Süddeutsche Zeitung

Volleyball-Europapokal:Licht in der Vorstadt

Die Alpenvolleys Haching gewinnen gegen den finnischen Meister Sastamala in drei Sätzen. Für den Einzug ins Achtelfinale würde ihnen im Rückspiel am Dienstag sogar eine 2:3-Niederlage reichen.

Von Sebastian Winter, Unterhaching

Sie wirkten entspannt vor dem ersten Europapokal-Auftritt in dieser Saison. Die Spieler der Alpenvolleys Haching versammelten sich rund zwei Stunden vor dem Anpfiff des Sechzehntel-Finales im CEV-Cup gegen den finnischen Meister Levoranta Sastamala im Foyer ihres Unterhachinger Hotels, wo sie übernachtet hatten. Saso Stalekar telefonierte in die slowenische Heimat, die Brasilianer spielten wie üblich Karten, ein paar Profis aßen noch ein (kleines) Stück Kuchen. Und ihr Trainer Stefan Chrtiansky, der ohnehin auf und neben dem Feld einen Ruhepuls von maximal 40 Schlägen pro Minute zu haben scheint, trank wie gewohnt seinen Nachmittagsespresso. Sie spazierten dann wie üblich zur Halle, knapp zehn Minuten sind es ja nur zu Fuß, im Münchner Süden ist alles beschaulicher als in ihrem Hauptquartier in Innsbruck. Und Chrtiansky sagte noch, bevor sie losgingen: "Mein Gefühl ist gut, wenn wir konstant spielen."

Stell' dir vor, es ist Europapokal, und kaum einer geht hin: Nur 400 Fans sehen sich das Spiel an

Der Australier Jordan Richards machte dann auch mit einem gefühlvollen kurzen Ball über Sastamalas Block hinweg den ersten Punkt des Spiels, und den Alpenvolleys gelang vor der Minuskulisse von gerade einmal 400 Zuschauern auch der letzte an diesem Mittwochabend: Mit 3:0 (25:20, 26:24, 25:22) setzte sich Chrtianskys Mannschaft in 74 Spielminuten gegen den derzeitigen Zweiten der finnischen Liga durch. Auch der Wunsch des Trainers nach Konstanz hatte sich über weite Strecken der Partie hinweg erfüllt, wobei Chrtiansky das deutliche Satzergebnis relativierte: "Es war der erwartet heiße Kampf, aber wir haben in den wichtigen Momenten Druck gemacht und auch unsere Ruhe bewahrt." Der Alpenvolleys-Trainer sprach nach dem Schlusspfiff von einer guten Teamleistung. Er lobte zugleich Niklas Kronthaler für dessen stabile Annahme, Zuspieler Danilo Gelinski, den er eigentlich immer lobt, und Jérôme Clère, der früh den eher indisponierten Außenangreifer Jordan Richards ersetzt hatte. Der brasilianische Hauptangreifer Paulo da Silva untermauerte mal wieder seine Ausnahmestellung als aktueller Topscorer der gesamten deutschen Liga auch auf europäischer Ebene. Mit einem Ass, drei direkten Blocks und insgesamt 21 Punkten war er wie so oft der auffälligste Spieler und stärkste Punktesammler auf dem Feld.

Mit dem klaren Erfolg haben sich die Alpenvolleys eine sehr gute Ausgangsposition fürs Rückspiel am kommenden Dienstag in Tampere geschaffen, wohin Sastamala wegen seiner kleinen Halle ausweicht. Den Alpenvolleys reicht dort eine 2:3-Niederlage, um ins Achtelfinale des zweithöchsten europäischen Wettbewerbs einzuziehen. Sollten sie 1:3 oder 0:3 verlieren, hätten sie direkt im Anschluss in einem "Golden Set" weiterhin die Chance, die nächste Runde zu erreichen. Dort würden die Alpenvolleys voraussichtlich auf den so attraktiven wie schlagbaren Gegner Thessaloniki treffen. Die Griechen gewannen ihr Hinspiel in Lwiw (Ukraine) 3:1.

Die Dramaturgie des Spiels ist recht zügig erzählt: Im ersten Satz gerieten die Alpenvolleys schnell mit 2:5 in Rückstand, den vor allem Sastamalas 41-jähriger Zuspieler Mikko Esko (der zwischen 2001 und 2003 für Unterhaching am Netz stand) verantwortete. Doch der Alpenvolleys-Block stand in den wichtigen Phasen Richtung zweite Satzhälfte. Clère gelangen beim 17:17 gleich zwei dieser Mauerpunkte am Netz, Saso Stalekar der dritte zum 24:19. Stalekar verwandelte anschließend mit einem wuchtigen Angriff auch den Satzball. Danach ging es recht eng weiter, Sastamala führte im zweiten Satz 22:21, doch wieder verließ die Finnen der Mut - dafür glückte Clère der entscheidende Angriff zum 26:24. Im dritten Satz gingen die Gäste gar mit 13:9 in Führung, doch diesmal führte Paulo da Silva die Alpenvolleys wieder heran. Am Ende war es Sastamalas Außenangreifer Erik Sundberg, der den Alpenvolleys mit drei Fehlern in Serie den letzten Durchgang schenkte.

Der Finne Esko ging nach dem Schlusspfiff in den VIP-Raum, wo er mit seinem damaligen Trainer und jetzigen Alpenvolleys-Sportdirektor Mihai Paduretu und anderen Veteranen auf alte Hachinger Zeiten anstieß. Alpenvolleys-Libero Florian Ringseis, der ebenfalls ein gutes Spiel machte, dehnte sich noch mit seinen früheren Kollegen auf dem Feld - der österreichische Nationalspieler hatte 2017/18 für Sastamala gespielt. Auch Ringseis war zufrieden: "Wir haben das heute mit Konzentration und Selbstbewusstsein gelöst. Das hat uns bisher ein bisschen gefehlt."

Nun erwartet die Alpenvolleys, die in der Nacht noch nach Innsbruck zurückfuhren, eine komplizierte Reise. An diesem Freitag fliegen sie von München nach Hannover, wo sie den Bus nach Giesen nehmen. Die heimstarken Grizzlies erwarten sie am Samstag zum Ligaspiel. Über Helsinki geht es tags darauf nach Tampere, zum Rückspiel im CEV-Cup. Nach ihrer Rückkehr nach Innsbruck fahren sie am Freitag nächster Woche wieder gen Unterhaching - zum Heimspiel gegen Lüneburg. Ringseis kann den Teamkollegen im Norden nicht mal als Reiseführer dienen. "Ich kann auf finnisch nur fluchen und Schinken kaufen, aber so gut schmeckt der dort nicht", sagte er. Er hoffe, zumindest mal die Sonne zu erhaschen. Einfach wird das nicht in diesen Tagen, in denen sie in Tampere um 15 Uhr schon wieder untergeht.

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Quelle:
SZ vom 13.12.2019
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