Sie sind wieder gekommen. Etwas brauner gebrannt als im Vorjahr, die Augenringe kleiner, der Zeitplan entspannter. Und passend dazu scheint nach schneebedeckten Ostertagen plötzlich sogar noch die Sonne.
So harmonisch wie diesmal geht es selten zu beim Schützen-Weltcup in München (17. bis 24. Mai). Keine Olympischen Spiele, kein Kampf um Quotenplätze, keine internen Ausscheidungsduelle. Über der Schießanlage in Garching-Hochbrück liegt die frühsommerliche Gelassenheit eines nacholympischen Jahres. Soll heißen: Nur kein Stress! "Die Atmosphäre ist heuer sicher lockerer, ein fast schon freundschaftliches Flair", beobachtet Ralf Horneber, Sportdirektor des Bayerischen Sportschützenbunds.
Er selbst wirkt ganz entspannt, auch wenn er in diesen Tagen als Wettkampfleiter viel zu tun hat. Denn trotz aller Gemütlichkeit gilt: Die Veranstaltung in München zählt zu den größten Schießwettbewerben auf der ganzen Welt. Knapp 700 Schützen aus 75 Ländern treten an, um eine der begehrten Glastrophäen zu gewinnen. "Wir haben fast genauso viele Starter wie die restlichen drei Weltcups zusammen", erklärt Horneber. Aufgrund der außergewöhnlichen Größe der Anlage und der guten Organisation hat München gegenüber Austragungsorten wie Baku oder Neu Delhi einen klaren Vorteil - und erfreut sich bei den Schützen besonderer Beliebtheit. Die vielen Stände und die pünktlichen Starts werden geschätzt. In der Qualifikation sind weniger Durchgänge nötig, was den Ablauf vereinfacht. Dazu ist die Anlage in einem sehr guten Zustand, gerade erst wurde der Boden der Luftdruckhalle saniert. Verband und das Land Bayern investieren regelmäßig in die Erhaltung der Olympiastätte von 1972, so dass die Wettkampfstätte auf dem neuesten Stand ist.
Olympiamedaillengewinner wie Christian Reitz (Schnellfeuerpistole) oder Monika Karsch (Sportpistole) wollen den Wettbewerb nutzen, um nach kurzer Auszeit wieder zu ihrer Form zu finden. "Man kann das ein oder andere ausprobieren", meint Horneber. Noch sind die sportlichen Ergebnisse nicht essenziell für die nächsten Spiele 2020 in Tokio. Daran orientiert sich auch bei den Schützen alles.
Gleichzeitig ist der diesjährige Wettbewerb eine Chance für die jüngeren Athleten. Gerade bei den deutschen Gewehr-Schützen, die am Freitag den Anfang machten, findet derzeit ein Umbruch statt. Nach den Rücktritten von Olympiasiegerin Barbara Engleder und Henri Junghänel ruhen die Hoffnungen auf Michael Janker (Hochstetten), 25, und Maximilian Dallinger (Lengdorf), 20, sowie bei den Frauen auf Selina Gschwandtner, (Reischach), 22. Sie sind die Nachfolger in der bei den Spielen bekannt gewordenen Trainingsgruppe "Burning Eyes", die gleich mehrere Medaillen hervorbrachte und unter der Anleitung von Bayernkader-Trainer Mario Gonsierowski regelmäßig in München zusammenkommt. Erfahrungsaustausch sei leistungsfördernd, meint Janker. Die junge Generation setzt auf ein Mit- statt auf ein Gegeneinander. Beim Heimwettkampf sprang jetzt aber vorerst keine Medaille heraus.
Im Internet werden erstmals alle Entscheidungen übertragen
Bei den Pistolenschützen gehört Michelle Skeries (Frankfurt/Oder) zu den aussichtsreichsten Talenten. Sie gewann gleich bei ihrer ersten Weltcupteilnahme in Neu Delhi Bronze mit der Sportpistole und erzielte jüngst in Hannover einen inoffiziellen Finalweltrekord mit 40 Treffern. Der Münchner Michael Heise geht nach Formschwankungen in den vergangenen Monaten eher als Außenseiter an den Start. Reitz und Karsch sind bei den Pistolenschützen nach wie vor die Führungsfiguren.
Wen man dann in der Finalhalle zwischen den vielen Zelten der Aussteller sehen wird, ist dieses Jahr "noch weniger vorhersehbar als sonst", meint Horneber. Vorhersehbar sind dagegen die Finalansetzungen - und hier sind die Schützen so sichtbar wie selten. Ein neu geschaffener Olympic Channel, ins Leben gerufen vom IOC, wird alle zehn Entscheidungen (zwei pro Tag) live im Internet übertragen. Der Modus hat sich dabei leicht verändert: Im Finale der besten Acht werden nun 20 statt 24 Schüsse abgegeben. Konstanz ist also noch wichtiger. Aber was heißt das schon im nacholympischen Jahr, wo mancher noch seine Form und anderer schon die Sonnencreme sucht? "Ein bissl was geht immer", sagt Horneber. Er freut sich auf viele entspannte Gesichter.