Natürlich er. Der Perfektionist. Der mit der schnellen Hand unter den deutschen Schützen, der sich selbst als Gegenteil eines Entertainers beschreibt und genauso auch am Schießstand aussieht. Natürlich gewann er die erste und bislang einzige deutsche Medaille beim Weltcup in München. Nach seinem dritten Rang mit der Schnellfeuerpistole am Sonntag sagte Christian Reitz trocken: "Die Leistung war in Ordnung."
Was er eigentlich meinte: Das geht noch besser. Viel, viel besser. So wie sonst eben. In den vergangenen Jahren hat Reitz alles gewonnen, was es in seiner Sportart zu gewinnen gibt: Gold bei den Olympischen Spielen in Rio, zwei Mal Gold bei den Europaspielen in Baku, Gold beim Weltcup-Finale, Gold bei der Weltmeisterschaft, Gold bei der Europameisterschaft. Reitz ist derzeit der mit Abstand erfolgreichste deutsche Schütze - und einer der besten der Welt. Wenn er an den Erfolg bei den Sommerspielen zurückdenkt, sagt der 30-Jährige: "Olympiasieger wirst du fürs Leben - daran wirst du aber auch gemessen."
Sandra Reitz (ehemals Hornung), ebenfalls Profi-Pistolenschützin und Christians Ehefrau, hat es nicht immer leicht mit ihrem übererfolgreichen Mann. Oft trainiert das Paar zusammen, duelliert sich auch mal. Da kommt es dann vor, dass Sandra ein Traumergebnis von 398 Ringen vorlegt - und Christian anschließend jeden Schuss ins Schwarze, also 400 Ringe trifft und dazu ein paar Ratschläge gibt. "Das ist schon deprimierend", sagt sie. Auch ihre Erinnerungen an die Spiele sind gemischt. Sie hatte die Qualifikation knapp verpasst und war als Zuschauerin mitgereist: "Zuschauen ist grausam", schildert sie. "Man weiß ja, wie der andere sich fühlt. Aber du kannst nicht helfen." Es ging gut aus, es flossen Tränen. Er verwirklichte ihren gemeinsamen Olympia-Traum vorerst alleine. Die verpasste eigene Qualifikation beschäftigt Sandra Reitz nach wie vor. "Da war auch viel Pech dabei", sagt sie. "Ich bin nicht die Geduldigste, da ist Akzeptanz schwierig." 2020 ist jetzt das Ziel. Für beide. Bei ihm besteht eigentlich kein Zweifel, dass er es schaffen wird. Sie dagegen muss kämpfen, gegen die internationale und interne Konkurrenz. Das vergangene Jahr ging trotzdem sehr harmonisch zu Ende. Mit einer Traumhochzeit. Bei einer Kreuzfahrt heiratete das Schützenpaar alleine in der Karibik.
Ein Postkartentraum, der auf den ersten Blick so gar nicht zum Ehepaar Reitz aus Regensburg passen will. Beide wirken zurückhaltend und bodenständig, mehr wie vorstädtische Doppelhaushälfte als karibischer Strand. Wer ihn im Wettkampf sieht, "könnte vielleicht glauben, dass ich fast einschlafe", meint Reitz und lacht. Je angespannter die Situation ist, desto ruhiger wirkt er nach außen. Im Schießsport hilft das, gerade bei der dynamischsten aller Disziplinen, der Schnellfeuerpistole. In acht, sechs, dann vier Sekunden müssen die Schützen fünf Scheiben treffen. Präzision, Geschwindigkeit und Konzentration sind in der Königsdisziplin vereint. Wenn der Puls hochschießt, hilft eine ruhige Hand. Reitz schießt auch die statischere Variante Luftpistole, bei der 60 Schuss in 90 Minuten abgegeben werden. "Das ist mir auf Dauer aber zu langweilig", sagt er.
Man sollte diesen Mann auch privat nicht unterschätzen. In kleiner Runde scherzt er, erzählt von seinen Hausschlangen im Terrarium und Witzeleien mit Trainer Detlef Glenz. Reitz hat entgegen seiner eigenen Behauptung durchaus Entertainer-Qualitäten. Der Olympiasieg hat ihn vielleicht noch entspannter gemacht. Bereits 2008 in Peking holte er Bronze. Der Bundespräsident zeichnete ihn schon zweimal mit dem Silbernen Lorbeerblatt aus.
Seine Frau steht da sportlich zwangsläufig im Schatten, auch wenn sie auf nationaler Ebene bereits zahlreiche Titel gewonnen hat und auch international schon in Erscheinung getreten ist. Am Dienstag startet sie in München (8.45 Uhr) mit der Luftpistole. Ein dritter Platz wäre für sie einer der größten Einzel-Erfolge ihrer Karriere, nicht bloß "okay". Die Rollen sind dann zumindest kurzzeitig vertauscht, er wird auf der Tribüne zuschauen. Und auch Christian Reitz ist dabei alles andere als entspannt, auch wenn es vielleicht ganz danach aussieht.