Volleyball:Weltübergangsstimmung

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Herrschings Volleyballer tun, was man in der Krise tun kann: Verträge mit Schlüsselspielern verlängern und optimistisch bleiben. Wann überhaupt die nächste Saison beginnt, weiß aber niemand.

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Würde man Herrschings Volleyballer dieser Tage spontan besuchen, man hätte zunächst den Eindruck, alles wäre normal. Ende Mai pausiert die Bundesliga (VBL) ganz regulär, der eine bereitet sich auf das Nationalteam vor, ein anderer verhandelt einen Vertrag, spielt Beach-Turniere oder gönnt seinem Körper ein paar Wochen Ruhe. Die Sommerpause ist bei Profis ja durchaus beliebt. Doch in diesem Jahr will sich das Feriengefühl nicht einstellen. Denn das Wort Pause ist per Definition eben kein Ende, sondern eine Unterbrechung - und genau da liegt das Problem: Die vergangene Saison wurde wegen der Corona-Pandemie abgebrochen. Wann und sogar ob die nächste im Herbst anbricht, weiß dagegen niemand.

Sicher ist momentan lediglich, dass niemand Beach-Turniere spielt (weil sie abgesagt sind) oder zu den Nationalteams fährt (weil die weder trainieren noch spielen dürfen). "Keiner schaut im Moment mehr als drei Wochen voraus, weil die letzten sechs Wochen gezeigt haben, dass es nicht viel bringt", sagt Herrschings Trainer Max Hauser fatalistisch. Statt sich mit Szenarien für den Herbst zu befassen, die er nicht vorhersagen geschweige denn beeinflussen kann, konzentriert er sich deshalb auf das, was zum jetzigen Zeitpunkt möglich ist: einen Kader zusammenstellen.

GER,VBL, SVG Lueneburg vs Vollleyball Bisons Buehl / 12.10.2019, Lueneburg GER, VBL, SVG Lueneburg vs Volleyball Bisons; Volleyball

Alle Bälle ruhen still: Die Volleyball-Saison ist virusbedingt abgebrochen, drei Teams haben sich aus der Bundesliga zurückgezogen, die Lage ist diffus.

(Foto: Nordphoto/imago)

Diagonalangreifer Jalen Penrose hatte bereits vor der vergangenen Saison für ein weiteres Jahr unterschrieben, Zuspiel-Talent Benedikt Sagstetter besaß ebenfalls noch einen Vertrag für die kommende Spielzeit. Ansonsten haben sich bisher der kanadische Außenangreifer Jori Mantha, Kapitän Johannes Tille sowie erst vor wenigen Tagen Mittelblocker Dorje Ilic und Angriffs-Allrounder Jonas Kaminski entschieden, auch in der kommenden Saison in Herrsching zu spielen. Weitere Gespräche laufen, und Hauser lässt durchblicken, dass er gerne noch ein paar mehr Spieler aus jenem Kader halten würde, der zum Saisonabbruch kurz vor den Playoffs Fünfter und damit so erfolgreich wie kein Herrschinger Team zuvor war.

Das hat mehrere Gründe. Zum einen sei es ein "großer Vorteil", sagt Tille, wenn wichtige Positionen unverändert blieben, "um schneller wieder da anzuknüpfen, wo wir letztes Jahr aufgehört haben". Zumal vor dem Hintergrund, dass ein regulärer Trainingsstart nicht gewährleistet ist und selbst dann fraglich wäre, ob vor Saisonbeginn Testspiele erlaubt werden, bei denen sich neu zusammengestellte Teams spielerisch finden können. Hauser rückt zudem die zwischenmenschliche Komponente in den Fokus. "Wir profitieren davon, wenn wir den Spielern vertrauen können", sagt er. Obwohl sich der Markt durch den Rückzug von gleich drei Erstligisten ungewöhnlich entwickelt hat, werde er deshalb "nicht alle Überlegungen über den Haufen werfen". Dabei wäre diese Option unter anderen Umständen durchaus verlockend gewesen; die Alpenvolleys, Rottenburg und die insolventen Volleys aus Eltmann hätten "im Prinzip 36 Spieler" auf den Markt gespült, "die da vorher nicht waren", sagt er. Doch niemand in der Liga wirkt derzeit sonderlich interessiert an Experimenten.

05.02.2020, Berlin, Volleyball, 1.Bundesliga, Männer, Hauptrunde, 16. Spieltag, Berlin Recycling Volleys gegen WWK Volle; Volleyball

Fatalismus: „Keiner schaut im Moment mehr als drei Wochen voraus, weil die letzten sechs Wochen gezeigt haben, dass es nicht viel bringt“, sagt Herrschings Trainer Max Hauser.

(Foto: Andreas Gora/imago)

Denn das größte Experiment wird die nächste Saison. Die mögliche Auflage, planmäßig in leeren Hallen zu spielen, schwebt wie ein Damoklesschwert über der auf neun Teams (plus die VCO-Kaderschmiede aus Berlin) zusammengeschnurrten Liga. "Falls es so kommen sollte, dass die ganze Saison in Geisterspielen ausgetragen wird, wissen wir aktuell nicht, was wir machen", gibt Hauser zu. Abgesehen von der nicht vorhandenen Atmosphäre würden fehlende Zuschauereinnahmen Herrsching empfindlich treffen - Nachverhandlungen schließt Hauser in diesem Fall nicht aus. Auch Tille fürchtet leere Tribünen mehr als Unsicherheiten bei der Saisonplanung. "Mir ist relativ egal, ob wir pünktlich starten, wichtig ist nur, dass die Zuschauer da sind", sagt er. Zur Not müsse man den Spielplan eben stauchen, "das geht schon".

Während im Mai vergangener Jahre die ersten Transfercoups und Saisonziele verkündet wurden, arbeiten die in der Liga verbliebenen Vereine in diesem Frühjahr auf Grundsätzlicheres hin. VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung zerstreute im ZDF alle Illusionen, der Einbruch der Wirtschaft und der Abbruch der Saison hätten keinen Einfluss auf die kommende Spielzeit. "Wir müssen diese Nach-Corona-Saison so überbrücken, dass es danach normal weitergehen kann", sagte er. "Wir werden sicherlich noch zwei, drei Saisons daran arbeiten müssen, wieder zurück auf den Stand von Ende 2019/20 kommen."

Es ist diese Übergangsstimmung, die auch in den Worten der Herrschinger Spieler anklingt, die in Kurzarbeit sind, aber zumindest privat wieder zu zweit und ohne Blocktraining auf den Beachplatz dürfen. "Technik und Ausdauer", sagt Kaminski, der parallel seit ein paar Wochen wieder als Chiropraktiker arbeitet, unter strengen Auflagen. Tille hofft, in Mühldorf bald ein Fitnessstudio zu finden, in dem er Gewichte stemmen kann, Mantha wünscht sich dasselbe in Kanada, und Penrose schmettert mit seiner Lebensgefährtin in den USA auf der Wiese die Bälle hin und her. Sie alle warten auf die Gewissheit, dass auch diese Sommerpause nur eine Pause ist.

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