Siegfried Schneider:Auf Augenhöhe hinuntergestiegen

Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider ist unauffällig und zurückhaltend. Doch mit viel diplomatischem Geschick hat er die Chancen Münchens auf die Olympischen Winterspiele gewahrt.

Mike Szymanski

Man merkt Siegfried Schneider richtig an, wie gut ihm jedes lobende Wort in den vergangenen Tagen getan hat. Der Chef der Bayerischen Staatskanzlei ist wieder deutlich gesprächiger geworden. Und bei der Klausur seiner Fraktion im fränkischen Kloster Banz huschte dieser CSU-Politiker auch nicht mehr so geduckt durch die Gänge, wie man ihn in diesem Sommer schon einige Male hatte beobachten können.

Siegfried Schneider

Das Lob für die Olympia-Verhandlungen tut ihm sichtlich gut: Siegfried Schneider, Chef der Bayerischen Statskanzlei.

(Foto: ddp)

Natürlich schauen Politiker unter einander immer ganz genau hin. Wer hat einen guten Lauf? Und wer nicht? Staatskanzleichef Schneider war in diesem Sommer eindeutig derjenige, für den viele in der CSU nur noch Mitleid übrig hatten. Die parteipolitisch motivierten Meinungsumfragen der Staatskanzlei, die Tipps enthalten, wie die CSU die FDP wieder los wird, waren über seinen Schreibtisch gelaufen. Erste Rücktrittsforderungen waren laut geworden. Und zur gleichen Zeit wurde ausgerechnet Schneider von Ministerpräsident Horst Seehofer beauftragt, wieder Bewegung in die festgefahrenen Grundstücksverhandlungen für die Olympia-Bewerbung in Garmisch-Partenkirchen zu bringen. Da dachten viele: Auch das noch!

Aber dem 54-Jährigen ist geglückt, was anderen zuvor nicht gelang. Er ist mit den Garmischer Bauern und den Vereinsvorsitzenden - allesamt Männer mit ausgeprägtem Stolz - wieder ins Gespräch gekommen. Stundenlang haben sie verhandelt. Zwischenzeitlich hatte Schneider sogar im Pentagon in Washington vorgesprochen und ausgelotet, ob er vom US-Militär genutzte Flächen einplanen könne. Jetzt steht ein Kompromiss, der Münchens Chancen für die Olympia-Bewerbung 2018 erhält.

Die Olympiabauten fallen kleiner aus, die Eingriffe in die Natur auch. Eine Vernunftlösung, und das ist viel, weil es wirklich nicht mehr gut aussah für die Bewerbung. Selbst vom politischen Gegner kommt Lob: "Schneider hat das sehr gut gemacht", sagte hinterher Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD).

Im Nachhinein stellt sich heraus, dass Schneider genau der richtige Mann für Seehofers Olympia-Mission ist. Von Verhandlungsführern, die sich für die Größten hielten und eine ganz schöne Arroganz an den Tag legten, hatten die Garmischer genug erlebt. Mit Schneider kam ein Mann aus der zweiten Reihe zu ihnen.

In der Staatskanzlei beschreiben Mitarbeiter Schneider als einen verbindlichen, freundlichen Chef. Einer, der sich im Maschinenraum der Macht besser zurechtfindet als auf der Kommandobrücke. So kam er auch bei den Grundstückseigentümern in Garmisch an. "Wir hatten nicht den Eindruck, da sitzt einer am Tisch, der in seiner Staatskanzlei schwebt", sagt Thomas Grasegger, der die Kompromisslösung mit ausgehandelt hat. "Was er sagt, dass meint er auch ehrlich." Und auch Josef Glatz, Chef der Garmischer Weidegenossenschaft, die lange Widerstand leistete, sagt Versöhnliches: "Jetzt schauen wir einmal, wie wir Minister Schneider helfen können, dass er die Grundstücke zusammenbringt."

Fragt man Schneider, wie es ihm gelungen ist, die Stimmung zu drehen, dann erklärt er: "Es ging ja nicht um renitente Bauern, sondern um berechtigte Interessen. Wenn man von jemanden etwas will, muss man auf Augenhöhe verhandeln."

"Seehofer vertraut ihm"

Die Zurückhaltung, die ihm bei den Bauern zum Erfolg verhalf, ist im Alltag Schneiders Problem. Er hat nicht die politische Wasserverdrängung, um es bis ganz nach oben zu schaffen. Schneider gehört zur Gruppe der "94er" in der CSU. Das ist eine Anspielung auf das Jahr, in dem er in den Landtag gewählt wurde. Mit ihm zogen damals unter anderem Joachim Herrmann (heute Innenminister), Markus Söder (Gesundheitsminister) und Helmut Brunner (Landwirtschaftsminister) ins Maximilianeum ein.

Sie wollten rasch Karriere in der Politik machen. Als Vorbild hatten sie sich den legendären 74er-Jahrgang der CSU genommen, der - angeführt von Alt-Ministerpräsident Edmund Stoiber - an die Schalthebel der Macht gerückt war. Schneider gehört zu den ersten aus der 94er-Gruppe, die den Höhepunkt ihrer Laufbahn schon wieder hinter sich haben. Als die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier 2005 wegen ihrer Verstrickung in die Affäre um gekaufte Mitglieder in der Münchner CSU vom Amt der Kultusministerin zurücktreten musste, rückte Schneider an ihre Stelle. Aber er bestand die Bewährungsprobe nicht.

Er schaffte es nicht, den Ärger, den die überstürzte Einführung des achtjährigen Gymnasiums bei Lehrer, Schülern und Eltern ausgelöst hatte, in den Griff zu bekommen. Ihm gelang es auch nicht wirklich, in seiner Amtszeit den dramatischen Lehrermangel zu beheben. Klagen über Unterrichtsausfall wurden immer lauter. Die herben Probleme in der Bildungspolitik gelten als ein Grund, warum die CSU bei den Landtagswahlen so brutal abstürzte und die absolute Mehrheit verlor. Schneider musste sein Amt an Parteifreund Ludwig Spaenle abgeben - auch ein "94er" im Übrigen.

Aber Schneider hatte in jenen turbulenten Monaten den richtigen Instinkt. Er schlug sich rechtzeitig auf die Seite von Horst Seehofer und führte die Gruppe derer an, die Seehofer als Parteichef und Ministerpräsident sehen wollten. Als Chef der mächtigen Oberbayern-CSU hatte sein Wort Gewicht. Und Seehofer zeigte sich erkenntlich und berief Schneider zum Chef der Staatskanzlei. "Seehofer vertraut ihm", sagt einer aus dem Umfeld der Staatskanzlei.

Als Staatskanzlei-Chef hat Schneider seinem Chef Seehofer aber auch nicht nur Freude bereitet. Es war ja seine Machtzentrale, die 2008 jene problematischen Umfragen in Auftrag gegeben hatte, die der CSU den Tipp gaben, den Koalitionspartner FDP zu attackieren. Die Staatskanzlei hatte einfach noch mal so getan, als würde man noch immer allein regieren. Und Schneider verheimlichte die Studien vor der FDP, anstatt den Sachverhalt gemeinsam mit ihr aufzuklären. Er unterschätzte auch den politischen Schaden und war verblüfft, als die FDP indirekt seinen Kopf forderte.

Seehofer musste Schneider rettend zur Seite springen: "Wenn die FDP personelle Konsequenzen will, dann soll sie sich an mich wenden", sagte er. Aber das traute sich die FDP dann doch nicht. Schneider musste sich nicht einmal öffentlich entschuldigen. Aber dafür steht er jetzt bei Seehofer tief in der Schuld.

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