WM: Warum München besser als Katar ist:Fläche mal Fanmeile

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Katar darf die Fußball-WM 2022 ausrichten. Sieben nicht ganz ernst gemeinte Gründe, warum München die bessere Wahl gewesen wäre.

Sieben nicht ganz ernst gemeinte Gründe, warum die Weltstadt München für die WM 2022 der bessere Austragungsort wäre als der Zwergstaat Katar.

Prösterchen! Auf 2022! - Katars Oberhaupt Scheich Hamad al-Thani reckt triumphierend den Weltpokal in die Höhe. (Foto: dpa)

Staatsform

Als Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani am Donnerstag in Zürich mit der Rechten den Weltpokal in die Höhe reckte und mit der Linken huldvoll die Fifa-Familie grüßte, erinnerte er für einen kurzen Moment an den Modezaren Moshammer selig (falls der denn jemals mit Weißbierglas in der Rechten ein Wiesnzelt dirigiert haben sollte). Hamads Macht indessen reicht ungleich weiter als über Bierzeltblaskapellen und eine Herrenboutique auf der Maximilianstraße.

Das Emirat Katar ist eine konstitutionelle Monarchie, Hamad, dessen Familie seit dem 19. Jahrhundert dort herrscht, ist seit der Unabhängigkeit von der britischen Krone im Besitz der absoluten politischen Gewalt. Der Christian Ude von Doha gewissermaßen. Wobei Ude nicht erst seit der Unabhängigkeit Bayerns von der CSU mit absoluter Popularität regiert. Hamad ist Gründer des Nachrichtensenders Al-Dschasira und Eigentümer des FCMalaga; Ude schreibt für Zeitungen und ist rechtzeitig aus dem Aufsichtsrat des TSV 1860 verduftet. 2022 wäre der Alt-OB frei als WM-Maskottchen. Doha hat einen Scheich, München hat ein Triumvirat: Kaiser, Kini, Kolumnist.

Investitionen

Bösen Gerüchten zufolge soll ja die Finanzkraft des Ölstaats einen gewissen Einfluss auf die WM-Vergabe genommen haben. Nur weil sich eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt auf ein paar sportverrückte Ölscheichs konzentriert. Als hätte München keine reichen Investoren. Erst kürzlich gab es einen, der nicht recht wusste, ob er zuerst Jahn Regensburg ein Stadion bauen, Olympia 2018 nach München holen oder die SpVgg Unterhaching in die Champions League befördern sollte.

Soll doch mal beim Fifa-Exekutivkomitee vorstellig werden, die Fußball-WM holen, auf der Praterinsel eine Fanmeile errichten und in Unterhaching vielleicht ein Medienzentrum - befreundete Bauunternehmer werden sich dort schon finden lassen. F.L., bitte melden!

Sportstadt

Die wichtigste Fußballstadt in Deutschland? München. Wichtigste Fußballstadt in Katar? Doha. Der Meister kommt aus Al-Gharafa, nun ja, in Deutschland schafft es auch hin und wieder ein Exot: siehe Wolfsburg. Das Königreich hat eine Profiliga, die Qatar Stars League, zwölf Mannschaften, die Hälfte aus Doha. München hat keine Profiliga, aber drei Profi-Teams, mehr oder weniger professionell. Sportlich liegen wohl eher die höherklassigen Amateure auf Augenhöhe mit der Stars League, davon gibt es in München allein mehr als zwölf.

Obwohl: In der Wüste kicken immer wieder berühmte Fußball-Pensionäre, Batistuta, Hierro, Romario und - Querpass nach München: Basler und Effe. Wäre ein interessanter Vergleich: Ismaning gegen Al-Kharitiyath, Unterhaching (II!) gegen Umm-Salal. Katar hat die Open im Tennis, den Motorrad-Grand-Prix, Pferderennen, Golf (es gibt Rasen), Segeln. München hat Fußball, Fußball, Fußball und Fußball. Und außerdem in fast jeder populären Sportart ein Spitzenteam. Keine Argumente im Blatterschen Sportverständnis, das weiß man. Vielleicht aber das: Der Sportpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten wäre ihm sicher.

Umweltschutz

In oder um München ein Stadion zu bauen, ist höchst kompliziert. Überall Naturschutzgebiete, geschützte Bäume, seltene Tiere, das Erdreich voller Fliegerbomben. Könnte fast für Katar sprechen, wo es keine Bäume gibt, kaum Tiere - und es beim Spatenstich nur zur Explosion kommen könnte, wenn man eine Ölquelle ansticht. Doch gemach: Die Münchner Stadien existieren bereits, in Katar müssten sie neu gebaut werden (->Stadionfrage).

