Volleyball:Arbeiter mit Hybridantrieb

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Kam Mitte des zweiten Satzes nach einer kuriosen Schiedsrichterentscheidung etwas aus dem Tritt: Tim Peter. (Foto: Bernd König/imago images)

Herrschings Außenangreifer Tim Peter wehrt sich am meisten gegen das 0:3 beim deutschen Meister Berlin.

Von Sebastian Winter, Berlin/Herrsching

Tim Peter hätte gerne noch geschlafen am Donnerstagmorgen, nach der nächtlichen Heimreise aus Berlin. Erst um halb sechs Uhr in der Früh war die Mannschaft nach München - wo auch Peter wohnt - zurückgekehrt. Der 22-jährige Außenangreifer der Herrschinger Volleyballer musste aber, wie Libero Ferdinand Tille, gleich weiter zur Arbeit. Peter, Maschinenbaustudent, macht gerade ein Praktikum bei einem Technologieunternehmen nahe dem Ammersee.

Eine Woche lang waren Peter, Tille und Co. zuvor mit dem Erstligisten durch den Norden gereist, am vergangenen Samstag schlugen sie überraschend Lüneburg mit 3:0 und fuhren direkt in die Hauptstadt weiter. Dort verlor Herrsching seine Mittwochspartie gegen den deutschen Meister Berlin in der Max-Schmeling-Halle vor knapp 3500 Zuschauern dann mit 0:3 (20:25, 15:25, 23:25). Es war der Moment, in dem die zuvor so gute Stimmung ziemlicher Niedergeschlagenheit wich. Auch bei Peter, der dem in Liga und Pokal ungeschlagenen Tabellenführer noch die meiste Gegenwehr geboten hatte.

Mit zwölf Punkten war der 1,97-Meter-Mann der zweitbeste Angreifer auf dem Feld, übertroffen nur von Berlins Benjamin Patch, dem wohl sprunggewaltigsten Profi der Bundesliga. Peters Angriffsquote war sogar besser als die von Patch, 65 Prozent sind ein sehr guter Wert für einen Außenangreifer, der ja fast immer einen Doppelblock zu überwinden hat. Nur mit seiner Annahme konnte er nicht zufrieden sein, "die war aber auch bei den anderen nicht so gut", sagte Trainer Max Hauser, der sich vor allem über die klar verlorenen ersten beiden Sätze ärgerte: "Unsere Angriffe wurden sehr oft abgewehrt, dann ist das Selbstvertrauen schnell weg gewesen."

Peter hatte Selbstvertrauen im Angriff, so ziemlich als einziger Spieler seiner in der Hauptstadt viel zu ängstlichen und überhasteten Mannschaft. Dass er neben Berlins herausragendem Zuspieler Sergej Grankin zum wertvollsten Spieler gewählt wurde, war nur folgerichtig. "Tim hat viele Angriffsvarianten in schwierigen Situationen gelernt, er spielt öfter schlaue Bälle, macht langsam auch weniger Fehler. Auch im Block wird er stärker, und im Aufschlag haben wir umgestellt auf einen Float mit Hybridanwurf", sagt Hauser, mit einem Anwurf also, mit dem Peter auch einen harten Sprungaufschlag versuchen könnte. Letzteres allerdings klappte bislang nicht wirklich, deshalb auch die Umstellung.

Peter ist einer jener Spieler, die oft gar nicht so sehr auffallen. Weil seine Angriffe vielleicht nicht so spektakulär sind wie jene des Herrschinger Diagonalmannes Jalen Penrose. Oder weil er nicht so viele Wutanfälle auf dem Feld bekommt wie Libero Tille. "Tim ist ein sehr disziplinierter, cleverer Arbeiter, der den schweren Weg geht, Spitzensport und Studium gleichzeitig zu betreiben", sagt Hauser, der Peter trotz der Doppelbelastung auch weiterhin eine Nationalmannschaftskarriere zutraut.

Der Thüringer, der im Volleyball-Internat Frankfurt ausgebildet wurde und 2017 direkt im Anschluss einen Dreijahresvertrag in Herrsching unterschrieb, war nach seiner ersten Saison am Ammersee lange verletzt, die Syndesmose war gerissen, die Blessur zog sich bis in die Saison 2018/19 hinein. Im vergangenen Sommer ging es Peter dann besser, er stand für die Nations League erstmals im Aufgebot für die Nationalmannschaft. Für die Olympia-Qualifikation in Berlin im Januar, bei der die Deutschen an Frankreich scheiterten, wurde er nicht nominiert. Ein fester Platz im Nationalteam ist dennoch Peters Ziel. "Er muss noch stabiler in Block und Angriff werden, auch in der Annahme, dann kommt er auf internationales Niveau", sagt Hauser. In seinem Verein ist Peter ja längst Stammspieler, zumal Tom Strohbach, den ein Knochenödem am Ellbogen plagt, weiter verletzt ist. An seinem Hybridaufschlag kann Peter schon am Samstag wieder feilen, im Heimspiel gegen Herrschings Tabellennachbarn Düren.

© SZ vom 07.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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