Das Wetter ist immer ein Thema auf der grünen Insel. Über Sonne freut man sich dort, Regen nimmt man gleichmütig hin, weil man eh nichts daran ändern kann. Diese meteorologische Tatsache begünstigt das Pflanzenwachstum in Irland, weshalb das viele Gras tatsächlich grüner ist als hier, außerdem fördert es die bodenständige Gelassenheit der Iren. So wussten am Sonntag die Teilnehmer der Parade zum „Saint Patrick’s Day“ sich gut zu schützen gegen das Nass aus dem bayerischen Himmel und ließen sich ihren Spaß davon nicht verderben. Regencapes, Mützen und Hüte, manche in dunklem Braun wie das Guinness aus Dublin oder grün wie ein Kleeblatt, waren überall zu sehen.
Wie schon in den Jahren zuvor zieht die Parade mittags pünktlich ab 12 Uhr von der Münchner Freiheit über Leopold- und Ludwigstraße Richtung Odeonsplatz. Gut 70 Gruppen sind dabei – bayerische Vertreter wie der Spielmannszug Unterhaching oder die Besatzung eines Augustiner-Prachtgespanns, einige Musiker in Kilts oder Fellumhängen und Schnabelstiefeln, Tänzerinnen wie die Emerald Dancers oder die Celtic Colleens des Theresia-Gerhardinger-Gymnasiums.
Allerdings ist die Zahl der Teilnehmer an der Parade und der Zuschauer am Straßenrand heuer nicht so hoch wie im vergangenen Jahr. 2024 war die Veranstaltung zu Ehren des irischen Nationalheiligen tatsächlich auf den irischen Nationalfeiertag am 17. März gefallen. Von 50 000 Menschen war 2024 die Rede, dieses Mal sind nach Polizeiangaben lediglich 15 000 dabei.


Vielleicht liegt es doch am nasskalten Wetter, dass einige Inselfreunde lieber zu Hause bei einer Tasse Tee bleiben. Oder überwiegen die Bedenken, derzeit an einer Veranstaltung dieser Größenordnung teilzunehmen? Der Schock nach dem Anschlag auf eine Demonstration in der Münchner Innenstadt, bei dem zwei Menschen ums Leben gekommen sind, ist nicht verklungen. Abgesehen von den Pilgerzügen der Fußballfans in Richtung Fröttmaninger Arena ist die Sankt-Patrick-Parade die erste öffentliche Großveranstaltung seither. Die Stimmung ist fröhlich, aber ausgelassen geht anders. Die Veranstalter sind froh, dass, anders als der Faschingszug in diesem Jahr, das irische Fest nicht abgesagt worden ist.
Zwei Männer aus dem Spessart, die mit ihren Hunden am Straßenrand stehen, haben weder die Wettervorhersagen noch Sicherheitsüberlegungen davon abhalten können, nach München zu kommen. Seit 15 Jahren seien sie regelmäßig dabei, erzählen sie. Weil es ihnen Freude mache, die gute Stimmung hier mitzuerleben. Auf dem Kopf des einen wankt ein Schaumstoffhut, auf dem „Let’s get together“, lass uns zusammenkommen, zu lesen ist.
Diesen Slogan haben sich die Männer zu ihrem Motto gemacht. Sie fühlen sich gut aufgehoben. Für Entspannung sorgen zweifellos die vielen Security-Leute in ihren gelben Westen, die neben den Musik- und Tanzgruppen laufen. Sie sind von den Veranstaltern beauftragt, die Augen offenzuhalten. Ein Mann mit halb leerer Whiskey-Flasche etwa wird freundlich, aber bestimmt davon abgehalten, sich den Musikern zu nähern.
Auch die Polizei zeigt Präsenz. Die meisten Seitenstraßen sind durch ihre Minibusse oder Autos blockiert. Die Kreuzung an der Von-der-Tann-Straße und die Brienner Straße hat man bis zum Ende der Veranstaltung am frühen Abend ganz gesperrt. Die Sicherheitsmaßnahmen seien der Weltlage angepasst, erklärt eine Sprecherin der Polizei. „Sie sind anhaltend auf hohem Niveau.“


Als um kurz vor 13 Uhr das Martinshorn aufheult und ein Sanitätswagen vom Odeonsplatz Richtung Schellingstraße fährt, stockt manchen dann doch der Atem. Eine Musikantin des Ebersberger Spielmannszuges gibt später zu, etwas unsicher geworden zu sein. Feuerwehr und Polizeifahrzeuge fahren in hohem Tempo zum Einsatzort gegenüber der Staatsbibliothek.
Schnell und professionell wird die Stelle gesichert und für Schaulustige abgeschirmt, die Parade auf die andere Straßenseite umgeleitet. Eine 62 Jahre alte Frau war bewusstlos zusammengebrochen. Sie musste reanimiert und ins Krankenhaus gebracht werden, berichtet ein Feuerwehrsprecher später. „Ein alltäglicher Einsatz für uns.“
Weniger alltäglich ist die Mischung der „Celebrities“, die auf der Bühne beim Odeonsplatz stehen: Oberbürgermeister Dieter Reiter, der auch als Musiker auftritt, der neue Wirtschaftsreferent Christian Scharpf (SPD) und sein Vorgänger Clemens Baumgärtner (CSU), der erst seit Sommer in München eingesetzte irische Generalkonsul James C. O’Shea, die irische Europaabgeordnete Cynthia Ní Mhurchú, die daran erinnert, dass die Iren neben Englisch auch Gälisch als Amtssprache haben.
Außerdem noch Sankt Patrick, der Münchner Wolfgang Schramm, der dieses Jahr wohl ein letztes Mal als heiliger Mann der Iren auftritt. Reiter, als ein „Fast-Ire“ angekündigt, lässt sich in einer kurzen Ansprache zu dem Wortspiel hinreißen: „Kein Ire, aber ein fast Irrer“ und fordert die Münchner auf, sich von der Entspanntheit der Iren „eine Scheibe abzuschneiden“.