Süddeutsche Zeitung

Volleyball:"Latente Arroganz"

Herrsching erlebt zu Hause ein 0:3-Debakel gegen den Tabellenvorletzten Giesen - und am Montag wartet das Derby in Unterhaching.

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Die Kunstfigur des Königs vom Ammersee nahm das Problem in der Herrschinger Nikolaushalle am vergangenen Donnerstagabend vorweg: Vor dem Anpfiff des ersten Rückrundenspiels der WWK Volleys Herrsching gegen die Volleyballer aus Giesen goss er eine angeblich hinter einem Bettlaken verborgene Pflanze. Die "Drei-Punkte-Blume" zierte sich daraufhin jedoch. Er goss und goss - es tat sich nichts. Schließlich kam für die nur knapp 700 Zuschauer doch noch eine große Drei zum Vorschein. Auch den Spielern von Trainer Max Hauser war anschließend nicht vorzuwerfen, dass sie sich nicht um die drei Punkte bemüht hätten, ihnen genügte die Spieldauer allerdings nicht, um den Fans etwas Zählbares zu präsentieren.

Das deutliche 0:3 (20:25, 21:25, 22:25) gegen den vorherigen Tabellenvorletzten aus Giesen, der sich nun auf den drittletzten Platz verbessert, war ein herber, aber verdienter Rückschlag im Rennen um eine gute Platzierung vor den Playoffs. Herrsching hielt jeweils bis zur Satzmitte dagegen, reihte dann aber in allen Durchgängen mehrere Fehler aneinander und erholte sich nicht mehr davon. Zwar bleibt der Klub vom Ammersee unverändert Tabellen-Sechster und in Schlagdistanz zu Frankfurt und Lüneburg. Der Abstand auf Platz neun, der nicht mehr zur Teilnahme an den Playoffs berechtigt, schrumpfte jedoch auf sieben Punkte zusammen. In der hinter Tabellenführer Berlin qualitativ sehr ausgeglichenen Liga ist das bei noch zehn ausstehenden Spielen kein allzu gemütliches Polster; das belegte nicht zuletzt die eigene Niederlage gegen Giesen.

Viel mehr als der Tabellenstand beunruhigte Hauser indes die spielerische Vorstellung seines Teams, die er als Beleg für "eine latente Arroganz" wertete; wohlgemerkt nicht in Bezug auf den Gegner, sondern vor allem in der Vorbereitung auf die Partie. "Diese Arroganz steht uns ganz und gar nicht", fügte er zerknirscht hinzu. Zuspieler Johannes Tille präzisierte, worauf sich Hausers Vorwurf bezog: "Wir haben heute genau so gespielt, wie wir seit Silvester trainiert haben: unkonzentriert, viele Fehler, es ist nichts zusammengegangen." Hauser war mit der Trainingsleistung der Spieler bereits gegen Ende der Hinrunde nicht mehr zufrieden gewesen. Er betonte, dass seine junge Mannschaft voller Talent stecke, aber im Erfolgsfall auch anfällig für den Gedanken sei, es laufe von allein. Dabei müsse "jeder Spieler wissen, dass er für die drei Prozent, die er hier besser sein will als der Gegner, seine Hausaufgaben machen muss".

Gegen Giesen zeigten die Herrschinger immer wieder gute Aktionen, ließen die Grizzlys aber spätestens ab einer Ein-Punkte-Führung mit Eigenfehlern wieder vom Haken. Die Differenz der Eigenfehler beider Teams in den jeweiligen Sätzen entsprach fast exakt der Punktedifferenz beim Ergebnis. Im gesamten Spiel ging Herrsching lediglich beim 10:8 im dritten Satz einmalig mit zwei Punkten in Führung. "Dadurch ist Giesen nie unter Druck geraten und konnte locker aufspielen", monierte Hauser. Mit einer guten Annahme-Leistung baute Herrsching immer wieder etwas auf, das anschließend durch einen der 15 Aufschlagfehler oder ein Loch in der Abwehr in sich zusammenkrachte. Als hätte man beim Hausbau auf sandigem Grund vergessen, vorher das Fundament zu gießen.

Hauser identifizierte dieses Fundament als fehlendes Selbstbewusstsein, was nur vermeintlich im Widerspruch zur Arroganz-Beobachtung steht. Denn das nötige Selbstbewusstsein habe kein Sportler automatisch. Die Mannschaft müsse es sich erarbeiten, "und wir haben das im Training nicht genug gemacht", sagte er. Für Korrekturen bleibt bis zur nächsten Partie am Montag kaum Zeit. Dann tritt Herrsching in Unterhaching bei den Alpenvolleys zum Derby an, das live im Free-TV übertragen wird (18.30 Uhr, Sport 1). Deren Trainer Stefan Chrtiansky hat schon mal klar zum Ausdruck gebracht, "dass wir dieses Spiel gewinnen wollen".

Für Hauser sei es von Vorteil, "dass wir da nicht in der Favoritenrolle sind - dann ist man schon mal nicht arrogant". Zudem bringe "uns so eine Niederlage voran". Vielleicht lässt Herrschings Trainer auch eines hoffen vor dem Derby: Die Alpenvolleys haben seit ihrem Umzug in die Bundesliga noch kein einziges TV-Spiel gewonnen.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2020
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