Sportschießen:Perfekt genutztes Päuschen

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„Sie weiß, was sie tut“: Denise Erber gewann für München zwei Duelle. (Foto: Claus Schunk)

Der Bund München startet in der Luftgewehr-Bundesliga erfolgreich in die Saison, unter anderem mit einem knappen Derbysieg gegen Prittlbach.

Von Andreas Liebmann, München

Rausgehen. Klamotten richten. Durchatmen. Vielleicht Kontakt mit den Trainern suchen. Sammeln jedenfalls. Es war keine ganz falsche Idee, die Julia Bauer hatte, nur der Zeitpunkt war ungünstig. Die Luftgewehrschützin des SV Germania Prittlbach hatte geführt in ihrem Duell gegen Hanna Bühlmeyer vom Bund München, doch ihre letzte Serie hatte miserabel begonnen, mit zwei Neunern. Statt Dominanz auszuüben, geriet sie selbst unter Druck. Vielleicht hätte sie früher erkennen müssen, dass etwas nicht rund läuft, kein Schütze kann dauerhaft auf höchstem Niveau bleiben. Irgendwann verkrampft man mal, lässt nach, es schleichen sich winzige Fehler ein, auf die man reagieren kann. Doch ausgerechnet jetzt, während sie ihre Pause einlegte, drehte ihre Gegnerin auf, drückte aufs Tempo, legte eine perfekte Serie von 100 Punkten vor. Als Julia Bauer wieder bereit war, musste sie erkennen, dass jeder noch so kleine Patzer bei ihren verbliebenen Schüssen die Niederlage bedeuten würde. Für sich und - wie sich später bewahrheitete - wohl auch für ihr Team. Im Nachhinein war ihr 390:393 auf Position zwei am Samstag jener Knackpunkt, der dem Bund München vor eigener Kulisse den 3:2-Derbysieg zum Bundesliga-Saisonauftakt ermöglichte.

Hanna Bühlmeyer vom Bund hatte zum Schluss alles richtig gemacht. "Der große Clou ist es, rechtzeitig zu erkennen, wenn sich etwas nicht mehr gut anfühlt", sagte Prittlbachs Teammanager Sven Körper, "vielleicht hätte Julia schon früher rausgehen müssen." Oder den anderen Weg wählen, auch wenn es der riskantere ist: "Vielleicht wäre es vernünftiger gewesen, dass sie das Tempo anzieht und einfach hofft, dass noch ein paar Zehner raushüpfen", empfahl Simon Muschiol vom Bund München. Damit wäre seine Schützin vielleicht unter Druck geraten. Andererseits: "Julia kann beißen. Sie schießt oft langsam, behält am Schluss aber trotzdem die Nerven."

Es war schon bemerkenswert, wie sich nach dem Derby beide Manager Gedanken darüber machten, wie dieses entscheidende Duell auch anders hätte laufen können. Das sagte doch einiges aus über das gute Verhältnis zwischen den Klubs. "Uns kam es so natürlich gelegen", gab Muschiol trotzdem zu, immerhin sei dieses Derby ja doch auch "eine Prestigeschlacht".

Es war kein perfektes Auftaktwochenende für den Bund, trotz des folgenden zweiten Sieges am Sonntag gegen den SSV Kronau, ebenfalls ein knappes 3:2, bei dem die Gäste insgesamt sogar zwei Ringe mehr erzielt hatten. Aber doch ein sehr gutes. Ganz so viel Spannung hätte er nicht gebraucht, sagte Muschiol, "aber wie oft richtet man einen Heimwettkampf aus und steht danach mit leeren Händen da".

Das war nicht der Fall, auch weil Lisa Haensch, die schon am Samstag erfolgreich war, tags darauf gegen Kronau ihr entscheidendes Duell mit dem Amerikaner Dempster Christenson (nach 395:395) im Stechen gewann. Und an Position fünf setzte sich Denise Erber durch, die an beiden Tagen mit je 395 Ringen gepunktet hatte. "Sie ist gut drauf und weiß, was sie tut", lobte Muschiol. Dass Münchens Nummer eins, der Franzose Pierre-Edmond Piasecki, nach einer Rückenverletzung noch nicht wieder in Bestform war und zweimal leer ausging, ließ sich da verschmerzen. Im Nachhinein, glaubt Muschiol, sei wohl auch im Wettkampf mit dem SSV Kronau, für den gleich drei junge C-Kader-Schützen antraten, die Schnelligkeit entscheidend gewesen. In allen Duellen waren die Münchner eher fertig, was ihre Gegner unter Druck setzte. Der Bund ist nun Tabellenzweiter.

Die Prittlbacher waren schon mit mäßigen Voraussetzungen angetreten. Trainer Ralf Horneber fehlte, außerdem mussten am Samstag auf den vorderen Positionen auch Isabella Straub und der Österreicher Martin Strempfl passen. Am Sonntag waren zwar beide zurück, doch fehlte ihnen das obligatorische Training vom Samstag, um sich in Ruhe an die Bedingungen zu gewöhnen. Beide unterlagen ihren Gegnern vom SV Niederlauterbach, beide mit für ihre Verhältnisse eher mäßigen 395 Punkten; Strempfl gegen den Erdinger Maximilian Dallinger, Straub im Stechen gegen die Österreicherin Olivia Hofmann. Für die Mannschaft brachte das unter dem Strich wieder ein 2:3. Sebastian Franz hatte, wie schon am Samstag, gewonnen, und diesmal auch Julia Bauer.

Prittlbach ist vorerst Elfter der Zwölferliga und muss am nächsten Wettkampfwochenende erneut auf seine Österreicher verzichten, die bei der Militär-WM antreten. "Jetzt sind wir im Abstiegskampf", sagte Manager Sven Körper, ohne schon allzu besorgt zu klingen. Immerhin seien sie ja zweimal ganz knapp dran gewesen, und auch die Ersatzleute hätten gezeigt, dass sie prima mithalten könnten. Für Zugang Rebecca Wisbacher, die aus der fünften Liga kommt, war es schwer, weil ihre Gegnerin Erber "einen Wahnsinnstag erwischt" hatte, staunte Körper. Debütantin Lisa Forstner aus der zweiten Mannschaft dagegen hatte ihr Duell gegen Münchens Korbinian Hofmann sogar gewonnen. Er sei zuversichtlich, dass in zwei Wochen mindestens der erste Sieg gelingen werde, sagte Körper. "Dieses Wochenende müssen wir einfach abhaken." Rausgehen. Klamotten richten. Und tief durchatmen.

© SZ vom 16.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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