Finale ist, wenn laute Trommelschläge den Boden vibrieren lassen und man in der Halle sein eigenes Wort kaum versteht. Wer sich während der Bundesliga-Endrunde der Luftgewehr-Schützen in Paderborn richtig unterhalten will, geht nach draußen - und nimmt seinen Gehörschutz ab. So machte es auch Simon Muschiol, Teammanager vom Bund München, bevor er folgendes Saisonfazit zog: "Schade, dass wir ausgeschieden sind, aber insgesamt können wir sehr zufrieden sein. Heute waren die anderen besser."
Die anderen, das war die SB Freiheit aus Osterrode im Harz, gegen die der Bund im Viertelfinale 2:3 verloren hatte, trotz eines guten Teamergebnisses von 1969 Ringen, das in den anderen Partien zum Weiterkommen gereicht hätte. "So kann man ausscheiden", sagte Muschiol. Ein paar Meter weiter kratze sich Ralf Horneber, Trainer von Germania Prittlbach, am Kopf. Auch seine Mannschaft war gerade im Viertelfinale ausgeschieden, 1:4 gegen den Ausrichter und Titelverteidiger Hubertus Elsen. Wie im Vorjahr. Und im Jahr davor. Horneber war darüber unglücklich: "Wir hatten heute keinen guten Tag", sagt er. 1954 Ringe, 15 weniger als der Bund, waren der Beleg auf der Scheibe.
Zwei Münchner Mannschaften in der Endrunde, aber beide vorzeitig aus dem Titelrennen, das Aufsteiger SB Freiheit im Finale gegen Saltendorf 4:0 gewann und erstmals deutscher Meister wurde: Das hinterließ ein gemischtes Bild. Während der Bund nach einem Jahr Abstiegskampf schon mit der Finalqualifikation sehr zufrieden sein konnte, scheiterten die Prittlbacher mal wieder nach einer fast fehlerlosen Hauptrunde im K.o.-Modus. Alle Jahre wieder geht dem Team aus dem Münchner Norden am Saisonende die Luft aus. 24 Hauptrunden-Siegen in Serie stehen nun drei vorzeitige Playoff-Niederlagen gegenüber. Vielleicht habe seiner Mannschaft nach dem starken Beginn die Spannung gefehlt, spekulierte Horneber. Oder - im Gegenteil - die Nervosität sei das Problem. Er müsse das jetzt analysieren.
Barbara Engleder, voll ausgelastet mit Kind und Job, tritt trotzdem an - und schießt weltklasse
Auffällig waren jedenfalls die schwachen Ergebnisse an den hinteren Positionen, die beiden Münchner Mannschaften zum Verhängnis wurden. Der seit mehreren Wochen angeschlagene Sebastian Franz (387 Ringe) und Anna-Lena Kinateder (388) schossen jeweils ihr schlechtestes Saisonergebnis für Prittlbach. Beim Bund wechselte Trainer Norbert Ettner sogar kurzfristig auf Position fünf, weil Schützin Denise Erber verunsichert wirkte. "Da kommt dann plötzlich das Muffensausen", schilderte Ettner. "Die Atmosphäre hier ist gewöhnungsbedürftig."
Gerade für die Nicht-Profischützen in der Bundesliga, die zwar regelmäßig trainieren, aber nicht auf internationalen Wettkämpfen schießen, ist das Finale eine Herausforderung. Plötzlich sind viele Zuschauer da, plötzlich ist es laut, plötzlich sind alle Augen auf einen gerichtet. Beim Bund traute sich Hanna Bühlmeyer die Aufgabe zu. Vor ihrem ersten Finale habe sie aber auch kaum geschlafen, erzählte sie. "Die Aufregung war groß, aber als ich dann vorne stand, war es okay." Aber auch ihr Ergebnis war mit 387 Ringen unterdurchschnittlich. Trainer Ettner lobte sie trotzdem. "Die Neulinge müssen wir langsam heranführen, dann sieht es beim nächsten Mal schon besser aus", sagte er. Nur Lisa Haensch vom Bund überzeugte gleich bei ihrem Final-Debüt mit 396 Ringen; allerdings hatte sie Pech und gegen die nahezu fehlerfreie Top-Schützin Jolyn Beer (399) trotzdem das Nachsehen.
Welchen Unterschied die Erfahrung beim Finale macht, zeigte sich an den Leistungen der routinierten Schützen. Olympiasiegerin Barbara Engleder (398 Ringe) vom Bund, die ihre Karriere eigentlich vor einem Jahr beendet hat, nur noch wenig trainiert und mit Job und Kind voll ausgelastet ist, ließ sich von der aufgeheizten Stimmung überhaupt nicht beeindrucken. Sie schoss drei perfekte Serien und gewann ihr Duell klar. "Sie ist der Wahnsinn", sagte Ettner. Engleder ließ in keinem ihrer Wettkämpfe mehr als drei Ringe aus - das ist nach wie vor Weltklasse. Ob sie im nächsten Jahr weiter Bundesliga schießen wird, ist noch offen. "Wir hoffen es", so der Trainer. Engleder ist nicht zu ersetzen. Genauso die Prittlbacherin Isabella Straub (395), die den einzigen Punkt für ihre Mannschaft holte. In zwei Wochen tritt sie bei der Europameisterschaft im ungarischen Györ an. Straub ist seit drei Jahren die klare Nummer eins bei der Germania und holt fast jeden Punkt. Nur mit solchen verlässlichen Führungsfiguren schaffte es der Klub überhaupt unter die besten vier Südteams ins Finale.
Dort wurde es laut - und eben auch unberechenbar. In drei von acht Partien fiel die Entscheidung erst im Stechen. Das zeigt, wie knapp es in der Bundesliga zugeht. Andererseits: Für die Münchner war der Titel in diesem Jahr schon sehr weit weg.