Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Stabil im Schlagabtausch

Grafings Zweitliga-Volleyballer ringen in einem hochklassigen Spiel Tabellenführer Karlsruhe nieder, übernehmen die Spitze und leisten sich auch gegen die Friedrichshafen Youngsters keinen Ausrutscher.

Von Katrin Freiburghaus, Grafing

Gefahr ist eine schwer fassbare Größe. Es gibt fraglos universell gefährliche Dinge, die man grundsätzlich bleiben lassen sollte; in flaches Wasser springen, im Geräteschuppen rauchen, solche Sachen. In vielen Momenten aber entscheidet die individuelle Situation darüber, was gefährlich wird. Das führt manchmal zu erstaunlichen Einschätzungen wie jener von Markus Zymmara, der am vergangenen Auswärts-Wochenende mehr Angst vor dem Tabellenletzten als vor dem Tabellenersten der zweiten Volleyball-Bundesliga Süd gehabt hatte. "Das schwierigere Spiel ist am Sonntag", hatte der Trainer von Grafings Volleyballern prognostiziert.

Ein guter Teil dieser Warnung mochte der Sensibilisierung der Spieler gegolten haben, unbegründet war das nicht. Am Samstag rang seine Mannschaft Tabellenführer Karlsruhe in einem hochklassigen Spiel mit 3:1 (25:13, 21:25, 25:23, 28:26) nieder, am Sonntag quälte sie sich bei den sieglosen Youngstars Friedrichshafen zu einem 3:0 (25:19, 25:21, 26:24). Im Spitzenspiel legte Grafing im ersten Satz los, als sollte die Sache möglichst schnell gehen: Karlsruhe hatte Probleme in der Annahme und war entsprechend harmlos, während Grafing seine 2:0-Führung zu Satzbeginn sukzessive zu einem klaren Vorsprung ausbaute, der jegliche Gegenwehr beim Gegner brach.

Im zweiten Durchgang brauchten die Grafinger lange, um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. Die Gastgeber erzeugten hohen Druck im Service und zwangen Grafing in die Defensive. "Das Problem ist unser erster Kontakt, wenn wir den stabilisieren, kommt das andere von alleine", sagte Zymmara in der Auszeit. Bis ihm sein Team Recht gab, dauerte es allerdings bis zum dritten Durchgang. Beide Teams lieferten sich nun einen offenen Schlagabtausch, wobei Grafing die leere Halle effektiver für sich nutzte. Ab der Satzmitte feierten die Gäste jeden Punkt wie den Matchball. "Wir haben gemerkt, dass wir nicht unseren allerbesten Tag haben - und dann geht es nur über die Emotionen", sagte Zymmara.

Am Ende entscheidet die größere Lockerheit zugunsten von Grafing

Seine Spieler kamen mit der Drucksituation besser zurecht als die immer ruhiger wirkenden Karlsruher. In der Spielvorbereitung war es um genau diese Situation und die eigene Erwartungshaltung gegangen. "Wenn man Meister werden will, ist die einfach hoch, aber wir müssen anerkennen, dass auch andere sehr gut spielen, und den Kampf dann annehmen", sagte Zymmara. Neben dem eigenen Einsatz spielte Grafing Karlsruhes Nervosität in die Karten. "Wir waren tendenziell einen Tick lockerer, die haben sich selbst sehr viel Druck gemacht", analysierte Grafings Julius Höfer. Der 29-jährige Angreifer war es auch, den Zuspieler Fabian Wagner in den entscheidenden Szenen suchte. "Julius hat uns phasenweise allein im Spiel gehalten", lobte Zymmara, "wenn er nicht an seine 100 Prozent gekommen wäre, hätten wir nicht gewonnen."

Viel Zeit blieb nicht, um den Sprung an die Tabellenspitze zu feiern. Noch in der Nacht auf Sonntag fuhren die Grafinger weiter nach Friedrichshafen, aber zumindest Zeitempfinden ist ja ähnlich relativ wie die Sache mit den Gefahren. Während einer Pandemie gewöhnt man sich an eigenartige Feier-Lokalitäten. Busse zum Beispiel. "Es ist bekannt, dass wir lustig drauf sind", kündigte Höfer unverdrossen an, "wir trinken heute sicher noch ein bisschen Bier." Auch Zymmara ging nicht davon aus, "dass die Jungs nachher aussteigen, Zähne putzen und schlafen gehen".

Gegen den VfB wechselte der Coach ausgiebig durch, dennoch forderte der Samstag seinen Tribut. Qualitativ kam die Partie nicht annähernd an das Niveau vom Vortag heran, Friedrichshafens Nachwuchs ließ aber aufblitzen, wovor Höfer gewarnt hatte: "Wenn die Lunte riechen, werden die richtig gefährlich." Grafing löschte diese Lunte zwar in jedem Satz gerade noch rechtzeitig. Trotzdem monierte Zymmara: "Es war jedes Mal irgendwie knapp." Einige hätten routiniert durchgezogen, "aber einige haben sich mitziehen lassen, da würde ich mir noch mehr Professionalität wünschen", sagte er. Mehr Kritik brachte er aber trotz der zähen Vorstellung nicht an den Mann. Er könne seinem Team bei fünf Punkten Vorsprung auf den neuen Zweiten Karlsruhe "ja auch nicht unbedingt einen Vorwurf machen". Dann gab es ein pandemiekonformes Mannschaftsessen: Parkplatz-Pizza in der Sonntagssonne.

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