Süddeutsche Zeitung

Sportfreunde Stiller:Sagt, wie geht's Euch eigentlich?

Fünf, sechs Jahre lang kam von den "Sportfreunden Stiller" nichts als Funkstille, von Solo-Sachen abgesehen. Band-Burnout. Nun testen sie aber vor der Stadiontournee mit Herbert Grönemeyer neue Songs, alte Gesten und ihre Freundschaft.

Von Michael Zirnstein, Ulm

"Wie geht's euch eigentlich?", fragt Peter Brugger am Ende des 14 Jahre alten Stücks "Siehst du denn das genauso", so wie er schon Hunderte Male in Konzerten die zentrale Zeile "Sag, wie geht's dir eigentlich?" im Konzert an die Fans gerichtet hat. Immer noch spürt man, dass das keine phrasenhafte Pose ist. Dass der Sänger zwar keine 1000 Antworten aus dem Publikum erwartet, aber dass sein Besorgtsein ums Wohlergehen seiner Leute ein ernsthaftes ist. Nicht umsonst steht das "Freunde" in gelben Blockbuchstaben größer und prominenter auf der Bühne des ausverkauften Roxy in Ulm als das "Sport" und das "Stiller". Die Kumpels vom Bolzplatz, der Klubkneipe, vom Sportstudium - das war schon immer der Markenkern der Germeringer Lokalheroen. Und auch, als die drei längst die größten bayerische Popstars waren und Nummer-1-Alben ("Sturm und Stille", 2016) und -Singles ("54, '74, '90, 2006") hatten, blieb da eine Nähe.

Es ist also nur verständlich, dass wiederum die Fans, die ja ein ganzes Leben lang "in all den wunderbaren Jahren" zu den Liedern der Sportfreunde Stiller gefeiert, geflirtet, geliebt und geheiratet haben, ganz so, als würden diese drei wirklich auf deren Hochzeiten auftreten, so wie neulich in einem Instagram-Filmchen, in dem die drei in einem Tretboot im Englischen Garten einem Braupaar "Ein Kompliment" sangen, dass diese Fans also in den vergangenen Jahren ein wenig besorgt waren um ihre sportlichen, unzertrennlichen, unzerstörbaren Helden von nebenan. Fünf, sechs Jahre lang kam von der Lieblingsband nichts als Funkstille, von Solo-Sachen abgesehen. Aber die drei, das war entzwei. Band-Burnout. Sagt, wie geht's Euch eigentlich?

Gut, sehr gut sogar, wie sie jüngst in der Talkshow von Hannes Ringlstetter im BR berichteten. 2017 sei "kein guter Flow" gewesen, traurig, belastet, leer, jetzt hätten sie "eine andere Leichtigkeit" und "sich wiederentdeckt", sagte Brugger dem Moderator, mit dem er ja zwischenzeitlich in der Band Allmšik fremdging. Flo Weber hat nach einem Roman und diversen Neben-Musikprojekten "das heimelige Sportfreunde-Gefühl" wiedergefunden. Und Rüdiger Linhoff, der angeblich eine Coaching-Ausbildung absolviert, befand: "Wenn wir zu dritt Musik machen , ham wir halt irgendwas, ob wir uns jetzt verstehen oder nicht." Man kennt sich eben, "Gott sei dank sind wir wieder da".

Das müssten sie gar nicht sagen. Da reicht es zu sehen, wie sie sich nach ein paar Darts auf eine Spickerscheibe im Backstage vor dem Auftritt fast zärtlich zu dritt umarmen. Auch die Fans werden sich bald Schulter an Schulter fassen, etwas grober, und schon früh im Programm zum Riesenhit "Applaus, Applaus" in Junggesellen-Ketten umherhopsen, mit fassungsloser Freude im bierseligen Blick, dass man so was noch mal erleben darf, schwitzende Männer ohne Shirt auf den Schultern der Freunde in der ersten Reihe. "All die Sachen, die die wilden Rocker machen ... all die Taten, auf die wir schon lange warten. Ich sag dir: Diese Nacht ist wie gemacht dafür", singt Brugger zum Auftak in "Kommst du" - eine Verheißung.

