Opernpremiere:Wunderbar belebt, nie überdreht

Opernpremiere: Als verführerischer Vamp dominiert Violetta (Jihyun Cecilia Lee, Mitte) das Pariser Nachtleben.

Als verführerischer Vamp dominiert Violetta (Jihyun Cecilia Lee, Mitte) das Pariser Nachtleben.

(Foto: Jan-Pieter Fuhr/Staatstheater Augsburg)

Die Dänin Eva-Maria Melbye inszeniert Verdis "La Traviata" im Interimsquartier des Staatstheaters Augsburg.

Von Andreas Pernpeintner, Augsburg

Eine lebendige Inszenierung zu erschaffen, ist im Martini-Park-Interimsquartier des Staatstheaters Augsburg mit seiner reduzierten Bühnentechnik eine Herausforderung. Für Verdis "La traviata" löst Regisseurin Eva-Maria Melbye das Problem mit fahrbaren Wandsegmenten, aus denen große, runde Öffnungen herausgeschnitten sind. Diese Segmente sorgen in der Ballszene mit kühler Architektur für Eleganz, sind Schaufenster für die Nachtclubszenerie zum Finale des zweiten Akts, Krankenzimmer für Violetta. Ob sie locker verteilt stehen oder als Wand im Bühnenvordergrund und damit durch die Öffnungen Durchblicke ermöglichen, sie suggerieren stets eine Tiefe, die der Bühnenraum eigentlich gar nicht hat, und eröffnen so Spielräume für das Ensemble.

Chor und Statisterie des Staatstheaters nutzen sie vorzüglich. Die Massenszenen sind wunderbar belebt, dennoch nie überdreht; der Chor singt dabei fein austariert. Die musikalische Qualität ist für diese Premiere prägend. Im Martini-Park gibt es keinen Orchestergraben. Man hat beste Sicht auf das vor der Bühne postierte Orchester. So lässt sich beobachten, mit welcher Liebe für Details Generalmusikdirektor Domonkos Héja die perfekt vorbereiteten Augsburger Philharmoniker dirigiert, kleine, durchaus prägnante Effekte integriert, ohne damit jedoch den in den Tempi wohlproportionierten Fluss der Musik zu hemmen.

Generalmusikdirektor Domonkos Héja und die grandiose Violetta-Sängerin Jihyun Cecilia Lee sind das zentrale Paar dieser Aufführung

Folgerichtig, dass er und die grandiose Violetta-Sängerin Jihyun Cecilia Lee am Ende derart großen Applaus bekommen; auf gewisse Weise sind sie das zentrale Paar dieser Aufführung. Mit welchem Impetus Lee ihre Rolle interpretiert, stimmlich auftrumpft, wenn Violetta als verführerischer Vamp das Pariser Nachtleben dominiert, verzweifelt, als ihr Giorgio Germont die Liebe zu seinem Sohn Alfredo ausreden will, ist hinreißend. Überzeugend dabei auch, dass die Konfrontation von Germont (Alejandro Marco-Buhrmester, der herb beginnt, aber auch zugewandte Wärme in der Stimme hat) und unerwünschter Schwiegertochter in dieser Inszenierung wirkliche Konfrontation ist - zumindest soweit das im Rahmen eines in seinem Verlauf zunehmend homogen komponierten Duetts möglich ist.

Die männliche Hauptrolle freilich ist die des Alfredo. Vor Beginn wird man darauf eingestimmt, dass Tenor Jacques le Roux gesundheitlich angeschlagen in die Partie geht. Zu erleben gibt es daraufhin zwei Facetten sängerischer Könnerschaft: zum einen jene Passagen, besonders nach der Pause, in denen Roux' Disposition fast uneingeschränkt wirkt, sein sehr voller Tenor trägt und einhergeht mit zupackender Bühnenpräsenz. Zum anderen sind da die Momente, in denen die Erkältung Tribut fordert. Wie Roux hier ins Laute oder ins Falsett ausweicht oder oktaviert, um der Stimme ihren Sitz zu bewahren, mitunter so geschickt, dass es interpretatorisch gewollt sein könnte, wüsste man nicht um die Notwendigkeit - diese ehrliche Musizierpraxis ist nicht minder beeindruckend.

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