Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Nirgends eine Abkürzung

Der TSV Unterhaching beendet die Saison als Tabellenletzter. Die Verantwortlichen betrachten das Abschneiden ihrer unerfahrenen Mannschaft als unausweichlichen Teil eines Prozesses.

Von Katrin Freiburghaus, Unterhaching

Bevor in der Oper jemand auf der Bühne erscheint, erklingt aus dem Orchestergraben die Ouvertüre. Darin wird die Handlung des Werks in komprimierter Form vorweggenommen. Nun ist die Volleyball-Bundesliga (VBL) in dieser Corona-Saison wahrlich keine Oper - dafür fehlen ihr Zuschauer und mit ihnen das nötige Flair. Auch betreten Musiker die große Bühne in der Regel am Ende ihrer Ausbildung - beim TSV Unterhaching war es nach dem außerordentlichen Aufstieg im Sommer genau umgekehrt.

Insofern ist es fast konsequent, dass die Hachinger Talente nun auch die Ouvertüre ans Ende des Werks setzten: Das 0:3 (32:34, 19:25, 18:25) gegen Düren am vergangenen Samstag war für sie die letzte Partie der Saison und folgte einer mittlerweile nur allzu bekannten Dramaturgie. "Wir haben im ersten Satz lange gut gespielt, aber - und das zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison - auch diesen Satz verloren", bilanziert Trainer Patrick Steuerwald. Sein Team habe überhaupt "viele gute Sätze gespielt - vor allem aber viele gute Sätze bis 20 Punkte", sagt er weiter. "Vielleicht haben wir ein bisschen zu oft verloren und damit auch den Glauben ans Gewinnen."

Das sei insbesondere gegen die Talentschmiede des VC Olympia Berlin frustrierend gewesen, zumal dadurch das Duell um den vorletzten Platz in der Tabelle an die Berliner ging, während Haching die Spielzeit mit lediglich einem 3:2-Erfolg am Tabellenende abschloss. Die persönliche Enttäuschung sei aber immer von der Frage begleitet gewesen, "was ich von meinem Team fordern kann", sagt der 34-Jährige. Bezogen auf nackte Resultate hatten sich die Verantwortlichen die Frage, was zu erwarten sei, ja schon vor der Saison selbst beantwortet: nichts. Man habe die fehlende sportliche Konkurrenzfähigkeit von Beginn an "mit allen Beteiligten transparent kommuniziert", sagt TSV-Geschäftsführer Mihai Paduretu.

"Wir haben einen schönen Betrag investiert, damit junge Spieler Erfahrungen auf höchstem Niveau sammeln können", sagt Paduretu

Auch ihn wurmt die Niederlage gegen den VCO. Davon abgesehen aber betrachtet er Unterhachings Erstliga-Rückkehr nach der Beendigung des Alpenvolleys-Experiments als geglückt. "Wir haben einen schönen Betrag investiert, damit junge Spieler Erfahrungen auf höchstem Niveau sammeln können", sagt er. Er ist mit seinem Fazit nicht allein; auch VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung wertet den Versuch, mit einem Mini-Etat und größtenteils unerfahrenen Talenten in der höchsten Spielklasse anzutreten, nicht als gescheitert. Ergebnisse fielen in den Interessensbereich der Vereine, er sehe "eher die Chance für diese jungen Spieler, am wöchentlichen Messen mit den Besten zu wachsen".

Eine Chance nicht nur für die Spieler: Auch für Steuerwald war es nach seiner Zeit als Co-Trainer für Österreich und in Friedrichshafen die erste Station als Chef neben dem Feld. "Auch ich habe meine Lektionen gelernt, Fehler gemacht, viel Lehrgeld bezahlt", sagt der ehemalige Nationalspieler. Eine Entwicklung seines Teams war erkennbar. "Wir sind den sportlichen Schritt gegangen, den wir uns gewünscht hatten", sagt Steuerwald, "es hat mehr am Mentalen gefehlt." Paduretu sieht auch das nüchtern. Es gebe "für eine unerfahrene Mannschaft keine Abkürzung von der zweiten Liga ins Playoff-Halbfinale".

Schon mit zwei, drei erfahreneren Spielern könne man sofort ein anderes Niveau erreichen, glaubt Trainer Steuerwald

Wenn es nach Paduretu geht, war diese Saison lediglich Auftakt zur Entwicklung eines konkurrenzfähigen Erstliga-Standorts. "Wir wollen den nächsten Schritt machen und werden alles dafür tun", sagt er. Bis Juni soll ein Etat beisammen sein. Ein Spielrecht für die erste Liga besitzt Unterhaching, da es wegen der Pandemie keinen sportlichen Absteiger gibt. Allerdings gibt es bisher auch noch keine konkreten Pläne. "Unser Ziel ist es, weiter erste Liga zu spielen", sagt Paduretu. Eine Entscheidung darüber, ob es klappt, werde jedoch sicher nicht mehr im März fallen, "das ist unrealistisch".

Somit bleibt für den Moment auch offen, ob und wie stark sich der Kader verändert. Bereits mit "zwei, drei erfahreneren Spielern" könne man "sofort ein anderes Niveau erreichen", glaubt Steuerwald. In dieser Saison lastete viel Verantwortung auf den Schultern der Brüder Jonas und Benedikt Sagstetter, die selbst erst 21 respektive 20 Jahre alt sind und in ihren vorigen Klubs kaum über Gelegenheitseinsätze hinausgekommen waren. Ob sie in Unterhaching zu halten sind, ist eine ebenso wesentliche Frage für die kommenden Wochen wie die, ob Kapitän Roy Friedrich nach seiner Abschiedsrunde durch die erste Liga wirklich aufhören oder noch mal ein Jahr dranhängen wird. Der Plan für die kommenden zwei Wochen steht hingegen. Es gibt eine Volleyball-Pause. Für alle. "Erstmal Abstand", sagt Steuerwald. Denn Entwicklung hin oder her: 19 Niederlagen schmerzen auch, wenn man vorher weiß, dass die Bühne noch eine Nummer zu groß ist.

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