Süddeutsche Zeitung

Volleyball:"Das ist auch eine Spielwiese für meinen Job"

Markus Zymmara, junger Volleyball-Trainer des erfahrenen Zweitliga-Tabellenführer TSV Grafing, spricht im Interview über den möglichen Titel, verpasste Chancen, den anstehenden Generationswechsel im Team - und warum er als Cheftrainer nach nur einer Saison aufhört.

Von Sebastian Winter, München

SZ: Herr Zymmara, am Wochenende hätten Grafings Volleyballer theoretisch Zweitligameister werden können. Stattdessen gab es nach dem Samstags-Sieg in Delitzsch tags darauf eine bittere 1:3-Niederlage in Gotha, die das Titelrennen wieder spannend macht. Wie war die Stimmung auf der Rückfahrt?

Markus Zymmara: Die war schon gedrückt, das kann man nicht leugnen. Es war ein schweres Spiel gegen einen riesen Brocken, Kompliment an Gotha, sie haben unfassbar gut aufgeschlagen. Es fühlt sich so an, als hätten wir krass was verloren. In der Kabine habe ich zu den Jungs gesagt: ,Ich würde jetzt lügen, wenn ich sage, das war geil. Aber am Ende haben wir noch zwei Spiele zu spielen, noch immer zwei Punkte Vorsprung vor unserem direkten Verfolger Karlsruhe und das leichtere Restprogramm.' Dennoch gehen wir mit einem schlechten Gefühl in das kommende freie Wochenende.

Das 1:3 in Gotha war erst die vierte Niederlage in dieser Saison, bei 22 Siegen. Zuletzt hat Grafing achtmal in Serie gewonnen - unter anderem beim Verfolger Karlsruhe. Fangen bei den Spielern nun die Nerven an zu flattern, auf der Zielgeraden zum Titel?

Es stimmt, wir waren nicht so frisch im Kopf. Die Angst vor dem Verlieren wiegt immer ein bisschen schwerer als die Hoffnung zu gewinnen. Und man spürt gerade, dass wir etwas verlieren können, dass der Druck da ist. Karlsruhe hat dagegen abgeliefert, beide Spiele in Gotha und Delitzsch gewonnen. Trotzdem: Für uns ist das irrelevant. Wenn wir unsere beiden Spiele in Bliesen (24.4.) und gegen Kriftel (1.5.) gewinnen, sind wir durch.

Sie würden Grafings Volleyballer zur zweiten Zweitliga-Meisterschaft nach 2018 führen, obwohl Sie quasi keine Vorerfahrung als Cheftrainer im höherklassigen Volleyball haben.

Ja, megacool, ich würde mich sehr darüber freuen, mit 30 Jahren als Trainer Zweitliga-Meister zu werden. Aber man muss auch erst einmal gefragt werden, diesen Job zu übernehmen, obwohl man so wenig Erfahrung hat. Ich habe noch nichts vorzuweisen, mein einziger Titel als Trainer war Bezirksligameister 2010 oder so. Die Trophäensammlung ist also ziemlich klein. Aber es ging um einen neuen Impuls, nachdem Alexander Hezareh hier fünf Jahre lang sehr erfolgreich gearbeitet hat. Ich habe mir dann die richtigen Leute dazu geholt, wie Marvin Polte und Bastian Henning als Co-Trainer, oder Florian Zach als Scout. Die Mannschaft hat sowieso auch ohne Trainer das Potenzial, den Titel zu gewinnen.

Am Sonntag sagten Sie der SZ, dass Sie nach nur einer Saison schon wieder aufhören wollen als Grafings Chefcoach. Warum?

Ich hatte von Anfang an geplant, das nur ein Jahr lang zu machen und habe schon früh zu Manager Johannes Oswald gesagt, dass ich nicht der Trainer bin, der drei, vier Trainings pro Woche machen kann. Ich habe ja einen normalen Job als Ingenieur bei BMW, das Trainerding ist noch mal ein halber obendrauf. Eine junge Mannschaft braucht aber mehr als zwei Übungseinheiten pro Woche.

Beim TSV Grafing funktioniert es offenbar auch anders.

