Süddeutsche Zeitung

Sprengstoffalarm:Immer mit der Ruhe

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Der Sprengstoffalarm am Münchner Flughafen hat zu langen Wartezeiten für Tausende Reisende geführt. Die nahmen's mit Gelassenheit.

F. Fuchs und D. Hutter

Als der Brite Russell Peterman bei seiner Frau in Neapel anruft, hatte sie schon auf CNN erfahren, was im fernen München los ist. Und nun - wird das heute noch was mit dem Heimflug? Peterman, der in München eigentlich nur umsteigen wollte, weiß es nicht, nimmt den unerwartet ausgiebigen Bayern-Stopp aber ohnehin gelassen. "Wenn mein Flug gecancelt wird, suche ich mir in der Stadt ein Hotel, und dann geht es noch ins Hofbräuhaus", sagt er lachend.

Peterman steht in der großen Halle vor den Check-In-Schaltern - im öffentlichen Bereich, den ein Umsteiger eigentlich gar nicht zu Gesicht bekommt. Um ihn herum wimmelt es von Wartenden, Wartende auf Bänken, Wartende auf dem Fußboden, und viele Leute stehen auch schon in einer Schlange an der Handgepäckkontrolle an, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch niemand in den Sicherheitsbereich zurückdarf. Etliche Gestrandete haben es sich auch in den Restaurants oben auf der Galerie gemütlich gemacht. Man muss das Beste herausholen aus einer solch nervigen Situation.

Die Lufthansa hat Angestellte mit Sandwiches und Wasser losgeschickt, die Leute reißen sich geradezu darum. Speziell den aus München stammenden Passagieren wird geraten, nach Möglichkeit auf den geplanten Flug zu verzichten. Morgen sei alles wieder im Lot. Moritz Kraedener, der an diesem Abend eigentlich nach Barcelona wollte, folgt diesem Rat und tritt den Heimweg an in seine Innenstadtwohnung. "Ich fliege nun am Donnerstag um neun Uhr", berichtet er. Sauer ist er nicht, so etwas könne passieren, da könne der Flughafen auch nichts dafür.

Für Carl Schick dagegen bedeutet das Warten Stress pur. Der Chef des Medizinischen Hilfswerks kommt gerade aus Haiti, seine Hilfsausrüstung trägt er bei sich. "Ich habe seit zweieinhalb Tagen nicht geschlafen", erzählt er. Eigentlich sollte es nach dem belastenden Einsatz für die Erdbebenopfer um 20.50 Uhr heim nach Zürich gehen, nun wird der ohnehin schon schier endlose Flug noch viel länger. "Hoffentlich komme ich heute noch nach Hause", meint Schick - erschöpft, aber ebenfalls gelassen.

Klarer Profiteur des Massenandrangs in der Check-In-Halle ist die Bäckerei Müller: Die Auslage ist beinahe leer, ein paar einsame Semmeln und Brezen liegen noch da. Ein echter "Jokertag", findet eine Verkäuferin. So viel werde am Mittwochabend normalerweise nur zu Ferienzeiten verkauft.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2010
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