Volleyball:Fünf-Punkte-Camping

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Weiterhin mit Herrsching auf der Jagd nach Erfolgen: Libero Ferdinand Tille (li.) und Außenangreifer Tim Peter. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Herrschings Volleyballer kehren erfolgreich von ihrer Reise nach Berlin zurück. Im Münchner Audi Dome spielen sie 2020 wegen Corona wohl nicht mehr.

Von Sebastian Winter

Max Hauser hat gerade keinen leichten Job. Der 36-Jährige ist nicht nur Trainer von Herrschings Erstliga-Volleyballern, sondern in diesen Tagen auch Führer einer Reisegruppe, die die Tücken der Corona-Pandemie umschiffen muss. Und das ist auch für Spitzensportler eine Herausforderung, wie die Herrschinger zu spüren bekamen. Sie starteten jedenfalls am Dienstag mit Lunchpaketen ihres Stammlokals Richtung Berlin in ihre englische Woche, so einfach ist es ja heutzutage nicht mehr, zwischendurch an der Autobahnraststätte eine Snackpause einzulegen. Die eigene Kaffeemaschine hatten sie auch eingepackt, "wir rüsten uns inzwischen mehr wie Camper aus", sagte Hauser.

Zwei Spiele standen auf dem Programm, am Mittwoch die schwere Partie bei den Netzhoppers Königs Wusterhausen, am Donnerstag das vermeintlich leichtere Duell gegen die Talente des VC Olympia Berlin. Zur sportlichen Bilanz sei gesagt, dass sie höchst zufriedenstellend ausfiel aus Herrschinger Sicht. Denn Hausers Mannschaft bezwang nicht nur die stark in die Saison gestarteten Netzhoppers 3:2 (15:25, 25:22, 22:25, 25:17, 15:11), sondern auch - mit nur noch neun Mann im Kader - die Berliner 3:1 (22:25, 25:19, 25:23, 25:18). Mit den fünf zusätzlichen Zählern steht Herrsching, das allerdings zwei Spiele mehr als die direkte Konkurrenz absolviert hat, auf Rang drei, hinter den punktgleichen Klubs aus Berlin und Bühl, aber vor Düren und Friedrichshafen.

"Ein weich gekochtes Ei und ein Müsliriegel: Das war das schlechteste Frühstück meines Lebens"

Den Trip in die Hauptstadt werden Hauser und seine Mannschaft aber auch wegen des Drumherums so schnell nicht vergessen. Da in Königs Wusterhausen keine einzige Unterkunft geöffnet hatte, quartierte sich das Team in einem Hotel am Rande Berlins ein, eine halbe Stunde entfernt vom Spielort. Verpflegung gab es dort aber nicht, "das hat sich alles etwas kompliziert gestaltet", sagte Hauser. Am Mittwochmorgen habe es "eine Art Lunchbox mit Müsliriegel und einem weich gekochten Ei" gegeben, "das schlechteste Frühstück meines Lebens", wie Hauser fand, "so etwas habe ich noch nie erlebt."

Am Donnerstag, ein paar Stunden vor dem Spiel gegen Berlin, verabschiedete sich dann Libero Ferdinand Tille vom Team. Aus München hatte ihn die Nachricht erreicht, dass die Geburt seines Sohnes unmittelbar bevorstehe. Abends um 22 Uhr, also kurz nach Schlusspfiff in Berlin, war es dann soweit, der Familie Tille geht es gut, alle sind wohlauf.

Herrsching, das schon den am Knöchel verletzten Diagonalspieler Jalen Penrose am Ammersee gelassen hatte, musste aber wieder improvisieren, diesmal auf dem Feld. Außenangreifer Jori Mantha, gegen die Netzhoppers noch MVP, vertrat Tille in Annahme und Abwehr, nach anfänglichen Problemen machte er das ordentlich. Letztlich verhalf die größere Erfahrung den quasi mit dem letzten Aufgebot spielenden Herrschingern zum Sieg. Die ansprechendere Leistung hatte der Klub tags zuvor in Königs Wusterhausen gezeigt, in einem extrem engen Spiel, in dem nur Nuancen über Sieg und Niederlage entschieden. "Es war von beiden Teams ein sehr, sehr gutes Spiel. Wir haben glücklich gewonnen", sagte Hauser, der beeindruckt war, "wie meine Mannschaft sich da durchgekämpft hat". Die Blocker Dorde Ilic und Luuc van der Ent hatten eine starke Angriffsquote, Jonas Kaminski ersetzte Penrose sehr ordentlich, und Mantha, der spätere Libero, gefiel als Allrounder mit drei Assen, in Block, Annahme und Angriff.

Die Herrschinger - inklusive Tille - können das anstehende freie Wochenende nun gut gebrauchen für eine kleine Pause, um Kräfte zu sammeln für die nächsten beiden Samstage. Dann kommen Bühl und Düren in die Nikolaushalle, zwei unmittelbare Konkurrenten in der Spitzengruppe. In diesen Spielen dürfte sich auch entscheiden, wo Hausers Mannschaft tatsächlich in der Liga steht. Es folgt das Derby in Unterhaching, und am 20. Dezember ist eigentlich die Premiere im Audi Dome gegen den Serienmeister Berlin geplant.

Doch der erste Auftritt in München wird wohl - wie schon damals das Playoff-Viertelfinale am 1. April - erneut abgeblasen. Dasselbe gilt für die Partie gegen Giesen am 28. Dezember. Ein Geisterspiel im Audi Dome hätten die Herrschinger wegen der hohen Hallenmiete nur erwogen, wenn es zugleich als Livespiel im Free-TV gezeigt worden wäre. Doch ein solches Spiel ist laut der Volleyball-Bundesliga bei Sport 1, das ohnehin nur sechs Männer-Duelle und weitaus mehr Partien aus der Frauen-Bundesliga in der Hauptrunde zeigt, nicht geplant. Auch wegen Überschneidungen mit der Darts-WM, die von dem Sender großflächig übertragen wird. "Mein Herz blutet, ich würde am liebsten gleich morgen im Audi Dome spielen, die Unterstützung des FC Bayern Basketball ist enorm", sagt Herrschings Geschäftsführer Fritz Frömming: "Aber ein reines Geisterspiel ohne TV ist nicht finanzierbar. Ich bin da auch enttäuscht von der Liga."

Sollte der Inzidenzwert in München in den nächsten vier Wochen also nicht so stark fallen, dass Zuschauer wieder zugelassen werden können, empfangen Herrschings Volleyballer Berlin zum Topspiel vor Weihnachten und danach auch Giesen mal wieder in ihrer Nikolaushalle.

© SZ vom 21.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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