Volleyball:Pro Spielerin ein eigenes Profil

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„Ich möchte in Lohhof einen Aufwärtstrend sehen“: In 16 Actiontypen unterscheidet Trainerin Elena Kiesling ihr Team. (Foto: Robert Burschik/oh)

Elena Kiesling verfolgt in Lohhof einen speziellen Trainingsansatz - und hat bislang trotz der jüngsten Niederlage in Bad Soden Erfolg damit.

Von Sebastian Winter, Unterschleißheim

Elena Kiesling war einigermaßen ernüchtert, als Lohhofs Zweitliga-Volleyballerinnen am frühen Sonntagabend aus Bad Soden wieder zurück Richtung Unterschleißheim fuhren. Die Trainerin hatte sich auf die Reise zu jenem Klub gefreut, bei dem sie acht Jahre lang Spielertrainerin gewesen war, vornehmlich in der zweithöchsten deutschen Spielklasse. Dass Bad Soden die Sonntagspartie dann aber mit 3:1 (28:26, 23:25, 25:22, 25:10) gewann und Lohhof im achten Saisonspiel die dritte Niederlage zufügte, hatte Kiesling nicht in ihrem Plan. Zumal Bad Soden zurzeit in der unteren Hälfte der Tabelle beheimatet ist, ganz anders als der Drittplatzierte Lohhof, der mit einem klaren Sieg an den Südhängen des Taunus zu Tabellenführer Wiesbaden II hätte aufschließen können. "Das war das erste Spiel, in dem wir underperfomt haben. Wir waren in allen Elementen schlechter, und Bad Soden hat Kamikaze im Außenangriff gespielt und alles getroffen", sagt Kiesling.

Seit dem vergangenen Sommer ist die 38-Jährige, die Sportwissenschaften sowie Amerikanistik studiert (und darin auch promoviert) hat, Trainerin in Lohhof. Kiesling, die auf den eher glücklosen Patrick Sprung folgte, teilt sich den Job mit Claudia Mürle, was für beide gewinnbringend ist. Denn Kiesling muss sich noch um ihre GmbH kümmern, die sich gerade in Gründung befindet, und um diverse Beachvolleyballteams, die sie betreut. Ihre eigene Karriere im Sand, die sie bis auf Platz neun bei der Europameisterschaft führte, hat sie im vergangenen Sommer wegen einer komplizierten Sehnenverletzung im Oberschenkel aufgegeben. Mürle, die frühere Erstliga-Zuspielerin, ist Mutter zweier Kinder - und seit vielen Jahren in Lohhof in diversen Funktionen aktiv. Sie kümmert sich bei den Zweitligafrauen eher um technische Details, Scout Fabian Zeitler um taktische Belange. "Die Mädels sind total happy mit den Coaches, sie haben sich im Vergleich zur letzten Saison weiterentwickelt", sagt Lohhofs Teammanagerin Martina Banse.

Kiesling ist eine Freundin klarer Ansprachen, zugleich hält sie nicht viel davon, sich jede Woche in Teamsitzungen über die diversen Befindlichkeiten der Spielerinnen auszutauschen. "Dort kann man auch ganz viel kaputtlabern", sagt sie. Die einfachen Dinge möglichst gut und fehlerfrei zu machen, außerdem den Spielerinnen möglichst viel Eigenverantwortung zu geben, das sind Grundlagen ihres Coachings - neben Athletiktraining, das für sie ohnehin der Schlüssel im Leistungssport ist. "Ich gebe ihnen Hilfestellung, Feedback, aber der Antrieb muss aus ihnen selbst kommen", sagt Kiesling. "Ich finde es auch Quatsch, ein konkretes Saisonziel zu formulieren. Die Mädels sollen dieses Jahr erst einmal unsere Coaching-Philosophie verstehen."

Diese Philosophie ist sehr speziell, in Deutschland gebe es den Ansatz bislang kaum, erzählt Kiesling. Er dreht sich im Groben um die ganzheitliche Entwicklung zu mündigen Athleten mit großem Spielverständnis. Es geht um Emotionen und Athletik, um Bewegung, Ernährung und auch Regeneration. Kiesling erstellt dabei für jede Spielerin ein so genanntes Action-Type-Profil, bei dem sie sich anschaut, wie sich die einzelne Athletin bewegt, wie sie wahrnimmt - und welche Emotionen sie zeigt. "Es geht darum, wie kreiert dieser Mensch Balance", sagt Kiesling. 16 Actiontype-Profile gibt es nach diesem Ansatz, auf dessen Basis Kiesling und das Trainerteam dann an ganz konkreten Trainingsinhalten arbeiten, zum Beispiel an der Schlagtechnik, der Zuspielgestaltung oder dem besten Anlauf vor dem Angriff.

10 000 Euro hat Kiesling nach eigenen Angaben in ihre Ausbildung investiert, und mit Liane Weber nun eine Firma gegründet, die Action-Types-Workshops nicht nur für Sportler, sondern auch für Firmen anbietet. Es ist ziemliches Neuland, auch für Kiesling, Lohhof ist in dieser Hinsicht auch eine Art Experimentierfeld. "All das steckt noch in den Kinderschuhen", sagt Kiesling selbst. Immerhin hat sie schon mit Beachvolleyball-Olympiasiegerin Laura Ludwig und deren Partnerin Margareta Kozuch zusammengearbeitet, aber in Lohhof hat sie noch längst nicht allen Spielerinnen Actiontype-Profile gegeben. Kiesling möchte eines in jedem Fall vermeiden: Dass die einzelnen Athletinnen durch die Erstellung eines solchen Persönlichkeitsprofils in eine bestimmte Schublade gesteckt werden. Es geht ihr eher darum, ein Team zu haben, das im besten Falle aus sich selbst heraus funktioniert.

Bislang fruchtet ihr Ansatz, Lohhof spielt mit Rückkehrerin Mona Boyer, Sandra Baier, Stefanie John, Laura Müller, Theresa Schieder und jungen Talenten so erfolgreich wie seit Jahren nicht. "Ich möchte in Lohhof gerne einen Aufwärtstrend sehen", sagt Kiesling, Rückschläge wie in Bad Soden gehören dazu. So etwas sieht Kiesling, die Profilerin, nur als nächste Herausforderung.

© SZ vom 24.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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