Und so unfruchtbar ist das Emirat gar nicht: Es gibt Wüstenhyazinthen im Norden. Dornbüsche. Sogar zwei, drei Palmen. Naturschützer sollten hier um jedes Blatt kämpfen! Statt Maulwürfen graben Wüstenspringmäuse im Boden, gefräßige Warane ersetzen hiesige Wildschweine, zwischen den Waranen wuseln sogar Igel herum. Blühende Landschaften in Katar! Warum sie durch Neubauten zerstören, wenn es in München schon alles gibt?

Kultur und Tourismus

Es gibt kein Bier in Dubai, und in Doha ist's auch nicht viel süffiger. Katar ist ein islamisches Land, das Einführen und der öffentliche Konsum von Alkohol sind verboten (weshalb man in England erwägt, nach dem Verlust der WM 2018 an Russland die WM 2022 freiwillig zu boykottieren). Schweinebraten ist nicht bekannt, und wenn vom runden Leder die Rede ist, sollte man sicher gehen, dass es sich nicht um einen von Sand und Sonne ausgedörrten Igel handelt. Eine Ochsenbraterei sucht man in Doha vergebens. München dagegen ist gastronomisch gesehen die weltoffenste Stadt überhaupt.

Das "Dehbaschi" in der Maxvorstadt (zwischen Königsplatz und Volkstheater) ist das älteste arabische Restaurant hierorts, auch im Sababa Imbiss im Lehel speist man authentisch orientalisch. Für die WM 2022 würde OK-Chefin Gabriele Weishäupl die Wiesn schon im Juni eröffnen und bis Oktober durchsaufen - ups, durchlaufen lassen, OB Bastian Schweinsteiger den ersten Banzen mit zwei Fußtritten anzapfen und WM-Botschafter Louis van Gaal die Welt zu Gast bei Feierbiestern willkommen heißen. Parallel könnte DFB-Präsident Philipp Lahm auf der historischen Wiesn arabisch-israelische Friedensgespräche moderieren, Maskottchen Udinho reicht dazu politisch-korrekten Schafskäse und selbst geerntete Oliven vom letzten Mykonos-Urlaub.sjo

Stadionfrage

Als ob Katar für vier Turnierwochen voll klimatisierte Arenen bräuchte, die mit Sonnenenergie gekühlt (!) werden müssen (->Umweltschutz), damit die Spieler nicht schon beim Warmlaufen kollabieren. Viel dringender wäre ein energieeffizientes Stadion für den sportlich und wirtschaftlich ineffizienten TSV 1860, für den 2022 schon irgendeine Betonschüssel abfallen würde.

Notfalls könnten die Löwen eines der in Doha geplanten Fix-und-Fertigbau-Stadien ablösen, die nach der WM eh wieder dem Wüstensand gleich gemacht werden sollen. Die Löwen könnten ihr Klappstadion dann immer im Bus mit sich führen zu ihren Bayernliga-Auswärtsspielen gegen Unterhaching II und Unterföhring, auf dass sie sich nie, nie, nie wieder heimatlos fühlen müssen in München.sjo

Infrastruktur

Die blanken Zahlen verheißen zunächst nichts Gutes: Katar zählt 1,699 Millionen Einwohner, ist damit ein Vielfaches größer als München (1,364). Noch gravierender fällt der Unterschied in der Fläche aus: Katar misst 11500 Quadratkilometer, München samt Landkreis nur 1000. Rechnet man den kompletten S-Bahn-Bereich hinzu, sieht es freilich anders aus. Und in der Höhe sowieso: München steht 519 Meter über den Dingen (gefühlt mehrere tausend), Katar muss sogar jedes Jahr Land ans Meer abtreten. Überhaupt ist dem Münchner das Streben nach Höhe und Weite ja in die Wiege gelegt.

Was er selbst nicht hat, sucht er sich woanders: Berge zum Skifahren in Garmisch, Bahnen zum Rodeln am Königssee. Sollte es mit Olympia 2018 klappen, wovon der Münchner fest ausgeht, tun sich ungeahnte infrastrukturelle Synergien auf: Betonierte Flächen in den Alpen lassen sich für die WM als Parkplätze nutzen, mit der Bahn gelangen die Fans zuverlässig wie eh und je zu den Spielstätten. Nur mal angenommen, so eine Klimaanlage fiele in Katar aus? Nicht jeder ist vor Umwelteinflüssen gefeit wie der Fifa-Chef. Also, Sepp Blatter, geben Sie sich einen Ruck: "And the winner is: Minchen."

© SZ vom 04./05.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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