Was für eine musikalische Pracht. Wolfgang Katschner dirigiert die Staatsphilharmonie Nürnberg, als hätte diese nie etwas anderes gemacht, als Barockmusik zu spielen. Gut, er hat sich eine Handvoll Spezialisten mitgebracht, die sitzen unter anderem an Cembalo, Hammerklavier und Theorbe, aber der ganze Apparat ist aufgekratzt, entwickelt die perfekte Agogik für diese Musik, die schon Mitte des 18. Jahrhunderts vieles war, nur nicht mehr Avantgarde. Aber der Komponistin, Maria Antonia Walpurgis, fielen viele schöne Melodien, zweieinhalb herausragende Arien, fantasievolle Accompagnati ein. Für Dramaturgie hatte sie bedeutend weniger Gespür. Zwar prunken die Rezitative mit dem Einfallsreichtum der Instrumentalisten. Aber ein Opernkrimi wird aus "Talestri" am Staatstheater Nürnberg dennoch nicht.
Maria Antonia Walpurgis muss eine sehr außergewöhnliche Frau gewesen sein. Sie war die Tochter des bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht, der später Kaiser wurde; sie heiratete den sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian, der bald nach der Thronbesteigung starb, woraufhin sie in Vormundschaft des minderjährigen Sohns die Regierungsgeschäfte führte. Eigentlich hatte sie schon zuvor regiert. Und komponiert. Und gesungen. Und Opern geschrieben. 1760 wurde in Nymphenburg ihre Oper "Talestri - Regina delle Amazzoni" aufgeführt. Vor einem Jahr holte die Kammeroper München sie an den Ort der Uraufführung zurück, es gab noch weitere Inszenierungen, nun eben Nürnberg.
In Ilaria Lanzinos Inszenierung fasziniert vor allem die Antagonie von Talestri
Die Handlung ist typisch Hochbarock: Talestri soll Königin der Amazonen werden, zögert aber, denn sie liebte, so vertraut sie ihrer Schwester Antiope an, Oronte, Prinz der verfeindeten Skythen, der sich unter die Amazonen schlich, ohne dass die ihn entlarvten. Kenner der Barockoper ahnen, was jetzt kommt. Oberpriesterin Tomiri will Orontes Tod, der entpuppt sich als deren Sohn, entstanden als Folge einer Vergewaltigung, Orontes Freund Learco verliebt sich derweil in Antiope, sie in ihn, und irgendwann ist die Oper aus, aber nicht zu Ende.
In Ilaria Lanzinos Inszenierung fasziniert vor allem die Antagonie von Talestri, Julia Grüter, und Tomiri, Eleonore Marguerre; die eine singt in betörender, tief anrührender Reinheit, die andere verkörpert das dramatische Prinzip mit delikatem Vibrato. Die beiden und die Musik, das ist toll, während Lanzino sich ansonsten verzettelt, eine Tanztruppe mit semantisch aufgeladenen, übererklärenden Gesten etabliert, die Rezitative deutsch singen lässt, was nicht immer poetisches Entzücken, oft aber sprachslapstickhafte Kontraste zum Geschehen erschafft, das bei allem Bemühen seltsam heiter und unendlich weit entrückt wirkt.