Insofern ist die Ansage "I'm Alright" fast schon eine Spaßbremse. Eben kein emotionales "Wellenreiten", sondern erst mal nur ein Daumen rauf nach dem Straucheln. Die erste Single nach fünfeinhalb Jahren baut sich erst mal langsam auf in ein paar stolperigen Zeilen der Selbstbetastung: "Horch, was kommt denn da daher? Style und Beat, leicht wunderlich, 'n Rucksack voller Zaubertricks, hoppla, hey, das bin ja ich ..." Dachte man beim ersten Hören auf Youtube noch, "naja, Sporties halt, wie immer", freute man sich im Roxy schon über diese neue Gaudi-Hymne, "geil, echt Sportfreunde, eben". Und beim Einsetzen der Synthie-Fanfare brüllte man den Schlachtruf "I'm Alright" schon mit - der übrigens als erster überhaupt von den Songs des im September erscheinenden Albums "Jeder nur ein X" bei einer Band-Beschnupper-Session im Bayerischen Wald aus einem Offbeat und dem Textplatzhalter "Ei o ei" geschlüpft sein soll. Kein Wunder, das die drei ein paar Wiesnhits haben, wie "Ich, Roque" von 2009 über einen ehemaligen FC-Bayern-Spieler, der jetzt mit 40 seine Karriere in Paraguay ausläuft, während die Rock-Nummer noch ungestüm durch die Trinkhallen und das Roxy ballert.

Die Sportfreunde, die mit der Weltmeister-Elf feiern und Pelé treffen durften, sind längst ein Klassiker. So müssen sie sich ihr Comeback nicht in Möbelhaus-Gigs erarbeiten, sondern fallen beim Comeback in ein Nest aus Sympathie und Nostalgie. Schon vor zwei Jahren fragten die Festivals "Rock im Park" und "Rock am Ring" an, ob sie wieder auf der Hauptbühne spielen würden. Und ihr Freund Herbert Grönemeyer, der sie vor 20 Jahren persönlich als Vorgruppe auf seine Sensations-Tour "Mensch" einlud und zu den wohl beliebtesten Bayern in der Bundesrepublik machte, nimmt sie nun zur Neuauflage wieder mit: Der Auftakt in der Münchner Olympiahalle ist dabei der kleinste (8. Juni), es folgen wie damals die Riesenstadien und dreimal die Waldbühne in Berlin. "Das Herz pulsiert eine spontane Doppelsynkope auf 140, und der Magen dreht sich einmal auf Falschrum, wenn wir nur kurz dran denken", sagen die drei. Derzeit wärmen sie sich mit kleinen Hallen-Shows und Guerilla-Straßengigs wie beim Benefizlauf Giro di Monaco auf: vom Trainingslager in den Testspielbetrieb. Vor einer noch nicht verkündeten eigenen Tour testen sich die Familienväter dann mit Club- und Festival-Auftritten wieder ans Popstar-Leben heran, etwa in Passau (7.7.), Dachau (20.8.) und Erlangen (28.9.).

"Wir sind grad irgendwo zwischen seliger Vorfreude, ungläubigem Entzücken, leichter Panik und heimlichem Ausprobieren von großen Rockstargesten." Das mit den Posen lassen sie mal lieber bleiben, am besten sind sie ja doch immer beim Charme-Bolzen, Murksen und Frotzeln im Probenraummodus. Wenn Schlagzeuger und Fan-Chor-Dirigent Flo Weber im Roxy Vereinsheimsprüche raushaut ("Bei fünf Fehlern zahle ich allen ein Bier") oder den Bass- und Keyboard-Kumpel wegen dessen Frisur aufzieht. Seltsamerweise stichelt er nicht gegen Peter Bruggers schulterlanges Hohe-Stirn-Hippie-Haar. Sie sind auffallend lieb zueinander. Und sie binden auch ihrem neuen vierten Live-Mann, den Gitarristen Mario Radetzky von Blackout Problems, herzlich ein: "Der Mario reist uns aus fast jeder Scheiße raus", so Weber.

Man achtet aufeinander, vergewissert sich seiner Freundschaft. Auch im neuen Stück "Juunge" (sic!) geht es "um einen Menschen, mit dem man mal sehr verbunden war" und den es "woanders hinverschlagen hat", wie Brugger den Fans erklärt: "Bist du immer noch mein Junge? Ich vermiss dich." Noch deutlicher sind die fünf Jahre der Innenschau dem dritten neuen Lied an diesem Abend anzuhören, "Wächter". Das geht "über jemanden, der Depressionen und Angststörungen hat", erklärt Brugger vorab: "Kein Herz bleibt für immer schwarz, nicht mal deins ... wir begleiten dich von Nacht zu Tag, aber gehen musst du selbst", heißt es da gefolgt von einem Reim mit "Zigaretten", "Schmerztabletten" und "Reste von Fastfoodketten". Die Fans nehmen den Partycrasher dankbar an. Man müsse draufschauen, sagt der Sänger, "in der Scheiße, die da draußen gerade passiert, für die Lieben da sein". Richtig, dafür sind Freunde da: Nicht nur fragen, da sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5590956
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/chj/by
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.