Süddeutsche Zeitung

Wasserball:Kaventsmänner und Streichhölzer

Die SG Stadtwerke München mischt zum dritten Mal in Serie in der Zweitligaspitze mit, weil die Spieler mehr trainieren und die Trainer mehr Talente integrieren als je zuvor. Der Aufstieg ist aber erst mittelfristig anvisiert - auch wegen der Sanierung des Olympiabads

Von Sebastian Winter

Ivan Mikic hat seinen Spielern über Weihnachten erst einmal zwei Wochen frei gegeben. Sie sollten an etwas anderes denken als Wasserball. Einen kleinen Übungsplan haben Münchens Zweitliga-Männer aber doch bekommen von ihrem Coach. So ganz vertraute der 36-Jährige seinen Spielern dann wohl doch nicht in der genüsslichen Zeit von Fondue und Raclette. Aber er wollte eben auch ihre bisherigen Verdienste würdigen: Zweiter ist die SG Stadtwerke München vor dem Neujahrsstart am Sonntag zu Hause gegen Aufsteiger 1. FC Nürnberg, der zugleich Vorletzter der Zwölfer-Liga ist. Nur Traditionsklub Weiden steht punktgleich vor den Münchnern, die dem einstigen Erstligisten eine Woche vor Heiligabend ein 12:12 abtrotzten. "Das ist eine sehr gute Saison bislang", sagt Mikic, um sofort einzuschränken: "Wir haben aber auch erst fünf Spiele absolviert." Um genau zu sein: fünf von 22 bis zum Saisonfinale Ende Juni.

Nicht einmal ein Viertel dieser Spielzeit haben sie also hinter sich gebracht. Und doch kann man auch jetzt wieder von einer ziemlich erstaunlichen Geschichte sprechen, die Münchens Wasserballer schreiben. Wie schon in der vergangenen Saison. Und in der vorvergangenen. Nach dem Zusammenschluss von fünf Münchner Klubs zur Schwimmstartgemeinschaft (SG) Stadtwerke München vor knapp zehn Jahren spielen sie seit der Spielzeit 2009/10 wieder in der zweiten Bundesliga Süd. Jahrelang dümpelten sie dort als eher reife, mäßig ambitionierte Hobbytruppe im Mittelfeld herum. Doch seit Mikic 2014 Spielertrainer wurde, hat sich die Mannschaft rasant entwickelt. In der ersten Saison belegte sie völlig überraschend Platz zwei, am Ende der vergangenen Spielzeit wurden sie starker Dritter.

Mikic hat den Kader drastisch verändert, die sehr starke eigene Jugend eingebunden und mit erfahrenen Spielern aus dem Ausland ergänzt - die bei den SG-Wasserballern kein Geld verdienen, sondern wegen des Jobs nach München gezogen sind. Anton Bander, 16, Stefan Kovacevic, 17, oder Aaron Katona, 17, sind drei dieser Talente, der 16-jährige Torwart Filip Barisic soll am Sonntag gegen Nürnberg gar zu seinem ersten Ligaeinsatz kommen. Sein Trainer wünscht sich das so: "Unsere Jugendlichen haben mich erwartungsgemäß überzeugt", sagt Mikic. Neben ihnen spielen ausländische Routiniers wie der US-Amerikaner William Gorin, der Holländer Brinio Hond oder der nach seiner Schulterverletzung wieder einsatzbereite Spanier Ignazio Marian de Diego bei der SG. Und der gebürtige Münchner Marko Ristic, Kapitän und kolossale Säule der Mannschaft. Torjäger Ristic könnte in einem Gladiatorenfilm problemlos den muskelbepackten Statisten geben, dem vergleichsweise streichholzdürren Nachwuchs ist er allein deswegen ein Vorbild.

Mit dieser 20 Mann starken Multi-Nationen-Mannschaft, deren Altersspanne sich über 25 Jahre erstreckt, und viel Teamgeist etablieren sich die Münchner nun zum dritten Mal in Serie in der Zweitligaspitze. Weil nicht nur die Struktur, der Spaßfaktor und der innere Zusammenhalt der Mannschaft offenbar stimmen, sondern Mikic außerdem ihr Trainingspensum erhöht hat. Viermal pro Woche üben sie in der Olympia-Schwimmhalle, allerdings unter schwierigen Bedingungen. Montags haben sie nur eine Bahn für das Streckenschwimmen, außerdem müssen sie mangels Wasserzeiten sonntagmorgens um 9 Uhr trainieren - was vor allem den jüngeren Spielern nicht unbedingt einen Motivationsschub gibt. Zudem kann die SG wegen der Sanierung des traditionsreichen Bades dort anders als in den Vorjahren keine Heimspiel-Höhepunkte zelebrieren - in einer Zeit, in der Wasserball in München zu florieren beginnt und schon mal 300 oder 400 Besucher in die Halle lockte. Auch am Sonntag gegen Nürnberg (12.45 Uhr) werden sie also wieder in ihrem angestammten, aber viel zu kleinen und engen Anton-Fingerle-Bad in Giesing spielen. Im Untergeschoss eines schmucklosen Gebäudes, in das man erst über einen düsteren Hinterhof gelangt. Das dürfte in nächster Zeit so bleiben, mehr noch: Die SG-Wasserballer müssen sich wegen der Umbaumaßnahmen im Olympiabad wohl auch nach einer neuen Trainingsstätte umsehen. Schon ab Mai können sie nicht mehr im Olympiabad trainieren. "Das ist ein großes Problem", sagt Mikic.

Das Thema Aufstieg ist eng mit der infrastrukturellen Situation verknüpft. Die Wasserballer und der SG-Vorsitzende Andreas Füchsl, selbst einer der ihren, haben schon darüber gesprochen. Mikic sieht "die Jungs in zwei, drei, vier Jahren in der Lage, erste Liga zu spielen. Aber schon dieses Jahr aufzusteigen, ist glaube ich keine Option". Das Budget müsste deutlich wachsen, auf an die 100 000 Euro, vor allem bräuchte die SG ein erstligataugliches Bad, 25 Meter lang, 18 Meter breit und zwei Meter tief. Jenes im Isar-Gymnasium wäre kommende Saison die einzige Option weit und breit, allerdings sei es "schwierig, da reinzukommen", sagt Mikic. Ansonsten müssten die Münchner für Heimspiele nach Ingolstadt oder Nürnberg ausweichen, ein abwegiger Gedanke.

So konzentrieren sich Mikic und seine Männer in diesem frostigen Januar auf sich und ihre Aufgaben. "Wir haben knackige Wochen vor uns", sagt Mikic, der Leistungsträger aus Kroatien, der vielleicht seine letzte Saison spielt. Gegen Nürnberg sind die Münchner klarer Favorit, zwei Wochen später folgt ein schwerer Auswärts-Doppelspieltag in Pforzheim und Leimen, Anfang März dann das zweite große Duell gegen Primus Weiden. Danach wissen die SG-Wasserballer, wo sie wirklich stehen, in dieser wiederum erstaunlichen Geschichte.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2017
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