Süddeutsche Zeitung

Volleyball:No Deal

Nationalspieler Tom Strohbach verzichtet zugunsten des Studiums auf einen Profivertrag bei den Alpenvolleys Haching. Die verpflichten den unerfahrenen Kanadier Jerome Cross - und haben keinen Deutschen mehr im Kader.

Von Sebastian Winter, Innsbruck/Unterhaching

Tom Strohbach ist nie nur Berufsvolleyballer gewesen. Nicht bei Generali Haching, wo er 2013 den deutschen Pokalsieg feiern durfte, nicht bei Rottenburg, Herrsching oder dem italienischen Erstligaklub Vibo Valentia, wo er in der vergangenen Saison unter Vertrag stand. Auch nicht in der Nationalmannschaft, für die er 36 Mal spielte und mit der er 2015 die European Games in Baku gewann. Der Psychologie-Student hatte immer auch Bücher dabei, als Ablenkung und Futter für den Kopf. Er wollte auch nie ein Pseudostudium absolvieren, zwar eingeschrieben, aber ohne einen Schein zu machen, wie viele andere. Für die ganz große Sportkarriere stand ihm dieser Weitblick manchmal vielleicht auch im Weg.

Am Montag gibt Strohbach seine letzte Hausarbeit ab, dann hat er seinen Bachelor in Psychologie, wenn alles nach Plan läuft. Und im Herbst möchte der 27-Jährige den Master beginnen, Schwerpunkt klinische Psychologie oder Wirschaftspsychologie. Allerdings ist er dann - Stand jetzt - vereinslos. Denn sein geplantes Engagement bei den Hypo Tirol Alpenvolleys ist nach SZ-Informationen geplatzt, auch wegen seiner Studienpläne.

Der gebürtige Schweriner, der sich für das Master-Studium in München und Innsbruck beworben hatte, will bis September abwarten, wo er genommen wird; am liebsten wäre es ihm, in München zu bleiben. Das aber wollen die Alpenvolleys nicht akzeptieren. "Wir sind eine Profimannschaft und haben jeden Tag Training", sagt ihr enttäuschter Manager Hannes Kronthaler: "Wie soll das funktionieren, wenn wir in Innsbruck trainieren und er die Vorlesungen in München absolviert?"

Strohbach erholt sich zurzeit von einer Hüft- und Fußoperation, gerade hat er die Krücken beiseite gelegt. Die Alpenvolleys hatten ihm die restliche Reha und das Aufbautraining in Innsbruck sowie die Aussicht auf einen Vertrag ab Januar für den Rest der Saison mit Option auf eine weitere Spielzeit angeboten. "Ein besseres Angebot gibt es nicht", findet Kronthaler, ihm zufolge hatte der Spieler mündlich schon zugesagt. Strohbach hingegen wollte "offen und ehrlich sein" mit seinen München-Plänen, "ich hätte ja auch abwarten können bis September". Dass der Verein nicht mehr warten wollte, könne er verstehen, "der Master hat für mich aber Priorität".

Die Alpenvolleys haben nun das Problem, keinen einzigen Deutschen mehr im Kader zu haben. Der bisherige Quotendeutsche Jonas Sagstetter hatte sich im Frühsommer Aufsteiger Eltmann angeschlossen, um mehr Spielpraxis zu bekommen. Zugleich steht im Businessplan des Dreijahresprojekts aus Unterhaching und Innsbruck, das vorerst bis 2020 läuft, dass sukzessive die Hälfte der Mannschaft aus Österreichern und Deutschen bestehen soll - am besten aus Talenten mit Nationalmannschaftsperspektive. Bislang erfüllen aber nur die beiden Österreicher Florian Ringseis und Niklas Kronthaler dieses Kriterium. "Die Liga sagt, wir brauchen deutsche Spieler, und jetzt steht wieder in der Zeitung, dass wir keine deutschen Spieler haben", ärgert sich Kronthaler, der auch mit den Berlinern Anton Brehme und Linus Weber in Kontakt stand. Brehme, der bei den Alpenvolleys angeblich eine Stammplatz-Garantie eingefordert hatte, spielt nun in Lüneburg, Weber in Mailand.

Und die Alpenvolleys? Sie haben nun statt Strohbach den völlig unbekannten kanadischen Collegespieler Jerome Cross verpflichtet. Der 23 Jahre alte und 1,96 Meter große Perspektivmann gilt als zweiter Diagonalangreifer hinter dem Brasilianer Paulo Victor Costa da Silva, für die Stammformation ist er anfangs eher noch keine Option. "Von den Videos, die ich gesehen habe, ist das ein wahnsinniges Talent", sagt Alpenvolleys-Trainer Stefan Chrtiansky. So talentiert Cross ist, so unerfahren ist er aber auch: Als die Kopie seines Reisepasses im Büro der Alpenvolleys eintrudelte und auffiel, dass Cross' Dokument seit 2017 abgelaufen war, erwiderte dieser lapidar: "Ich habe bis jetzt keinen Pass gebraucht. Ich war noch nie außerhalb Kanadas engagiert."

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Quelle:
SZ vom 30.07.2019
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