(lacht) Ja, wir sind glaube ich die einzige Mannschaft in der zweiten Liga - Nord und Süd, Männer und Frauen alles eingeschlossen - die nur zweimal wöchentlich trainiert. Neben der Unimannschaft aus Köln. Die trainieren auch nur zweimal, machen aber dafür sonst zehnmal pro Woche Sport, weil das alles Sportstudentinnen sind. Bei uns arbeiten alle. Es funktioniert deswegen, weil viele unserer Spieler früher öfter trainiert haben, wie Julius Höfer aus der ersten Liga kommen oder wie unser Zuspieler Fabian Wagner ein riesiges Talent haben. Und weil die Trainingsbeteiligung bei fast 100 Prozent liegt.

Warum kann es nicht so weitergehen?

Der Generationswechsel steht bevor, Höfer, Wagner und andere Stützen werden langsam kürzertreten. Für Grafing geht es nächstes Jahr darum, die ganz jungen Spieler - da rede ich von den 16- oder 17-jährigen Grafingern, die gerade beim VC Olympia München ausgebildet werden - in die Mannschaft zu integrieren, ohne das Prädikat zweite Liga zu verlieren. Das ist ein neues Konzept, das über Jahre entwickelt werden muss. Ich sehe mich gerade aber nicht als Ausbildungstrainer. Wie es ist diese Saison, ist es perfekt.

Wie haben Sie es geschafft, das Team so zu überzeugen?

Ich habe am Anfang gesagt, als wir unser Konzept vorgestellt haben, dass Spaß an erster Stelle steht. Wenn jemand keinen Spaß hat, soll er nicht kommen. Und ich bin transparent in meinen Entscheidungen, offen für Rückmeldungen. Wir machen nach jedem Training eine Feedback-Runde, drei Spieler müssen etwas sagen, es geht immer mit dem Positiven los. Taktik, Organisatorisches, alles Mögliche wird da besprochen. Ich versuche, viel zuzuhören, auf Augenhöhe zu sein. Als Trainer, der genauso alt ist wie manch Spieler, ist es schwierig, ein autoritärer Typ zu sein. Das ist auch nicht mein Führungsstil.

Sie experimentieren also auch in gewisser Weise?

Grafing ist ganz sicher auch eine Spielwiese für meinen Job. Man ist als Trainer der Entscheider, kann sich ausprobieren, lernt viel über Menschen. Mir macht das richtig Spaß, auf sie einzugehen, verschiedene Methoden zu benutzen. Ich probiere mich aus, schaue, was klappt, was klappt nicht, welche Rituale helfen vielleicht.

Das ständige Corona-Thema kam in diesem Winter noch hinzu.

Am Ende geht es darum, dass wir gut moderieren, jedem das Gefühl geben, dass man seine Sorgen und Ängste wahrnimmt. Ich bin in den letzten Monaten immer mit den Vorsichtigsten gegangen. Beim kleinsten Halskratzen gilt: Safety first. Wir haben inzwischen ein sehr aufwändiges System, mit Tests vor jedem Training. Auch weil einzelne Spieler gesagt haben, die bei sehr kleinen Firmen arbeiten, sie müssen das beruflich machen, weil sie keine 14-tägige Quarantäne riskieren können.

Was sind Ihre Pläne nach dieser Saison?

Eigentlich wäre ich längst im Ausland, ich hätte letztes Jahr bei BMW fast einen Dreijahres-Vertrag als Expat in Singapur unterschrieben. In letzter Sekunde bin ich davon aus beruflichen Gründen zurückgetreten. Eine Weltreise möchte ich auf jeden Fall machen, bis zu zwölf Monate. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der das gemacht und gesagt hat, ,das war jetzt blöd'. Die Freiheit und die finanzielle Möglichkeit habe ich mir geschaffen in den letzten Jahren.

Und im Volleyball, erst einmal Pause?

Viele meiner Freunde fragen mich ja grade, krass, Tabellenführer, spielt ihr nächstes Jahr erste Liga oder international? Da lacht man dann ein bisschen. Auf der Rückfahrt von Gotha nach München habe ich mir Berlin gegen Friedrichshafen angeschaut - das sind dann schon noch mal andere Welten. Aber ich könnte mir vorstellen, bei Max Hauser in Herrsching in die erste Liga hineinschnuppern. Die Türen stehen dort ja immer offen.

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