Süddeutsche Zeitung

Architektur in München:Errichtet gegen allen Widerstand

Versteckt im Münchner Osten liegt ein Gebäude, das zu den bedeutendsten süddeutschen Sakralbauten aus spätbarocker Zeit gehört. Ein neues Buch widmet sich nun intensiv der Baugeschichte von St. Michael.

Von Lea Kramer

Wenn in München in die Höhe gebaut werden soll, dann führt das schon fast traditionell zu Auseinandersetzungen. Jüngstes Beispiel sind die geplanten Türme an der Paketposthalle, die ein Investor im Rahmen der Überplanung eines Industriegeländes errichten will. Ein älteres Beispiel stammt aus dem Jahr 1738. Auch damals ging es um hohe Türme, den Streit zwischen zwei Baumeistern - und ein Gebäude, das schließlich zu einem der prachtvollsten Vertreter der süddeutschen Sakralbaukunst werden sollte.

Die Wittelsbacher und ihre Hofmark

"Vor mehr als 25 Jahren habe ich begonnen, mich intensiv mit der Kirche St. Michael in Berg am Laim zu beschäftigen", sagt Franz Peter, der an einem neu erschienen Buch der Johann-Michael-Fischer-Gesellschaft mit dem Titel "Sankt Michael und die Josephsburg" mitgearbeitet hat. Der Architekt ist ein Experte für die Baugeschichte des Gotteshauses, denn er hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten sämtliche Renovierungsarbeiten an dem kurkölnischen Bauwerk geplant und geleitet. Dieses stammt aus einer Zeit, als die Prinzen aus dem Haus Wittelsbach zugleich Erzbischöfe und Kurfürsten von Köln sowie in ihrer bayerischen Heimat Großgrundbesitzer waren. In diesen Besitz fiel auch das Dorf Berg am Laim, das als "kurkölnische Hofmark" über die Generationen von Herzog Joseph Clemens (1671 - 1723) zu Clemens August (1700 - 1761) wechselte. Max Emanuels Bruder Joseph Clemens ließ auf dem Grund eine barocke Festungsanlage mit Kapelle - die Josephsburg - errichten, sein Neffe Clemens August die spätbarocke Kirche St. Michael.

Schwierige Anfänge

Da die Hofmark auch Sitz der Hauskirche des bayerischen Zweiges des adligen Ritterordens vom Heiligen Michael sowie ihres plebejischen Gegenstücks war, der franziskanischen Erzbruderschaft St. Michael, sollte dort auch ein Kirchenbau entstehen, der der Vereinigungen und ihres Kurfürsten würdig war. "Wie jedes Neubauprojekt an prominenter Stelle entfachte auch dieser Kirchenbau (...) einen Sturm der Entrüstung", schreibt Christl Knauer-Nothaft. Sie hat mit Franz Peter und Bernhard Schütz die Texte für die Monografie beigesteuert, Bilder lieferte Franz Wimmer. Die Historikerin Knauer-Nothaft ist ausgewiesene Expertin für Berg am Laim. Sie forscht und publiziert seit Jahren zu den Themen Kloster und Kirchengeschichte. Im Band der Johann-Michael-Fischer-Gesellschaft gibt sie einen Einblick darüber, wie die Herzöge die Josephsburg zu einem spirituellen Zentrum mit prachtvollem Kirchenbau machten - gegen allen Widerstand.

So habe ein Priester der angrenzenden Pfarrei Baumkirchen etwa befürchtet, dass ihm seine Schäfchen in das neue, attraktivere Gotteshaus abwandern könnten. Der Priester schrieb Beschwerdebriefe an den Fürstbischof von Freising, in denen er konstatierte: Der Bau sei "neque ulla necesitas neque ulla utilitas", weder eine Notwendigkeit noch einen Nutzen wollte er in ihm erkennen. Der bayerische Regent Karl Albrecht (1697 - 1745) war ebenfalls nicht glücklich über den Neubau, den seine Verwaltung nicht offiziell genehmigt hatte. Das Projekt drohte, kostenintensiv zu werden und war auf großzügige Spender angewiesen. Am 17. Oktober 1738 wurde dennoch der Grundstein für den Neubau gelegt. Das Fundament stand im Dezember, zwei Jahre später war der Rohbau fertig. Doch erst am 19. September 1751 wurde das Gotteshaus geweiht.

Die Baumeister

Die ursprünglichen Pläne für das Gebäude gehen hauptsächlich auf zwei Baumeister zurück. Zunächst erhielt der gebürtige Oberpfälzer Johann Michael Fischer (1692 - 1766), der in Böhmen gelernt hatte und mit der Tochter eines angesehenen Münchner Maurermeisters verheiratet war, einen Bauauftrag für das Kirchengebäude. Fischer zeichnete also einen Grundriss für St. Michael, die originalen Zeichnungen aus der Zeit um 1737 sind allerdings verschollen. Kurze Zeit später tauchte plötzlich ein weiterer Planer auf: Philipp Jakob Köglsperger (geboren 1707) hatte 1738 die Bauleitung an sich reißen können. Er war zwar gebürtiger Münchner, im Gegensatz zu Fischer aber unerfahren und besaß kein Meisterrecht. Als Mitarbeiter des Hofbauamts unter François Cuvilliés hatte Köglsperger am Bau der Parkschlösschen in Nymphenburg mitgearbeitet. In Berg am Laim wollte der 31-Jährige wohl seine Karriere voranbringen. Er blieb glücklos: Bereits ein Jahr nach Beginn der Bauarbeiten wurde er wieder durch Johann Michael Fischer abgelöst, der in der Sache sogar vor Gericht gezogen war. Dennoch hat Köglsperger Spuren in Berg am Laim hinterlassen. Auf ihn geht die markante Doppelturmfassade von St. Michael zurück.

Während Köglsperger in Streit mit der Münchner Handwerkszunft geriet und daraufhin die Stadt verließ, erhielt Johann Michael Fischer viele weitere Großaufträge. Neben St. Michael sind die Augustinerkirche in Ingolstadt, die Wallfahrtskirche Aufhausen, aber auch die Klosterkirchen St. Anna im Lehel, Ottobeuren und Rott am Inn besondere Zeugnisse seiner Schaffenskunst. Heute gilt Fischer als einer der letzten großen Baumeister des süddeutschen Spätbarocks. Im Münchner Osten ist sein Werk noch heute sichtbar. "Vom Dachraum aus kann man Fischers geniale ingenieurmäßige Holzkonstruktion der weit gespannten Gewölbe von oben bewundern", schwärmt Architekt Franz Peter, der schon wieder an einem neuen Johann-Michael-Fischer-Projekt in Ingolstadt arbeitet.

Johann-Michael-Fischer-Gesellschaft: Sankt Michael und die Josephsburg, Kunstverlag Josef Fink, 224 Seiten, 39 Euro.

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