Süddeutsche Zeitung

Wasserball:Schlau wie Spandau

Münchens Talente spielen als Teil einer Bayern-Auswahl in der U-18-Bundesliga - und schlagen sich dort wacker gegen die Elite um Berlin.

Von Sebastian Winter

Ivan Mikic hat an diesem Wochenende keinen Kopf für Weihnachtseinkäufe. Am Sonntag leitet er den Wasserball-Zweitligisten SG Stadtwerke München im letzten Heimspiel dieses Jahres gegen den ungeschlagenen Tabellenführer Frankfurt als Spielertrainer an. Es ist eine wichtige Partie, die hoch eingeschätzten Münchner sind derzeit mit einem Sieg, einem Remis und einer Niederlage nur Sechster. Tags zuvor hat Mikic eine vielleicht noch wichtigere, weil zukunftsträchtigere Aufgabe. Als Co-Trainer von Marko Ristic, der zugleich Kapitän von Münchens Zweitliga-Wasserballern ist, wird er die U-18-Junioren der SG im Spiel gegen den SSV Esslingen anleiten. Das Erstaunliche dabei: Die Talente spielen in der frisch renovierten Olympia-Schwimmhalle - und nicht wie die Männer gegen Frankfurt im versteckten Giesinger Anton-Fingerle-Bad. Außerdem treten die Junioren in der A-Gruppe der U-18-Bundesliga an. Mehr geht nicht im deutschen Nachwuchs-Wasserball.

Ihre Gegner sind die Talentschmieden der Großen dieses Sports: Spandau Berlin, bei den Männern seit 1978 bis auf vier Mal immer deutscher Meister, vielfacher Pokal- und Europacupsieger. Die aktuelle Tabelle führt Spandau, das Team um Nationalspieler Marco Stamm, wieder mal ohne Niederlage an. Dann der vielfache deutsche Meister ASC Duisburg, die White Sharks Hannover, die 2018 und 2019 die U-18-DM gewannen. Oder Traditionsklubs wie Esslingen, der kommende Gegner der Münchner, und Potsdam. "Wir wollen, dass die Jungs schon jetzt gegen die großen Namen spielen", sagt Mikic, "sie sollen Bundesliga-Luft schnuppern und dabei lernen, körperlicher zu spielen."

Ristic und Mikic betreuen die nächste Generation, die bald zu Münchens Männern hochgezogen werden soll - oder schon dort spielt. Und da es das mittelfristige Ziel der SG ist, auch bei den Erwachsenen in die erste Liga aufzusteigen, schadet es dem Nachwuchs sicher nicht, schon jetzt viel Wettkampfhärte zu sammeln. Die SG stellt sich dabei bislang auch gar nicht schlecht an. "Mit dem Sieg in Potsdam sind wir in der Liga angekommen", sagt Mikic. Gegen Potsdam hatten die SG-Talente am 1. Dezember im dritten Spiel ihren ersten Sieg gefeiert, 11:9 endete die Partie. Auch beim Auftakt gegen Hannover (8:12) und Duisburg (11:13) hielten sie gut mit, nur gegen Spandau Berlin hatten sie - natürlich - nicht den Hauch einer Chance: 4:18. "Nach unserem guten ersten Viertel war der FC Bayern des Wasserballs weitaus besser", sagt Mikic - und meint wohl den FC Bayern aus vergangenen Tagen.

"Spandau führt Talente ganz früh an die erste Mannschaft heran, bei denen trainiert gerade sogar ein Junge aus dem 2006er Jahrgang mit", sagt Mikic. 13-Jährige in der Bundesliga, in München gibt es das genauso wenig wie ein Bad, das wegen eines Wasserball-Trainings komplett gesperrt wird. "Ich wurde kürzlich bei unserem U-18-Spiel im Olympiabad von einem Badegast angeschnauzt, warum er jetzt nicht auf der 50-Meter-Bahn schwimmen könne. Ich habe mich dann bei ihm dafür entschuldigt, dass wir Kinder von der Straße holen", sagt Mikic ironisch.

Große Sprünge sind noch nicht möglich - in der Hauptstadt schliefen sie im Sechser-Zimmer

Die knappen Wasserzeiten für Spitzensport in München nerven auch ihn, zugleich ist Mikic froh um die U-18-Bundesliga. Die SG spielt darin nicht zum ersten Mal, und sie besteht auch nicht nur aus Münchnern. "Top-Team-Konzept" heißt die Idee eines Nürnberger Trainers, die in die schon länger bestehende Nachwuchskooperation der SG mit dem 1. FC Nürnberg und seiner traditionsreichen Wasserballsparte floss. Daraus entstand dann eine Art Bayern-Auswahl, in der sich inzwischen neben Münchner (der Großteil) und Nürnberger Talenten auch ein paar Weidener Wasserballer tummeln. 2017/18 und 2018/19 war die Auswahl schon in der U-18-Bundesliga gestartet, damals allerdings noch unter dem Namen 1. FC Nürnberg, dessen Nachwuchs da noch den Löwenanteil bildete.

Dieses Verhältnis hat sich nun zugunsten Münchens verschoben, daher nimmt die Auswahl nun auch als SG Stadtwerke München an der Bundesliga teil. "Mir ist das Projekt sehr, sehr wichtig, toll, dass wir es auf die Schiene setzen und den Jungs eine Plattform geben können", sagt der SG-Vorsitzende Andreas Füchsl. Die Spieler trainieren unter der Woche wie üblich bei ihren Heimatvereinen mit, den Kern des Teams bilden die Münchner Joachim Hess (Jahrgang 2002), Philip Siebenhaar, Luc Hirte und Thomas Perschthaler (jeweils Jahrgang 2004).

Die bayerischen Klubs wollen Synergien nutzen, die Talentförderung verbessern, auf dass es endlich mal wieder ein ähnliches Aushängeschild geben möge wie den SV Würzburg 05, der in den siebziger Jahren fünfmal deutscher Meister wurde. Immerhin spielen in der schwächeren B-Gruppe der Männer-Bundesliga aktuell in Weiden und Würzburg zwei bayerische Vertreter. Auch die SG entwickelt sich weiter. Ristic macht den A-Trainerschein, und Mikic sagt: "Ich möchte in München ein besseres Niveau im Wasserball haben als in den vergangenen Jahrzehnten." Die SG bekam von den Münchner Stadtwerken die Olympiaschwimmhalle für Spiele der A-Jugend-Bundesliga gestellt, die Kosten für Fahrten und Übernachtungen werden mit Weiden und Nürnberg geteilt. Große Sprünge sind nicht möglich, zu den Spielen in Berlin und Potsdam sind sie mit zwei Kleinbussen gefahren, übernachtet hat die Gruppe im Hostel, "die Jungs in Sechs-Bett-Zimmern, Marko Ristic und ich im Doppelzimmer", sagt Mikic und lacht: "Es ist insgesamt ein Schuss ins Blaue." Mikic hofft dabei auch auf zusätzliche Sponsoren durch die Spiele im Olympiabad.

Immerhin lief die Saisonvorbereitung gut, zum Trainingslager ging es Ende August nach Kroatien, Ferien mit Sportschwerpunkt quasi, ein internationales Turnier in Bosnien bildete den Höhepunkt. Die drittplatzierten Esslinger sind nun am Samstag (16 Uhr, Olympiaschwimmhalle) der nächste Prüfstein, neben Berlin und Hannover gelten die Schwaben als einer der Topfavoriten auf den Titel. Wenn die SG hinter diesem Trio auf Platz vier in die Playoffs geht, dann wären sie sehr glücklich in München.

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Quelle:
SZ vom 12.12.2019
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