Süddeutsche Zeitung

WWK Volleys Herrsching:Die große Zehe schmerzt

Sand, See, Nationalmannschaft: Hinter dem fast kompletten Kader stehen nur noch zwei Fragezeichen.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Johannes Tille fieberte lange hin auf den großen Tag, für den Zuspieler der WWK Volleys Herrsching ist es ein Meilenstein. Am Donnerstag ist er in die brandenburgische Gemeinde Grünheide gefahren, in den Ortsteil Kienbaum, 40 Kilometer südöstlich von Berlin. Dort befindet sich das Olympische Trainingszentrum, das früher Bundesleistungszentrum hieß. Seit Freitag sind die deutschen Volleyballer dort versammelt, für einen dreiwöchigen Lehrgang, an dessen Ende zwei Testspiele gegen Polen stehen. Tille, 23, ist erstmals dabei. "Das wurde höchste Zeit, er hätte es schon letztes Jahr verdient gehabt", sagt sein Klubtrainer Max Hauser.

Die Umstände sind nun auch nicht die allereinfachsten für Tille. Er war vom Deutschen Volleyball-Verband angehalten, sich vergangene Woche mit möglichst wenigen Menschen zu treffen, nach seiner Ankunft musste er sich am Freitag neben der üblichen sportmedizinischen Untersuchung auch einem Coronatest unterziehen. Danach stand Training in Kleingruppen auf dem Programm, ein paar Tage später soll es einen zweiten Coronatest geben. Eine außergewöhnliche Premiere ist das also für Tille, aber es macht ihm nichts aus: "Ich bin heiß auf den Lehrgang", sagt er nur. Er hat langsam genug von den Monaten zu Hause in Mühldorf, auch wenn sie nicht so übel waren, mit kaum noch zu zählenden Tischtennisduellen im Garten gegen seine Brüder Leonhard und Ferdinand. Ferdinand Tille ist Libero, Johannes' Teamkollege in Herrsching - und 165-maliger Nationalspieler. Es liegt also auf der Hand, wem Johannes Tille da auch nacheifert.

Die Tille-Brüder sind weiterhin fester Bestandteil der Herrschinger Volleyballer, die ihre Kaderplanungen fast abgeschlossen haben: In Jori Mantha und Tim Peter bleiben beide Außenangreifer, im Mittelblock gesellt sich der 2,06 Meter große Iven Fietje Ferch, 22, der drei Jahre lang bei Königs Wusterhausen spielte, bevor er an seinen Heimatklub TSV Mühldorf verliehen wurde, zu Dorde Ilic und Norbert Engemann. Hausers Angriffswaffen auf der Diagonalposition bleiben Jalen Penrose und Jonas Kaminski. Dem 19-jährigen Samuel Sadorf vom ASV Dachau wollen die Herrschinger ein Zweitspielrecht einräumen. Außerdem bleibt Benedikt Sagstetter zweiter Zuspieler hinter Johannes Tille. Sagstetter spielt in diesen Wochen bei der privat initiierten Beach Liga mit, in der sich einige der besten deutschen Teams messen. Nach der Hinrunde sind Sagstetter und sein Partner Eric Stadie Sechster im Achterfeld. Sie müssen sich in der Rückrunde steigern, um in die Finalrunde zu kommen.

Ein Spieler soll nach Unterhaching abgegeben werden. Welcher, will Hauser noch nicht preisgeben

Herrschings Trainer Hauser findet diese Eigeninitiative richtig gut, er propagiert ja jeden Sommer aufs Neue, möglichst viel Zeit im Sand zu verbringen - auch als Wettkampfvorbereitung für die Hallensaison. Die Erstliga-Vorbereitung soll Anfang oder Mitte August beginnen. Einen seiner wichtigsten Spieler kann er auf den Beachfeldern am Ammersee allerdings noch nicht begrüßen: Tom Strohbach. Der Außenangreifer ist eine von zwei ungeklärten Personalien, sein malträtierter, auch von Arthrose gezeichneter großer Zeh macht ihm weiterhin zu schaffen. Schon in der vergangenen Saison hatte Strohbach, der zudem unter einer langwierigen Ellbogenverletzung litt, kein Spiel über die volle Distanz für die Herrschinger bestritten. Ob er kommende Saison fit ist, steht in den Sternen. "Das ist nach wie vor eine heikle Angelegenheit", sagt Hauser, "beide Parteien wollen einen Schrecken ohne Ende wie in der vergangenen Saison verhindern." Falls sich die Situation bei Strohbach nicht bessert, muss Hauser sich nach einem anderen guten Außenangreifer und Annahmespieler umschauen; zum Beispiel im albanischen Pokalfinale von 2019, das er sich kürzlich auf Youtube angesehen hat. Das Spiel sei "sensationell" gewesen. Dafür hat der Klub einen vierten Blocker in Aussicht, womit er dort so viel Personal hätte wie nie zuvor. Als Kandidat galt zuletzt dem Vernehmen nach der Niederländer Luuc van der Ent vom insolventen Erstligisten Eltmann.

Im Wissen um den schon sehr früh annähernd kompletten Kader dürfte Hauser einen entspannten Sommer zu Hause am Ammersee verbringen, mit Jugendcamps und einem Sportprogramm für Drei- bis Sechsjährige, das er entworfen hat. "Für sie geht es ins Flips-Abenteuerland", sagt Herrschings Trainer - Flips ist das Maskottchen des Bundesligisten. Einen seiner Junioren hat Hauser aber auch abgegeben, an einen künftigen Lokalrivalen. Er möchte noch nicht sagen, um welchen Spieler es sich handelt, in jedem Fall erhält er ein Spielrecht beim TSV Unterhaching, der künftig ja auch in der ersten Liga antritt. Das dortige Konzept, auf den Nachwuchs zu setzen, findet Hauser "ziemlich gut und mutig. Ich bemängele grundsätzlich bei allen Zweitligisten, dass sie zu feige sind aufzusteigen, und dass Geld nicht alles regelt". Johannes Tille bekommt für seinen Sommer im Nationalteam keinen Cent. Aber dafür vielleicht am Ende die nächste Auszeichnung: das erste Männer-Länderspiel seines Lebens.

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SZ vom 06.07.2020
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