Volleyball:Tanzend im Volleyball-Tempel

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Aufsteiger Herrsching sammelt in Berlin drei Punkte ein - und die Erkenntnis, in der ersten Liga angekommen zu sein

Von Sebastian Fischer, Berlin

Es war ruhig in der Max-Schmeling-Halle, ein paar Lichter waren schon aus, das Volleyballnetz abgehangen, Ordner in orangefarbenen Jacken blickten ungeduldig auf ihre Uhren. Da schallte ein letzter lauter Ruf durch die beinahe menschenleere Halle. Zwei Dinge waren aus dieser Salve, die ein schnauzbärtiger Mann mit blau-weißem Schal losgetreten hatte, herauszuhören: Stolz. Und Bier. Der Ruf lautete: "Schalalalalala - schalalalalala - Herrsching - Ammersee!"

Ein Fan des TSV Herrsching hatte ihn angestimmt, es war ein würdiger Rahmen für solches Liedgut. Der TSV hatte in der Hauptstadt zwar mit 1:3 (25:22, 23:25, 15:25,17:25) verloren, allerdings hatte er zwei Sätze lang stark gespielt, zumal für einen Aufsteiger beim deutschen Meister. Bereits am Freitag hatte Herrsching das Duell gegen das Nachwuchsteam VC Olympia Berlin klar mit 3:0 gewonnen - und sich dadurch auf den viertletzten Platz nach vorne gearbeitet. Doch vielmehr als schlicht sportlich überzeugt hatte der TSV am Samstag die knapp 3000 Zuschauer bestens unterhalten. "Ich glaube, die Berliner haben unseren Humor verstanden", sagte Trainer Max Hauser, und meinte die aufreizend selbstbewussten Tänze seiner Spieler nach Punktgewinnen.

Einer, der besonders viel getanzt und dafür zumindest von den 20 mitgereisten Herrschingern besonders viel gefeiert wurde, war Julius Höfer. Sicherlich ist die mannschaftliche Geschlossenheit der wichtigste Grund für das beachtliche Auftreten Herrschings. Doch es sind Spieler wie Außenangreifer Höfer, 22, aus Steingaden im Allgäu, an denen man die Entwicklung des Teams anschaulich nachverfolgen kann. Er ist jung und talentiert, wie viele seiner Kollegen. Und er ist seit 2012 dabei, damals spielte der TSV noch in der dritten Liga. Und jetzt in der Max-Schmeling-Halle, der größten deutschen Volleyball-Arena. Höfer staunte auch nach dem Spiel noch. "Gigantisch, einzigartig", sagte er.

Höfer kam im ersten Satz, in dem die Herrschinger immer wieder die Berliner Schwachstellen aufdeckten, auf Zugang Francesco De Marchi servierten und mit viel Risiko angriffen, noch nicht zum Einsatz. Doch im zweiten Satz, den der TSV nur knapp verlor, spielte er stark. Er finde sich gut zurecht in der ersten Liga, beinahe überraschend für ihn selbst, erklärte er. Höfer ist eigentlich Diagonalspieler, doch tritt er in dieser Saison als Außenangreifer auf. "Ich dachte, dass ich mit der Annahme mehr Probleme haben würde", sagte er: "Doch ich bin ganz zufrieden."

Ganz zufrieden war auch Trainer Hauser nach dem Spiel. "Wir durften nicht vor Ehrfurcht erstarren", sagte er - seine Spieler erstarrten nicht. Später jedoch, als die Berliner langsam zu ihrem Spiel fanden, ging dem Außenseiter die Konzentration etwas verloren, vielversprechende Angriffe endeten im Aus. Es sei die Konstanz, die noch fehle, merkte Hauser an. Doch solange das Team dies mit Begeisterung wettmache, die Hauser explizit auch in der Gestik abseits des Spielfeldes fordert, "solange nimmt uns das keiner krumm."

Diese Euphorie schien einige Spieler zu tragen, so wie Tobias Neumann, der als Zuspieler das TSV-Spiel dirigierte und am Ende von Berlins Trainer Mark Lebedew zum wertvollsten Akteur der Begegnung gewählt wurde. Oder Außenangreifer Luke Smith, der in den ersten beiden Sätzen außergewöhnliche Präsenz zeigte, Angriffe selbst einleitete und erfolgreich abschloss. "Die wissen, wie man Volleyball spielt", lobte der Berliner Kawika Shoji den Gegner.

Sowieso war das Spiel gegen den Meister eher das Kürprogramm für Herrsching gewesen - nach dem Pflichtsieg gegen den VC Olympia. Hauser hofft nun, dass sich die Mannschaft vom Lob der eigenen Fans und der Gegner nicht blenden lässt: "Wir dürfen uns nicht ausruhen." Auch am Samstag in Bühl nicht, wo alles wieder etwas kleiner ist als in der Volleyball-Metropole Berlin.

© SZ vom 17.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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