • Ist dieses Modell eine angemessene Förderung der Münchner Mittelschicht? Muss man es vielleicht reformieren? Über diese Fragen entbrennt eine politische Debatte.
  • Die SPD würde lieber noch stärker den Mietwohnungsbau stützen. Die CSU hingegen hält an der Idee fest.

Von Sebastian Krass

Zum Beispiel eine junge Familie: Mutter, Vater, zwei Kinder. Die Eltern arbeiten erst einmal eine Weile in Teilzeit, auch weil sie es sich leisten können, zusammen kommen sie immerhin noch auf 90 000 Euro brutto im Jahr. Münchner Mittelschicht, könnte man sagen, je nach Perspektive vielleicht etwas gehobene Mittelschicht. Wenn diese Familie eine Wohnung bauen will, in einer Baugemeinschaft im Neubaugebiet Freiham zum Beispiel, und wenn sie mit etwas Glück ins Kontingent des städtischen Förderprogramms München-Modell Eigentum rutscht, dann kann sie mit mehr als 100 000 Euro Zuschuss für den Grundstückspreis rechnen. Unter der Bedingung, dass sie die Wohnung mindestens 30 Jahre lang behalten und selbst dort wohnen. Und wenn sie zwei Jahre später wieder in Vollzeit arbeiten oder befördert wurden, 130 000 Euro verdienen und plötzlich jenseits aller Fördergrenzen liegen - dann ist das schön für sie: Die städtische Subvention bleibt ihnen erhalten.

Ist dieses Modell eine angemessene Förderung der Münchner Mittelschicht? Muss man es vielleicht reformieren? Oder unterstützt die Stadt mit Millionensummen einen Teil der Bevölkerung, der es viel weniger braucht als andere? Über diese Fragen entbrennt eine politische Debatte. Sie speist sich daraus, dass die Grundstücke in München ständig wertvoller werden und damit die von der Stadt gezahlten Beihilfen steigen. Die Rathaus-SPD stellt das Modell insgesamt in Frage: "Ich bin skeptisch, ob wir in Zukunft überhaupt noch Wohneigentum fördern sollten", sagt die planungspolitische Sprecherin Heide Rieke. Damit stärke die Allgemeinheit das Privatvermögen einzelner. Lieber würde die SPD noch stärker den Mietwohnungsbau stützen. Die CSU hingegen hält an der Idee fest: "Wir wollen es auch fördern, wenn Menschen mit mittlerem Einkommen Eigentum in dieser Stadt schaffen wollen", sagt ihr stellvertretender Planungssprecher Hans Podiuk.

Auslöser der aktuellen Diskussion ist die teils gescheiterte Ausschreibung von städtischen Grundstücken für Baugemeinschaften im Neubaugebiet Freiham Ende des vergangenen Jahres. Baugemeinschaften stehen wie Genossenschaften für Bauen und Wohnen in Eigenregie, "sie bereichern das soziale Gefüge in einem Quartier", sagt Grünen-Stadtrat Herbert Danner. Die Stadt hat sich deshalb verpflichtet, in neuen Quartieren 20 bis 40 Prozent der Flächen für diese Wohnformen einzuplanen. 170 Baugemeinschafts-Wohnungen waren auf fünf Grundstücken in Freiham vorgesehen. 32 Wohnungen sollten im Rahmen des Programms München-Modell Eigentum vergeben werden. Diese Förderung hätte die Stadt 7,7 Millionen Euro gekostet - weil sie ja die Grundstücke billiger hergegeben hätte. Es gingen allerdings nur zwei Baufelder weg, für die anderen drei gab es keine Interessenten. Der Grund: Die Grundstücke waren ihnen zu teuer.

Der Verkehrswert war vom unabhängigen Gutachterausschuss auf 3125 bis 3200 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche festgelegt worden. Für frei finanzierte Wohnungen muss die Stadt zu diesem Preis verkaufen. Eine 100-Quadratmeter-Wohnung liegt dann - zusammen mit den Baukosten - bei etwa 800 000 Euro. Billiger darf die Stadt die Grundstücke nur verkaufen, wenn sie daran Bedingungen knüpft, wie etwa im München-Modell Eigentum.

Die Einkommensgrenzen dafür und die zu zahlenden Preise wurden zuletzt Ende 2016 festgelegt. Seitdem sind die Verkehrswerte weiter rasant gestiegen, und damit auch der Zuschuss - denn die Stadt übernimmt die Differenz zwischen Verkehrswert und gefördertem Kaufpreis. Bei den fünf Grundstücken für Baugemeinschaften waren 15 Prozent für das München-Modell Eigentum vorgesehen, 85 Prozent hingegen für frei finanzierte Wohnungen. Würde der München-Modell-Anteil erhöht, würden die Grundstücke für die Käufer billiger, für die Stadt die Verluste höher. Angesichts der skeptischen SPD dürfte sich im Stadtrat dafür kaum eine politische Mehrheit finden.

"Das Kunststück ist, dass die Wohnungen trotzdem bezahlbar bleiben für die Klientel"

Um zu überlegen, wie man das Konzept der Baugemeinschaften retten könnte, gab es Anfang Januar einen ersten Workshop mit Vertretern von Baugemeinschaften, Stadtrat und Verwaltung. "Eine Möglichkeit wäre, den Subventionsvorteil zu reduzieren", sagt ein Sprecher des Planungsreferats. "Das Kunststück ist, dass die Wohnungen trotzdem bezahlbar bleiben für die Klientel", man prüfe "verschiedene Ansätze". Ins Detail gehen will er nicht.

Als Idee kursiert, dass die Förderung als zunächst zins- und tilgungsfreier Kredit ausgezahlt wird. Sollten die jeweiligen Familien später über die Einkommensgrenzen kommen, dann würde die Stadt sich zurückziehen, und die Menschen müssten selbst einspringen. Stadtrat Michael Mattar (FDP) findet solche Überlegungen charmant: "Dann würde ein Teil des Geldes an die Stadt zurückfließen." Bei anderen Fördermodellen werde die Entwicklung des Einkommens schließlich auch regelmäßig überprüft. CSU-Stadtrat Podiuk hingegen ist skeptisch, ob sich die dafür nötige zusätzliche Bürokratie tatsächlich rentiere.

An diesem Freitag gibt es ein weiteres Treffen zwischen Verwaltung und Vertretern von Baugemeinschaften. Bald danach, so auch der Wunsch der Politik, soll das Planungsreferat Vorschläge präsentieren, wie man die städtischen Grundstücke in Freiham attraktiver für Baugemeinschaften machen kann. Denn dass die Flächen brach liegen, weil sie zu teuer sind, das will keiner.

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SZ vom 01.02.2019/smb
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